Erfolg auf TikTokSiegburger hat mehr als 1,2 Millionen Follower
Wer David Renken bei der Arbeit zusieht, fragt sich unter Umständen: Was tut der da? Der 29-Jährige steht in seinem Wohnzimmer und hat sich bereits zwei unterschiedliche Outfits zurechtgelegt: Einen grauen und einen grünen Pulli sowie ein Tuch. Renken mistet nicht etwa seinen Kleiderschrank aus, sondern er dreht ein Video für die Kurzvideoplattform TikTok. Mit den unterschiedlichen Pullis verkörpert er verschiedene Rollen und mit dem Tuch stellt er lange Haare dar. Auf der Kurzvideoplattform gilt: Je ausgefallener die Videos, desto beliebter.
Im Jahr 2021 hatte TikTok etwa 100 Millionen Nutzer in Europa, die größte Zielgruppe sind mit 25 Prozent die Zehn- bis 19-Jährigen. Viele Videos zeigen Menschen, wie sie tanzen, singen oder kochen.
Renken ist das, was man auf Neudeutsch einen „Content Creator“ nennt. Damit gemeint sind Menschen, die Videos oder Bilder auf sozialen Netzwerken veröffentlichen und damit auch Geld verdienen. In der Szene werden sie auch „Influencer“ genannt, da sie viele Menschen mit ihren Videos in Kaufentscheidungen beeinflussen. Auf seinem Kanal „Herr David“ veröffentlich Renken beispielsweise die Serie „Unnötige Fragen“.
Darin geht es, wie der Name schon sagt, um unnütze Fragen wie: „Gehst du?“, wenn jemand schon mit Jacke und Schuhen bekleidet aus der Tür tritt. Heute dreht Renken Teil 13.
Mit seinen Videos erreicht der gebürtige Siegburger mehr als 1,2 Millionen Follower. Rechnet man die Stunden zusammen, die Menschen mit einem einzigen seiner Videos bislang verbracht haben, kommt man auf 5792 Stunden.
Skript dauert eine Stunde
Die 30-sekündigen Clips sind unterhaltsam und kurzweilig, doch der Zeitaufwand dahinter immens: „Ich brauche insgesamt eine Stunde, um das Skript zu schreiben, das Video aufzunehmen, es zu schneiden und um auf Kommentare meiner Zuschauer einzugehen“, sagt Renken.
Danach plant er direkt das nächste Video. „TikTok anzufangen ist typisch für mich. Ich probiere gerne viel aus und habe auch keine Angst davor, eine meiner Ideen wieder fallen zu lassen“, sagt Renken.
Studium als Bauingenieur aufgegeben
Dass er einmal Content Creator werden würde, war nicht sein ursprünglicher Plan. Nach seinem Abitur im Jahr 2012 studierte Renken zunächst vier Semester Bauingenieurwesen. „Das war mir aber zu technisch“, sagt er. Also wechselte er zu den Wirtschaftsingenieuren.
Hier lernte er die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre und wendete sein neu gewonnenes Wissen auch gleich an. Er gründete ein Start-up, mit dem er Uhren in China herstellen ließ und sie verkaufte. „Zu der Zeit fing das ganze Influencer-Marketing auf Instagram an. Das habe ich auch genutzt, um meine Uhren zu bewerben“, sagt Renken.
Influencer werden von Unternehmen gebucht, um Werbung für ihre Produkte zu machen. Als Renken alle produzierten Uhren verkauft hatte, stieg er aus dem Uhrengeschäft aus. Social Media ist er aber treu geblieben, und erstellte zunächst Mode-Bilder auf Instagram.
Seine Seite lief gut, 150.000 Menschen hatten sie abonniert. Immer mehr Fashion- und Lifestylemarken kamen mit Werbeanfragen auf ihn zu. „Da habe ich zum ersten Mal das finanzielle Potenzial der sozialen Medien erkannt“, sagt Renken.
Renken nahm sich selbst auf die Schippe
Als Instagram im Jahr 2017 die Stories-Funktion einführte, mit der man Bilder und Videos hochladen kann, die nur einen Tag lang zu sehen sind, witterte Renken neue Chancen. „Ich habe angefangen, lustige Videos zu drehen“, sagt Renken. „Darin habe ich mich und das Influencer-Marketing auf die Schippe genommen.“
Gleichzeitig wurde ihm zu diesem Zeitpunkt der Druck zu viel, ständig Bilder hochladen zu müssen, damit seine Zuschauer zufrieden sind. Renken traf eine Entscheidung: „Ich wollte nur noch das machen, auf das ich Lust habe, deswegen habe ich 2018 einen harten Schnitt gemacht.“
Anfänge auf Tiktok mit Comedy-Videos
Renken stellte seinen Instagram Account auf privat und konzentrierte sich nach einer kurzen Pause auf eine neue Social-Media-Plattform: musical.ly, den Vorgänger von TikTok. Als einer der ersten in Deutschland fing er an, Comedy-Videos hochzuladen. Schnell waren seine Videos im Netz ein Erfolg. Davon leben konnte er trotzdem nicht, deswegen arbeitete er in Vollzeit für einen Verlag als Produktmanager.
„Würde ich mich voll auf TikTok konzentrieren und alle Werbe-Deals annehmen, die mir angeboten werden, könnte ich sicherlich davon leben“, sagt Renken. Durch seinen Job ist er nicht auf Kooperation angewiesen. „Ich werbe nur für Marken, die ich wirklich gut finde.“ Dennoch bestimmt TikTok sein Leben. In der Mittagspause schreibt er Skripte, dreht Videos und plant den Content auf seinem Kanal.
Seit Dezember arbeitet Renken als Social-Media-Manager bei einem Elektrogerätehersteller. Dort will er seine ganze Erfahrung einbringen und „vielleicht sogar TikTok-Marketing einführen“. Er ist sich sicher: „TikTok wird für Werbetreibende wichtiger werden als Instagram.“
Ob er jemals nur von TikTok leben will, weiß er allerdings nicht. Aber: „Ich kann mir vorstellen, meine eigene Social-Media-Agentur zu gründen.“ Genug Erfahrung hat er dafür auf jeden Fall.