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ProzessWie in Siegburg irrtümlich der falsche Mann auf der Anklagebank gelandet ist

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Gebäude mit Hinweisschild Amtsgericht

Vor dem Amtsgericht landete nicht der Täter, sondern das Opfer.

Ein 32-jähriger Paketfahrer landete nach einer Straßenschlägerei aufgrund einer Verwechslung vor dem Amtsgericht. Wie der Fall aufgelöst wurde.

Zugegeben, die Geschehnisse in der Nacht auf der Zeithstraße waren unübersichtlich. Ein 40-Jähriger wurde am 17. Februar dieses Jahres von zwei anderen windelweich geschlagen. Auf seiner Flucht traf er auf einen unbeteiligten 32-Jährigen, den er offenbar für einen der Gewalttäter hielt, und griff diesen an. Der Jüngere wollte ihn zur Rede stellen - und wurde von den herbeigerufenen Polizisten verhaftet. So landete der falsche Angeklagte vor Gericht.

Der Siegburger beteuerte seine Unschuld. Er war mit einem Freund auf dem Heimweg von einer Party gewesen, hatte einiges getrunken, die Blutprobe ergab knapp 1,7 Promille. An die entscheidenden Details konnte sich der Paketfahrer dennoch erinnern. Er hatte den Tumult an der Ecke Seidenbergstraße mitbekommen, nahe der Bushaltestelle habe ihn ein Mann aus der Gruppe unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen. „Ich kannte ihn gar nicht, er hat mich offenbar verwechselt.“

Zeuge entlastete vor Gericht den Siegburger Angeklagten

Danach sei der Angreifer weitergelaufen, er habe ihn nach wenigen Metern eingeholt, um ihn zur Rede zu stellen. Geschlagen und getreten habe er diesen nicht. „Und dann war die Polizei schon da“, sagte der 32-Jährige, „aber sicher nicht wegen uns“, sondern wegen der Prügelei an der Ecke.

Ein unbeteiligter Zeuge, ein 17-Jähriger, der auf den Bus wartete, hatte gegenüber der Polizei zwar Gewalttaten geschildert und den Angeklagten als mutmaßlichen Täter benannt, in der Hauptverhandlung aber entlastete er den 32-Jährigen. Der habe nichts getan.

Der 40-Jährige, der frühzeitig hätte Licht ins Dunkle bringen können, hatte gegenüber der Polizei eine Aussage verweigert, „wegen schlechter Erfahrungen“ mit der Staatsgewalt. Er sei sehr betrunken gewesen, so der Arbeiter im Zeugenstand, habe nur verschwommene Erinnerungen an das Zusammentreffen.

Warum es zu den Schlägerei an der Ecke gekommern war, bei der er zahlreiche, schmerzhafte Prellungen und Schürfwunden davontrug, das wisse er nicht mehr. Aber so viel sei sicher: Der Angeklagte habe nichts damit zu tun gehabt. „Ich habe ihn in der Nacht irrtümlich für einen der Angreifer gehalten.“

Am Ende plädierten sowohl die Staatsanwältin wie auch die Strafverteidigerin auf Freispruch. Dem folgte Richterin Julia Dibbert. Sie wünschte dem bislang unbescholtenen Paketfahrer alles Gute. Der ist jung verheiratet und möchte bald Vater werden. Die Kosten für das Verfahren und das Honorar der Rechtsanwältin trägt die Landeskasse.