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KabarettHagen Rether geht in Troisdorf mit Parteien hart ins Gericht

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann im dunklen dreiteiligen Anzug sitzt auf einem Schreibtischstuhl, er hebt entschuldigend seine Hände.

Kabarettist Hagen Rether gastierte in der Stadthalle Troisdorf

Eines seiner gewohnt ausgiebigen Gastspiele gab der vielfach ausgezeichnete Kabarettist in der Stadthalle.

Viel Sitzfleisch ist notwendig bei Auftritten von Hagen Rether. 20 Minuten vor Mitternacht griff der Kabarettist in der ausverkauften Troisdorfer Stadthalle am bis dahin nahezu beschäftigungslosen Flügel in die Tasten, um den Abend mit dem wohl bedeutungsschwangersten Zitat der jüngeren deutschen Geschichte zu beschließen. Jedenfalls dürfte Rethers „Wir schaffen das“ der Ex-Kanzlerin im Ohr geklingelt haben, auch wegen der frenetischen 1000 Gäste, die mit stehenden Ovationen den Freiburger feierten.

Das Troisdorfer Publikum wird gut unterhalten

Gewissenserforschung betrieb der 54-jährige mit dem Auditorium, dabei aus einem tiefen Wissensfundus schöpfend und den mit philosophischem Duktus voller Ironie und Fatalismus verknüpfend. Höchst unterhaltsam sezierte er Politik, Gesellschaft und Werte im Wandel der Zeit. Die neuen amerikanischen Verhältnisse stellte er an den Anfang, fand, dass sich zwei Hauptdarsteller besonders verdient hätten. Passt doch ein Corona leugnender Gesundheitsminister, „der Masern mit Lebertran bekämpfen will“ perfekt zu einem Präsidenten „der Corona mit Desinfektionsmittel-Spritzen angeht“.

Rethers Hauptaugenmerk galt indes dem hiesigen Gefüge, mit derartigem Dauerbeschuss, dass es manchem wehtat. „Die CDU ist genauso christlich wie die AFD alternativ ist“, war sein Halali zum Rundumschlag. „Wir kriegen jetzt genau die Regierung, die wir uns zusammengewählt haben“, so der gebürtige Rumäne. Deutschland hätte stets die Parteien gewählt, die einen immer schön mit Schokolade ins Bett geschickt hat.

Die Allegorie des Schokoladenonkels wurde zum roten Faden. Demnach wurden dessen Ihr-braucht-keine-Verantwortung-übernehmen-wir-machen-das-schon-Betthupferl solange den Warnungen eines Robert Habeck vorgezogen, doch bitte immer schön die Zähne zu putzen, bis „die Gebisse aussahen wie Dresden 45“. Die Grünen, so Rether, machen den Fehler und sagen den Wählern immer vor der Wahl die Wahrheit. Der Wähler will aber nach Rethers Empfinden nicht aus dem Ritual raus, „vor der Wahl angelogen zu werden, damit er nachher sagen kann, angelogen worden zu sein.“

Wir sind für kein Geld mit Ryanair um diesen Planeten geflogen, wie antike Götter. Haben wir das vergessen?
Hagen Rether

Der Träger vieler Kabarettpreise stellte den Finanzumfang von 100 Milliarden für die Klimatransformation in Frage. „Das ist lächerlich. Allein das Ahrtal hat uns 30 Milliarden gekostet. Ein langes Wochenende Regen. Kriegen wir überhaupt mit, in welchen Dimensionen wir uns bewegen?“ Den Spiegel in Sachen ökologischer Fußabdruck hielt er jedem vor: „Wir sind für kein Geld mit Ryanair um diesen Planeten geflogen, wie antike Götter. Haben wir das vergessen?“

Keine Partei ließ Rether in seiner Befundung aus. So schrieb er der CDU zu, ein halbes Jahrhundert regiert und dabei alles „in die Fritten geritten“ zu haben: „Die Schulen fallen zusammen, Brücken fallen in die Flüsse.“ In Richtung Lindner fragte er, wieso dieser sogar beides gemacht habe, obwohl er einst sagte „Lieber nicht regieren, als schlecht regieren.“

In China ist TikTok verboten, die sind ja nicht blöd. Wir sind blöd
Hagen Rether

Zu Alice Weidel: „Die schaut immer so, als hätte sie gerade etwas Ekliges gerochen.“ Paradoxa führte Rether viele an. Etwa, dass „Wurst das Tierwohl-Siegel hat“ oder dass große Konzerne, die ewig gefordert hätten, der Staat soll sich raushalten, bei Corona als Erste riefen „Hilfe, Hilfe wir brauchen neun Milliarden“, nur um dann Zehntausende zu entlassen. Bei den Videoportalen hob er TikTok heraus: „Hier lernt man heute, wie man Bomben baut. In China ist TikTok verboten, die sind ja nicht blöd. Wir sind blöd.“

Begriffe wie Lehrermangel, Faxgeräte waren ebenso zündende Ausrufezeichen wie „Reformstau“, das schon 1997 Unwort des Jahres war. Seine Erkenntnis daraus: „Wir überlassen den Kindern keine Schulden, dafür lieber einen Schrotthaufen, bei dem sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen.“ Vielleicht war das der Grund für das Deutschlandticket nach dem Motto: „Da können die Leute rumfahren und sich den Schrotthaufen anschauen.“