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Nach Streit in Shishabar35-Jähriger wegen versuchten Totschlags in Troisdorf vor Gericht

Lesezeit 3 Minuten
Nach den Schüssen in Troisdorf: Ein Polizist sammelt Spuren am Fahrzeug.

Ein Polizist sammelt Spuren am Fahrzeug, in dem der 46-Jährige angeschossen wurde.

Ein 35-Jähriger muss sich vor Gericht verantworten. Der Angeklagte soll zehn Schüsse auf seinen Kontrahenten abgegeben haben.

Gegen 23 Uhr am Abend des 31. August 2022 fuhr ein Mann mit einem Auto an der Polizeiwache Troisdorf vor und rief in die Sprechanlage: „Auf mich ist geschossen worden.“ Fast zeitgleich gingen bei der Leitstelle Anrufe ein von Menschen, die Schussgeräusche auf der Kölner Straße meldeten.

Einige Beamte kümmerten sich um den an den Beinen Verletzten und sorgten für seinen Transport in die Uniklinik Bonn, zwei Kollegen sprangen in einen Streifenwagen und fuhren mit Blaulicht zum Tatort, der nicht weit von der Wache entfernt liegt.

Angeklagter soll Hülsen aufgesammelt und mit quietschenden Reifen geflohen sein

Bei einer Shishabar war der Boden mit Glasscherben bedeckt, ein Zeuge berichtete den Polizisten, er habe einen Mann mit dunkelblauer Jeans und weißem Hemd gesehen, der vom Boden Hülsen aufgesammelt habe und dann mit quietschenden Reifen mit einem Auto in Richtung Spich davongerast sei.

Das Bonner Schwurgericht versucht seit Dienstag, die Geschehnisse dieses Abends aufzuklären. Angeklagt ist ein 35-Jähriger, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung in fünf Fällen sowie Verstoß gegen das Waffengesetz vorwirft. Das Verfahren wird ein Indizienprozess, denn Verteidiger Carsten Rubarth erklärte gleich zu Beginn, sein Mandant werde keine Angaben machen, weder zur Person noch zur Sache.

Staatsanwalt Martin Kriebisch geht davon aus, dass der 35-Jährige einen früher mit ihm gut befreundeten 46-Jährigen töten wollte. Beide hatten sich nach den Ermittlungen der Mordkommission unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Thomas Winterscheidt am 31. August in der Bar zu einer Aussprache getroffen, die aber in einen verbalen und körperlichen Streit ausartete. Danach gingen die Männer auseinander mit der Verabredung, sich wenig später an gleicher Stelle erneut zu treffen, um die Angelegenheit zu klären.

Belgische Fahnder fassten den Angeklagten auf einem Hausboot

Kurz vor 23 Uhr kehrte das spätere Opfer am Steuer eines Audi zurück, der Kontrahent wartete bereits an dem Lokal. Er ging dann laut Anklage zum Auto, öffnete die Wagentür, zog eine halbautomatische Kurzwaffe aus einem Schulterholster und drückte, so der Staatsanwalt, „in der Absicht, den anderen zu töten“, ab. Doch es löste sich kein Schuss; ob wegen eines Bedienfehlers oder einer Ladehemmung, ist nicht bekannt.

Der 46-Jährige floh zunächst, meinte dann, der Ex-Kumpel habe ihm nur einen gehörigen Schrecken einjagen wollen, und fuhr zurück, doch der andere wollte ihn laut Anklage „immer noch erschießen“. Er drückte laut Anklage wieder ab, und das gleich zehnmal. Fünf Projektile drangen ins Auto ein, eine Kugel durchschlug beide Unterschenkel des Opfers, andere Geschosse landeten im Treppenhaus einer benachbarten Wohnung, in der Leuchtreklame und im Schaufenster eines Geschäfts, in einer Wohnungstür und in der Ölleitung eines Lkw.

Der mutmaßliche Schütze floh, die Mordkommission fahndete in Troisdorf mit Plakaten nach dem polizeibekannten Mann, die Staatsanwaltschaft setzte für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, eine Belohnung von 1500 Euro aus. Während ein Spezialkommando der Polizei die Wohnungstür des Geflüchteten sprengte und in den zwei Räumen unter anderem mehrere Fläschchen des Sexualhormons Testosteron beschlagnahmte, lebte der 35-Jährige auf einem Hausboot in Belgien. Dort spürte ihn die belgische Polizei am 23. Dezember auf. Der Prozess wird fortgesetzt, auch das Opfer soll befragt werden.