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Tag der HandschriftSo lernen Kinder in Siegburger Grundschule leichter das Schreiben

Lesezeit 3 Minuten
Eine Frau sitzt an einem Tisch und hält zwei Papierblätter mit handgeschriebenen Buchstaben in den Händen.

Anna Fruhen-Witzke setzt sich dafür ein, dass Kinder schneller schreiben lernen.

Die Grundschullehrerin Anna Fruhen-Witzke plädiert dafür, dass Kinder zuerst die sogenannte Grundschrift lernen.

Ob Schönschrift oder Sauklaue: jeder Mensch besitzt eine individuelle Handschrift. Doch die Art und Weise, wie Kinder in Grundschulen das Schreiben lernen, ist umständlich und überholt, findet die Siegburgerin Anna Fruhen-Witzke. Die 42-Jährige ist Grundschullehrerin in Elternzeit und setzt sich für die sogenannte Grundschrift ein, bei der Kinder direkt eine individuelle Schrift entwickeln – insbesondere heute, am Tag der Handschrift.

Bis in die 80er Jahre hinein hätten Grundschulen in Deutschland die sogenannte Lateinische Ausgangsschrift gelehrt: Wörter, deren Buchstaben durch schwungvolle Linien miteinander verbunden werden. Die „Schreibschrift“ würde man sagen – ein Begriff, den Fruhen-Witzke irreführend findet. „Jede Handschrift ist ja eine Schreibschrift“, sagt sie.

Ein Mädchen schreibt mit einem Stift in ein Heft und konzentriert sich darauf.

Jana Witzke lernt bereits, ihre eigene Handschrift zu entwickeln.

Heute jedoch lernten Grundschülerinnen und -schüler zunächst Druckbuchstaben kennen. „Sie lernen im ersten Schuljahr, wie sie diese schreiben. Im Zweiten kommt dann die verbundene Ausgangsschrift hinzu. Die Kinder lernen quasi eine zweite Schrift – das kostet sehr viel Zeit“, sagt Fruhen-Witzke. Sie engagiert sich im Grundschulverband, der sich dafür einsetzt, die Grundschrift populärer zu machen und Kindern das Schreiben lernen zu erleichtern.

Seit 2011 werde dieses Konzept erprobt – mit positiven Ergebnissen, wie Fruhen-Witzke betont. „Schreiben zu lernen ist schwieriger für Kinder, wenn zu den Druckbuchstaben noch die Ausgangsschrift hinzu kommt. Erwachsene verwenden später ohnehin eine Mischung aus beidem, ohne sich Gedanken darüber zu machen.“

Erkennbare Buchstaben und flüssig lesbare Schrift

Der Grund liege darin, dass sich nicht alle Buchstaben in der verbundenen Ausgangsschrift miteinander verbinden ließen. Ein „e“ passe zu einem „l“ oder einem „r“, nicht aber zu einem „a“ – probieren Sie es mal aus. „Das liegt daran, dass unsere Schrift von links nach rechts und von oben nach unten verläuft. Es ist schwierig, Buchstaben zu verbinden, die oben beginnen“, erklärt Fruhen-Witzke.

Deswegen: Druckbuchstaben. „Der Fokus liegt auf den Buchstaben, die sich leichter verbinden lassen. Der Rest sind Druckbuchstaben. Die Pausen, in denen man den Stift kurz anhebt, entspannen die Hand und ermöglichen es, schneller zu schreiben.“ Dennoch werde darauf geachtet, dass die Buchstaben erkennbar und die Schrift flüssig und lesbar sei.

Die 42-Jährige stelle das Konzept in anderen Schulen regelmäßig in Workshops und Seminaren vor. „Häufig kommen Anfragen auch erst dann, wenn es bereits eingeführt wurde und Fragen entstanden sind. Selbst Kollegen, die von der alten Herangehensweise sehr überzeugt waren, sehen ein, dass die Grundschrift sinnvoller ist.“

Die Kinder sollen eine eigene Handschrift entwickeln – und nicht alle die gleiche
Katharina Sadeghian, Schulleiterin

Die Hans Alfred Keller-Schule in Deichhaus und Zange hat das Konzept vor fünf Jahren etabliert. „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht. Die Kinder entwickeln ein Gespür für die eigene Schrift und lernen, Wörter statt Buchstaben zu bilden“, sagt Schulleiterin Katharina Sadeghian. „Wir haben gemerkt, dass die Kinder viel Zeit brauchen, um Druckbuchstaben zu lernen. Ihre individuelle Handschrift entwickeln sie eh erst ab der 5. Klasse.“

Die Motorik entwickele sich individuell, und so auch die Handschrift. „Die Kinder sollen eine eigene Handschrift entwickeln – und nicht alle die gleiche“, sagt Sadeghian. Auch die Eltern befürworteten dies. „Wenn ein Kind unbedingt die Ausgangsschrift lernen möchte, darf es das auch. Für die Kinder aber hat die Grundschrift einen Mehrwert, um ihre eigene Schrift zu entwickeln“, betont die Schulleiterin.

Anna Fruhen-Witzke, die bald ein drittes schulpflichtiges Kind hat, hofft auf Veränderungen im Bildungssystem. „In der Schweiz wurde die Grundschrift schon vor vielen Jahren eingeführt. Das deutsche Schulsystem wurde 1919 zur preußischen Herrschaftszeit etabliert – und trägt deswegen noch viele typische Züge, die Raum zum individuellen Lernen vermissen lassen.“