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„Tour de Dorf“ in LohmarEine Tour vorbei an den schönsten Ecken von Wahlscheid

Lesezeit 3 Minuten

Lohmar – Leicht veräppelt kamen sich am Anfang der Dorftour die 20 Wissbegierigen am Forum Wahlscheid vor. Mitten im Ort erklärte ihnen Hans-Martin Pleuger: „Wir befinden uns hier nicht in Wahlscheid.“ Wahlscheid sei oben um die evangelische Kirche St. Bartholomäus auf dem Berge entstanden. „Hier unten“ im Aggertal sei früher sumpfiges Gelände gewesen, nur von Bauern genutzt. Erst mit Stauwerken und Fluss-Regulierung an der oberen Agger sei man ins Tal gezogen.

B 484 kam ’raus aus dem Dorf

Das war ein interessanter Start der knapp dreistündigen „Tour de Dorf“ mit dem Vorsitzenden des Verkehrs- und Verschönerungsvereins. Der Weg führte ein Großteil über die Wahlscheider Straße (einst B 484) Richtung Süden. Tag und Nacht seien vor Jahrzehnten über diese Verkehrsachse im Aggertal Laster sogar mit zwei Anhängern gefahren, vollgeladen mit Kies. Oft aus der Siegaue bei Hennef und Niederpleis ins Bergische, wo es keinen Kies zum Bauen gibt.

Um 1980 wurde die B 484 aus dem Ortskern heraus an den Westrand von Wahlscheid verlegt. Seither ist es im Dorf ruhiger. Lohmar-Ort, wo ebenfalls die B 484 mitten hindurch führte, hatte dieses Glück erst vor elf Jahren mit Eröffnung der Umgehung über die Autobahn mittels der neuen A-3-Anschlussstelle Lohmar-Nord.

Auf der Wahlscheider Straße zog die Gruppe auch am Anwesen „Hohns Bungert“ im Ortsteil Aggerhof vorbei, einem beeindruckenden Fachwerkensemble. Es ist seit 1987 Domizil des Männerchors Wahlscheid (MCW), nachdem die Brüder Otto und Ernst Hohn es dem Verein geschenkt hatten, der mit Frauenzuwachs nun „Miteinander-Chor Wahlscheid“ heißt und so immer noch MCW abgekürzt werden kann. Gleich daneben in dem zurückstehenden Gebäude war früher das Mathildenstift. Wilhelm Frackenpohl hatte es der evangelischen Kirchengemeinde gestiftet.

Wie viele heutige Wahlscheider ist auch Pleuger ein Zugereister. Er kam 1950 im Alter von vier Jahren aus Bielefeld. Sein Vater Fritz Pleuger, der Pfarrer war, beschloss mit der Gemeinde 1951, das im Krieg beschädigte Mathildenstift nicht wieder instand zu setzen. Die Kirchengemeinde baute ein neues Altenheim. Mit heute 121 Plätzen und betreutem Wohnen ist es der größte Arbeitgeber in Wahlscheid.

Weiter ging es Richtung Ortsausgang, wo die Stadt die rechte Seite der Wahlscheider Straße bis nach Kirchbach mit Linden bepflanzte, wie sie früher auch im Ortskern an der Straße zu finden waren. Erst später, 1999, pflanzte der Verkehrsverein auf der anderen Seite aus Kostengründen kleinere Linden. Kurioserweise sind diese heute viel größer als die städtischen Linden. Pleuger meint, der Verein hätte seine Bäumchen beim Pflanzen besser gedüngt.

Schließlich ging es ein Stück in den Wald zur Grube Pilot, um an die Erzbergbaugeschichte des Ortes zu erinnern. Viele glauben, der dort zu sehende Tunnelmund sei der Eingang gewesen. Falsch! Dort floss das Wasser aus dem Stollen und trat die für Arbeiter im Bergwerk so wichtige Frischluft ein. Ins Bergwerk gelangte man einst durch einen schon lange nicht mehr existierenden hölzernen Förderturm auf der Höhe.

Ein Stück hinauf kam die Gruppe dann am Friedhof vorbei zur evangelischen Kirche auf dem Berge, 1166 erstmals urkundlich erwähnt. St. Bartholomäus gibt es übrigens zweimal in Wahlscheid Am Ausgangspunkt der „Tour de Dorf“, gegenüber des Forums steht die katholische Kirche St. Bartholomäus im Tal, erst 1965 gebaut, drei Jahre nachdem die Bahn „Luhmer Grietche“ (Siegburg–Overath) nicht mehr fuhr und der alte Bahnhof nahe der Kirche und des Forums zu einem privaten Wohnhaus wurde. Heute erinnert noch das Bahnhofsschild „Wahlscheid“ an den einstigen Zweck des Gebäudes.

Am 25 Juli lädt der Verein wieder zur „Tour de Dorf“ ein. Da bekommt man völlig Neues gezeigt und erzählt – etwa über Napoleons Nächtigung seinerzeit im Schloss Auel. Denn die erste Tour war Wahlscheid-Süd gewidmet, im Juli ist Wahlscheid-Nord dran.