Siegburger InnenstadtAlles wartet auf das Kaiser-Carré
Siegburg – Siegburgs Flaniermeile sollte die Kaiserstraße eigentlich sein, auch im oberen Abschnitt der Fußgängerzone zwischen Cecilienstraße und Johannesstraße. So verheißt es auch ein altes Werbeschild am so genannten Goldbergareal neben dem Kaufhof. Doch die Realität sieht anders aus: Ein Dutzend Geschäftslokale steht derzeit leer und bietet ein tristes Bild. Zeigt sich dort die düstere Zukunft des Einzelhandels in Zeiten von Amazon und Co.?
Sissis Vassiliadis, Vorsitzender des Siegburger Verkehrsvereins widerspricht diesem Verdacht vehement. „Die Händler sind mehr als zufrieden“, das zurückliegende Jahr habe gute Umsatzzahlen gezeitigt. Mehr noch: „Der Trend geht zurück zum Handel in den Städten“, ist er überzeugt. Der Einkauf bleibe ein Erlebnis, dazu gehöre das Gespräch mit dem gut informierten Verkäufer und der Cappuccino zwischendurch. „Und das gibt es nicht im Internet.“ Für die Leerstände macht er unterschiedliche Ursachen aus. So gebe es eine ganz normale Fluktuation, auch mit Umzügen innerhalb des Zentrums. Manche Hauseigentümer wollten einfach die Qualität hochhalten und keine x-beliebigen Mieter haben. Andere hätten überzogene Vorstellungen vom Verkaufswert ihrer Immobilien. Besonders bedaure er allerdings, wenn ein etabliertes, inhabergeführtes Modegeschäft wie Juliane schließe.
Vor allem aber seien viele verunsichert über die Zukunft der oberen Kaiserstraße: Denn nach Jahren des Stillstands gibt es mit dem Kaiser-Carré ernsthafte Pläne für das Goldberg-Areal, auf dem die Kreissparkassentochter Pareto und die Siebers-Partner GmbH ein Kaiser-Carré mit Geschäften auf 4000 Quadratmetern und 70 Mietwohnungen bauen wollen. „Die Leute warten darauf, dass es losgeht.“ Vassiliadis geht davon aus, dass die obere Kaiserstraße dann von einer „B bis C-Lage zur A-Lage“ in der Innenstadt wird. „Nach der Grundsteinlegung sieht das alles ganz anders aus.“
Stephan Marks, Leiter des städtischen Planungsamts, sieht es ähnlich: „Das ist überhaupt nicht der Untergang des Einzelhandels“, sagt er auf Anfrage. Insgesamt gebe es in der Stadt einen Leerstand von acht bis neun Prozent der Geschäfte, was völlig normal sei. Eine Stadt brauche auch Luft zum Atmen, wenn ein Ladenlokal umziehen wolle. Marks verweist zudem auf die Zentralitätskennziffer für die Kreisstadt, die statistisch belegt, dass Kunden von außerhalb zusätzliche Kaufkraft in die Stadt bringen: Die liege bei 149,7 und damit weit höher als in Sankt Augustin (104,6) oder Troisdorf (86,6). „Darauf sind wir ganz schön stolz.“ In absehbarer Zeit werde die Kaiserstraße deutlich attraktiver, wenn sie durchgängig zur Fußgängerzone werde. Der Verkehr wird dann nicht nicht mehr von der Cecilienstraße über die Kaiserstraße und Burggasse weiter zum Allianzparkplatz geführt. Dieser wird künftig von der Ringstraße aus angefahren, die nötigen Grundstücke mit dem ehemaligen Möbelhaus Duve sind Eigentum der Stadt. „Das ist von elementarer Bedeutung für die Kaiserstraße“, ist Marks überzeugt, und komme auch den Investoren für das Kaiser-Carré zugute.
Kai Hübscher, Inhaber von „Der Bastelladen“ sieht „keinen Grund zu jammern“, auch wenn er von seinem Ladenlokal aus auf gleich drei leerstehende Geschäfte blickt. Vor zwei Jahren habe er sich mit seinem damaligen Geschäftspartner auf die Suche nach einem Standort gemacht, der sein etabliertes Geschäft aus dem Einkaufszentrum Hürth Park umziehen wollte. Heute führt er den Bastelladen alleine. Die obere Kaiserstraße habe Potenzial, erst recht wenn das Kaiser-Carré eines Tages realisiert werde. Im Oktober 2018 eröffnete das Spezialgeschäft auf 240 Quadratmetern, erweitern könnte Hübscher noch in Verkaufsräumen im Keller. Zufrieden sei er mit dem zurückliegenden Weihnachtsgeschäft, arbeiten müsse er aber noch am Bekanntheitsgrad des Geschäfts, das auch hochwertigen Künstlerbedarf anbietet. „Toll, dass es so etwas wieder gibt“, den Satz höre von Kunden immer wieder, da es auf der Holzgasse kein Bastelgeschäft mehr gibt.
Mehmet Güler investiert gerade an der Kaiserstraße: Ihm gehört das Haus mit der Nummer 62, in dem bis vor kurzem das Grillrestaurant Kapadokya untergebracht war. Er selbst führte dort zehn Jahre lang das Doy Doy mit türkischen und mediterranen Gereichte vom Holzkohlengrill. Güler hat das Lokal entkernen lassen, das bald unter neuem Namen weitergeführt wird. Seit Januar ist er zudem Betreiber des Cafés San Remo, das er gemietet hat und mit allen Mitarbeitern weiterführt. „Ein bisschen heruntergekommen“ findet er seine Nachbarschaft und setzt ebenfalls auf die Neueröffnungen im Goldbergareal. Er wünsche sich, dass mehr auf der oberen Kaiserstraße geboten wird, Aktivitäten wie Trödelmärkte fänden ständig auf dem Markt statt. Der Holzgasse habe die Eröffnung der großen Pizzeria Tuscolo geholfen, auch die Gastronomie an der oberen Kaiserstraße rechne sich aber. Seine Tipp als Immobilieneigentümer lautet: „Man muss auf das Mietniveau achten, damit sich Geschäfte halten können.“