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Krieg in der UkraineSo bereitet sich der Rhein-Sieg-Kreis auf Geflüchtete vor

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Hilfsgüter stellt Manu Gardeweg von „Lohmar hilft“ für die Flüchtlinge zusammen.

Rhein-Sieg-Kreis – „Unsere Transporte gehen los“, teilt Manu Gardeweg von „Lohmar hilft“ auf ihrer Facebook-Seite mit, erste Hilfsgüter sind schon am Bestimmungsort angekommen. Hilfe für Menschen, die ihre Heimat in der Ukraine auf der Flucht vor dem Krieg verlassen haben.

„Wir haben ein großes Netzwerk“, berichtete Gardeweg am Montagmittag. Viele Hilfsorganisationen wie Refugee Foundation, Hanseatic Help oder Care e.V. bündeln ihre Kräfte. Dabei ist das Lager der Lohmarer Initiative in Troisdorf einer von vier zentralen Standorten, wo Spendenmittel disponiert und aufgeladen werden.

Erstes Ziel ist Stützpunkt in Ungarn

Bestimmungsort der ersten Lkw war ein Stützpunkt in Ungarn, nur 40 Kilometer von der Grenze zur Ukraine. Vor Wochen seien da schon 30 Paletten mit Kinderkleidung hingeschickt worden, so Gardeweg; „es zeichnete sich ja ab, was kommt“. Nicht alle Hilfsgüter sollen in Ungarn bleiben. „Von da aus kann man gut verteilen“, erklärt Gardeweg. Auch Transporte in die Ukraine selbst seien geplant – sichere Korridore für die Lastwagen und ihre ukrainischen Fahrer stets vorausgesetzt.

Matratzen und Hygienepacks liegen bereit

Gut gerüstet sind Gardeweg und ihre Mitstreiter auch für das Eintreffen ukrainischer Flüchtlinge in der Region. „Wenn sich zwei bis fünf Millionen auf den Weg machen, müssen wir damit rechnen, dass sie in den Kommunen ankommen.“ Die Frage: „Was ist, wenn die erste Turnhalle belegt wird?“ kann sie direkt beantworten: „200 Matratzen und 1000 Hygienepacks liegen hier immer parat“, auch anderes Material sei vorhanden.

50 Großcontainer mit Hilfsgütern lagerten noch in den Flutgebieten an der Ahr. Bei der Aufnahme und Betreuung Geflüchteter setzen die Lohmarer Helfer und Helferinnen auf die „seit 2015 erprobte Kooperation“ mit dem Roten Kreuz, ASB oder Maltesern.

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Auf dem Marktplatz in Hennef versammelten sich am Montagabend Menschen zu einer Mahnwache. 

Friedensdemo in Hennef

Mehr als 500 Demonstranten trafen sich am Montagabend um 18 Uhr auf dem Hennefer Marktplatz. Aufgerufen zu der Solidaritätsdemonstration hatte Bürgermeister Mario Dahm, auch seine Amtskollegen aus Sankt Augustin und Siegburg, Max Leitterstorff und Stefan Rosemann, waren nach Hennef gekommen.

Dahm zeigte sich überwältigt von der Menschenmenge. "Ich hatte ja eigentlich 100 Teilnehmer angemeldet", stellte er fest und erntete Gelächter. Er bestätigte, dass Hennef bereit sei, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen: "Unsere Türen und Herzen sind offen." Anschließend bat er um eine Schweigeminute für die Menschen, die bereits ums Leben gekommen sind. Nach deren Ende stimmte eine Gruppe unter den Demonstranten den Antikriegssong "We Shall Overcome" an, und die Menge sang spontan mit. Das Dudelsack-Orchester "Nutscheid Forest Pipe Band", das sich laut Dahm erst kurz zuvor spontan angemeldet hatte, setzte den musikalischen Schlusspunkt.

Auch der Siegburger Bürgermeister Stefan Rosemann hatte zuvor an die Siegburgerinnen und Siegburger appelliert, sich der Mahnwache in Hennef anzuschließen. Für nächsten Montag, 7. März, 18 Uhr, ist dann eine Mahnwache auf dem Siegburger Markt geplant.

