AntisemitismusSabine Leutheusser-Schnarrenberger zeigt in Siegburg klare Kante
Siegburg – Eigentlich war es das Ziel von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sich nach einer Legislaturperiode überflüssig zu machen, als sie 2018 die erste Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen wurde. Doch daraus wurde und wird wohl auch so schnell nichts: Als sie jetzt auf Einladung des Fördervereins der Gedenkstätte Juden an der Sieg ins Stadtmuseum kam, machte sie deutlich, wie virulent das Problem nach wie vor ist.
Die Suche nach einem Sündenbock, die Verbreitung von Verschwörungstheorien, etwa über engblich gesteuerte Finanzströme, solche Erzählungen dienten immer noch dazu, „Stimmung gegen Juden zu machen“. Wenn sich dann noch Coronaleugner und Impfgegner einen gelben Stern anhefteten und erklärten, sie seien in einer Situation wie die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus, dann überschatte das jede Form von Meinungsfreiheit.
Die ehemalige Bundesjustizministerin (FDP, 1992 bis 1996 und 2009 bis 2013) ging aber auch auf Fortschritte ein. So sei zu der Zeit ihres Jurastudiums ab 1970 Antisemitismus überhaupt noch kein Thema für Landes- oder Bundesbehörden gewesen.
Heute aber gebe es in einigen Landesstaatsanwaltschaften Antisemitismusbeauftragte und Meldestellen für Delikte, und auch bei der Ausbildung von Juristen und Polizisten spiele Antisemitismus eine Rolle. Gegenüber dem Jahr 2020 sei in NRW die Zahl der entsprechenden Straftaten um 50 Prozent gestiegen. „Das ist ein Gradmesser für das, was in der Gesellschaft passiert.“
Aus jüdischer Sicht würden Delikte aus einem muslimischen Umfeld als besonders bedrohlich wahrgenommen. Wenn etwa vor einer Synagoge demonstriert werde, habe sie dafür kein Verständnis: Wer israelische Politik kritisiere, müsse doch eigentlich vor die Botschaft ziehen. „Der Nahostkonflikt ist ungelöst“, stellte sie fest. „Das Thema zieht einfach immer wieder.“
Lokaler Bezug ist wichtig
Ausdrücklich lobte sie die Gedenkstätte Landjuden an der Sieg in Windeck-Rosbach, auch mit Blick auf Thematisierung in den Schulen. „Wenn Schüler noch nie von Auschwitz gehört haben, weiß man, was zu tun ist.“ Der lokale Bezug sei besonders wichtig.
Darauf ging auch Elisabeth Winkelmeier-Becker, die Vorsitzende des Fördervereins der Gedenkstätte, in ihrer Begrüßung ein. Die Verortung sei wichtig, um den Holocaust „konkret“ zu machen, denn der habe sich keineswegs nur weit entfernt ereignet. Vizelandrätin Notburga Kunert mahnte, sich zu den jüdischen Bürgern zu bekennen. Sonst spreche das gegen die Demokratie.
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Die stellvertretende Bürgermeisterin von Siegburg, Susanne Hasse-Mühlbauer, betonte, in der Kreisstadt sei es nicht gelungen, die Spuren der Erinnerung an das jüdische Leben auszulöschen. Sie verwies auf den jüdischen Friedhof, den Brunnen, der an die 1938 zerstörte Synagoge erinnert, die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig und eine Abteilung im Stadtmuseum. „Es ist wichtig, dass dieser Teil der Geschichte lebendig bleibt.“