ProzessVier Jahre Jugendhaft nach brutalen Raubtaten
„Ich hatte bislang selten mit einem Menschen mit einer so ungünstigen Kriminalprognose zu tun.“ Beim Verfahren vor dem Siegburger Jugendschöffengericht zeigte sich auch der psychiatrische Gutachter erkennbar negativ beeindruckt von der kriminellen Laufbahn des 20-Jahre alten Angeklagten und von dessen wenig erfreulichen Zukunftsperspektiven.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 76 Prozent dürfte der junge Siegburger innerhalb von fünf Jahren wieder rückfällig werden, im Zeitraum von zwölf Jahren sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 87 Prozent, so hatte der Sachverständige anhand der kriminellen Vorgeschichte des Angeklagten errechnet.
Der einschlägig vorbestrafte 20 Jahre alte Siegburger musste sich unter anderem wegen schweren Raubes, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Computerbetrugs und Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor dem Jugendschöffengericht unter dem Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Ulrich Feyerabend verantworten. In ihrer Anklage hatte Oberstaatsanwältin Petra Krämer ihm vorgeworfen, im März und April dieses Jahres nach dem nahezu identischen Muster versucht zu haben, zwei junge Männer aus seinem weiteren Bekanntenkreis zu berauben.
Räuber lockte seine Opfer in ein Siegburger Waldstück
In beiden Fällen hatte sich der Angeklagte mit seinen 19 Jahre alten Opfern zum gemeinsamen „Chillen“ in Siegburg verabredet, in beiden Fällen lockte er die jungen Männer mit dem Hinweis, er wolle ihnen etwas Wichtiges zeigen, in ein Waldstück. Dort zwang er sie mit verbalen Drohungen und körperlicher Gewalt, ihnen ihre Geldbörsen und ihre Handys auszuhändigen. Ziel des Angeklagtem: Er wollte mittels der Bankkarten und der Banking-Apps seiner Opfer an deren Geld kommen.
Bei der ersten Tat am 3. März ging er dabei übrigens nur drei Tage, nachdem ihn das Jugendschöffengericht wegen verschiedener Delikte zu einer eineinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt hatte, besonders brutal vor: Während beide durch den Wald liefen, schlug er sein ahnungsloses Opfer unvermittelt mit der Faust ins Gesicht und zu Boden. Dann traktierte er ihn nach Angaben des Opfers rund 50-mal mit einem armdicken Ast. Der 19-Jährige erlitt dabei eine Platzwunde an der Schläfe und unzählige Blutergüsse am gesamten Körper, wie Fotos der Polizei eindrucksvoll zeigten.
Zudem soll er sein Opfer nach dessen Schilderung mit einem Messer und dem Hinweis, sein Markenzeichen sei, dass er bei solchen Taten immer zweimal zusteche, bedroht haben. Diese Drohung zeigte Wirkung: Das Opfer händigte seine Bankkarte und die dazugehörige PIN aus. Anschließend fuhren beide zu einer Sparkassenfiliale, wo der 20-Jährige das Konto seines Opfers plündern wollte. Das scheiterte aber, weil das Konto leer war.
Ein Opfer suchte Hilfe in einer Siegburger Tankstelle
Weniger brutal ging es bei der Tat am 10. April zu. Da reichten allein verbale Drohungen, um sein ebenfalls 19 Jahre altes Opfer dazu zu bewegen, sein Handy zu entsperren und seine beiden Banking-Apps zu öffnen. Der Versuch des Täters, einen vierstelligen Betrag von den Konten seines Opfers zu überweisen, scheiterte aber. In einem Fall, weil eine Überweisung nur auf ein Referenzkonto des Opfers möglich war, im anderen, weil der 19-Jährige behauptete, keinen Zugang zum Konto zu bekommen.
Der Täter zwang ihn deshalb, mit ihm zu einer Bankfiliale zu fahren, um mittels der Bankkarte des Opfers doch noch an Geld zu kommen. Dieser Versuch scheiterte, weil das 19-jährige Opfer ihn davon überzeugen konnte, auf dem Weg zur Bank noch zu einer Siegburger Tankstelle zu fahren, um seinen Wagen aufzutanken. Dort wandte er sich Hilfe suchend an einen Mitarbeiter, zufällig ein Soldat und Kampfsportler, der die Polizei rief und dem Opfer Unterschlupf in einem Büro bot.
Vor dem Jugendschöffengericht war der Angeklagte weitgehend geständig. Er räumte die Taten ein, bestritt aber, beim ersten Überfall ein Messer benutzt zu haben. Sein Verteidiger Benno Grunwald deutete an, dass es zu beiden Taten eine Vorgeschichte gebe. Gegen beide Opfer habe sein Mandant Forderungen gehabt, die sich auf rechtsstaatlichen Wege nicht einklagen ließen. Diese Behauptung, die nahelegen sollte, dass Täter und Opfer offenbar illegale Geschäfte miteinander betrieben hatten, konnte in der Beweisaufnahme allerdings nicht bestätigt werden.
In ihrem Plädoyer beantragte Oberstaatsanwältin Krämer unter Einbeziehung der noch laufenden eineinhalbjährigen Strafe eine viereinhalbjährige Einheitsjugendstrafe, Verteidiger Grunwald unter Hinweis auf das Geständnis seines Mandanten eine dreijährige Haftstrafe. Nach Auffassung des Gerichts ist eine Einheitsjugendstrafe von vier Jahren tat- und schuldangemessen. Sie ermögliche es dem Angeklagten, in der Haft seine jüngst begonnene Ausbildung abzuschließen und eine Sozialtherapie zu absolvieren, erläuterte der Vorsitzende Richter. Nur so habe er zumindest theoretisch die Chance auf ein straffreies Leben.