Solidaritätswache in Windeck

Bereits am Sonntag hatte der Männergesangverein Windeck-Imhausen spontan zu einer Solidaritätswache aufgerufen. Mehr als 70 Teilnehmer wurden gezählt. „Ich, mit meinen fast 70 Jahren, habe mir nicht im entferntesten vorstellen können, dass wir hier in Europa nochmal das erleben müssten, was Millionen unserer Eltern und Großeltern in Deutschland in den beiden Weltkriegen durchleben mussten“, sagte Frank Brucherseifer, Vorsitzender des Vereins.

„Ich bin erschüttert, ich bin zutiefst enttäuscht, dass zivilisierte Menschen in der heutigen Zeit zu dem fähig sind, was wir in diesen Tagen erleben müssen, und ich bin zornig, dass unsere Generation zu so etwas fähig ist.“ Er erinnerte auch an die ukrainischen Zwangsarbeiter, die aus ihrer Heimat verschleppt und in Imhausen und Hundhausen während des Zweiten Weltkrieges in der Landwirtschaft eingesetzt waren.

Mit Visum keine Leistungen

Auf „eine offene Frage, die geklärt werden muss“, hat unterdessen Kirsten Liebmann hingewiesen, Bereichsleitung Familie und Gesundheit und zuständig auch für die Flüchtlingsberatung im Caritasverband Rhein-Sieg: Mit dem Besuchervisum, das die einfache Einreise und einen Aufenthalt von zunächst 90 Tagen erlaubt – auch die Verlängerung um den gleichen Zeitraum ist kein Problem – seien keinerlei Sozialleistungen verbunden.

„Ich glaube, daran wird gearbeitet“, so Liebmann. Aktuell aber sei vor allem wichtig, dass die Grenzen für die Flüchtenden offen seien. Derweil bereiten sich auch Kommunen auf die Ankunft von Kriegsflüchtlingen vor.

Sankt Augustin

Als „Selbstverständlichkeit“ bezeichnete der Sankt Augustiner Bürgermeister Max Leitterstorff die Aufnahme von Menschen aus der Ukraine, schrieb er in einer E-Mail an den Stadtrat. Die Stadtverwaltung habe bereits in der vergangenen Woche mit den Vorbereitungen begonnen, am Dienstag werde der Krisenstab zusammentreten und das Thema beraten. Auch im Stadtrat möchte Leitterstorff am 10. März darüber sprechen.

Bad Honnef

Die Stadt Bad Honnef ist nach Angaben von Klaus Linnig, Fachdienstleiter Rats- und Bürgermeisterbüro, gerüstet für den Fall, dass ihr Flüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen würden. In den Bad Honnefer Flüchtlingsunterkünften stünden demnach freie Plätze in kleiner dreistelliger Höhe zur Verfügung. Die Unterkünfte habe die Verwaltung in mehreren Häusern im Stadtgebiet angemietet; sie seien zurzeit nicht alle voll belegt.

Hennef

Auch im Hennefer Rathaus sind die Planungen zur Unterbringung angelaufen: „Wir bereiten uns auf die Aufnahme von Geflüchteten vor“, sagte Stadtsprecherin Mira Steffan auf Anfrage. Natürlich werde man Menschen aus der Ukraine aufnehmen.

Lohmar

In der Lohmarer Stadtverwaltung geht man davon aus, dass Geflüchtete von der Bezirksregierung zugewiesen werden. „Was uns zugeteilt wird, können wir aufnehmen, das ist gar kein Problem“, sagt Jens Udelhoven von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. 2015 seien Wohnungen und Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen gemietet und gekauft worden. Es gebe viele Objekte, die nicht ausgelastet seien. Und im Notfall könne in kürzester Zeit auch eine Sporthalle hergerichtet werden.

Much

Auf eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten setzte die Gemeinde Much in den Jahren 2015 und 2016 und werde es wieder tun, kündigte Bürgermeister Norbert Büscher an. Sein Appell, in jeder Ortschaft der Gemeinde auch nur eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, fiel damals auf fruchtbaren Boden. Bis zu 350 Personen brachte damals die Gemeinde unter; etwa 100 wohnen noch in angemieteten Immobilien.

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„Es wird dieses Mal anders sein“, sagt Norbert Büscher. Er rechnet mit weniger Flüchtlingen; viele hätten vermutlich auch Verwandte, bei denen sie vorübergehend unterkommen könnten. Anders als vor Jahren dürften Menschen aus der Ukraine ihren Wohnsitz frei wählen, angesichts des tobenden Krieges erwartet der Bürgermeister eine noch größere Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung.