Fürs Laubkehren mit Siegtalern bezahlenTroisdorfer Tauschring lebt Nachhaltigkeit
Troisdorf – Die Wurzeln des Troisdorfer Tauschrings liegen unter einem Kastanienbaum in Sieglar. „Das schaffen wir nur sehr mühsam allein“, dachte sich vor 26 Jahren Klaus Over, als er wieder einmal vor dem vielen Laub stand, das der riesige Baum in seinem Garten abgeworfen hatte. Mit Ehefrau Silke erinnerte er sich aber daran, im Radio von einem Tauschring gehört zu haben. Im Herbst 1996 harkten die Overs noch allein das viele Laub zusammen, im Frühjahr 1997 gründeten sie den Troisdorfer Tauschring.
„Es ist ja Unsinn, dass man sich so viele Dinge kauft und sie nur selten nutzt“, sagt Klaus Over. Seinen Häcksler für Ast- und Strauchschnitt hat der 63-Jährige schon öfter verliehen, seine Frau ihre Nähmaschine. Aber auch eine größere Akkuheckenschere können die beiden anbieten. Wer möchte, kann bei den Sieglarern einen Fahrradträger ausleihen, verschiedene Koffer der Familie haben mit anderen Reisenden die Welt gesehen. Weniger gefragt waren in der Vergangenheit die Gesellschaftsspiele oder die Sportboote.
Gefragt sind vor allem kleine Hilfen
Die überwiegende Mehrheit der Transaktionen in der Tauschring-Währung „Siegtaler“ betrifft aber ohnehin nicht die gemeinsame Nutzung von Geräten, sondern Hilfestellung bei kleineren oder größeren Projekten: eine Lampe montieren, das neue Handy einrichten, Löcher für ein Regal bohren, Schmuck oder ein defektes Gerät reparieren. „Da trifft sich der Tauschring mit dem Repair-Café“, sagt Silke Over. Aber auch Haareschneiden steht auf der Liste möglicher Dienstleistungen, die Stärke von Lehrerin Silvia Treder ist das Korrekturlesen.
„Wer eine gut funktionierende Nachbarschaft oder eine große Familie hat, der braucht den Tauschring eigentlich nicht“, sagt Klaus Over, Pilot der Lufthansa im Ruhestand. Viele ältere oder allein lebende Personen aber könnten Hilfe oft gut gebrauchen. Und dazu zählt auch schon mal die gemeinsame Fahrt mit dem Auto in ein bekanntes Möbelhaus im Linksrheinischen.Angebahnt werden die Tauschgeschäfte über die Telefonliste mit derzeit um die 50 namentlichen Einträgen. Noch wichtiger aber sind die Treffen, die bis zur Pandemie alle zwei Monate stattfanden.
Bonner Tauschring half bei der Gründung
„Ich weiß nicht, ob ich mir von Fremden nur aufgrund der Liste helfen lassen würde“, gibt Silvia Treder zu, die vor einigen Jahren aus Interesse zum Tauschring stieß. Längst kennt sie aber nun die anderen Mitglieder, bedauert den Wegfall der regelmäßigen Treffen. Nicht zuletzt wollte die Pädagogin ihren Ausstand aus dem Berufsleben von Tauschringmitgliedern bekochen lassen. Aber auch dieses Fest fiel der Pandemie zum Opfer.
So funktioniert es
Nach Zahlung der Aufnahmegebühr von 20 Euro erhält jedes neue Mitglieder drei Siegtaler als „Startkapital“ und eine Liste mit aktuellen Angeboten. Ein Taler pro Jahr ist für die Verwaltungsaufwendungen zu entrichten. Kontakte zwischen Anbieter und Suchenden werden direkt geknüpft, „nach Möglichkeit“ soll nach Zeitstunden abgerechnet werden. Dabei entspricht ein Siegtaler einer Stunde; bei der Ausleihe von Dingen einigen sich die Mitglieder auf eine Umrechnung in Zeit. Kosten wie Lebensmittel oder Benzin werden bezahlt oder ebenfalls als Zeit angerechnet.
Damit die Taler „in Bewegung bleiben“, gibt es eine Obergrenze von 50 Siegtalern je Mitglied. Mehr sollte niemand anhäufen. Ausnahmen sind nach Absprache allerdings möglich, wenn zum Beispiel ein Umzug oder Fest bevorsteht. „Kredit“ – ein Minus auf dem Taler-Konto – ist nicht vorgesehen. Weitere Auskunft online. (dk)www.troisdorfer-tauschring.de
Sehr hilfreich sei bei der Gründung der gute Kontakt zum Bonner Tauschring gewesen, berichten die Overs. Geburtshilfe leistete auch das damals noch existierende Troisdorfer Umweltzentrum. Gab es in den ersten Jahren noch ein kompliziertes System von Zeitkonten, das viel Büroarbeit machte, tauschen die Mitglieder heute Siegtaler: Papiergeld, das jährlich eine andere Farbe hat und für geleistete Hilfe oder Ausleihe den Besitzer wechselt.
Derzeit fehlen die jungen Familien
„Mit gutem Gewissen“ könne man im Tauschring um Hilfe bitten, sagt Klaus Over. Denn es gibt ja die Entlohnung in Form des Siegtalers. Rechtlich gilt das übrigens als Nachbarschaftshilfe und ist damit versichert. Und auch das Thema Schwarzarbeit will Klaus Over als Kritik nicht gelten lassen. Wer am Finanzamt vorbei Geld verdienen wolle, der lasse sich sicherlich nicht in Siegtalern bezahlen.
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Nicht immer passen allerdings Angebot und Nachfrage gut zusammen: Kochen und Kuchen werden häufig angeboten. Ein „Ladenhüter“ ist schon länger das Babysitten: „Wir haben zurzeit keine Familie mit kleinen Kindern im Tauschring.“