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ProzessStalker versetzt Siegburgerin in Todesangst – Sie hatte ihm aus Mitleid geholfen

Lesezeit 3 Minuten
Amtsgericht Siegburg

Vor dem Amtsgericht Siegburg musste sich ein 39-Jähriger wegen Nachstellung verantworten.

Die Siegburgerin verhalf einem Mann zu Job und Wohnung, er verliebte sich und stellte ihr nach. Vor Gericht ging es auch um die schlimmen Folgen.

Sie hat ihren Job gekündigt und ist weggezogen aus Siegburg. Ihre Angst war so groß, dass sie noch nicht einmal an der Beerdigung ihrer besten Freundin teilnahm. In den Gerichtssaal wurde die 39-Jährige von einer bewaffneten Justizwachtmeisterin begleitet. Auf der Anklagebank saß der Mann, der ihr fast ein Jahr nachgestellt hat, der sie terrorisiert, beleidigt und mit dem Tod bedroht hat.

Mitleid mit dem Obdachlosen

Sie schaute ihn nicht an, er blickte zu Boden. Arbeitskollegen waren sie einst, sie hatte dem 44-Jährigen eine Wohnung und einen Job verschafft. Aus Mitleid, er hatte kein Obdach. Sich für andere einzusetzen, das war ein Teil ihres Lebens, elf Jahre war sie bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wie ihre beste Freundin. Diese und ein weiterer Feuerwehrmann starben bei einem Einsatz in Sankt Augustin. „Ich konnte mich noch nicht einmal von meinen Kameraden verabschieden“, schilderte die Zeugin.

Mit ihrer Schwester, die kürzlich Mutter wurde, durch Siegburg zu schlendern, undenkbar. Ebenso wie die Großeltern in ihrer Heimatstadt zu besuchen. „Mir geht es beschissen“, sagte die Geschädigte, um Fassung bemüht, im Zeugenstand auf die Frage von Richterin Sabiye Ataer. Sie warte auf einen Therapieplatz.

132 Seiten dick ist das Stalker-Tagebuch der Siegburgerin

132 Seiten dick ist das Stalker-Tagebuch, in dem sie jeden Anruf, jede Textnachricht, jede Begegnung mit dem Mann aufgelistet hat. Non-stop habe er sie verfolgt von Juni 2022 bis Juni 2023. Sein Motiv: Er hatte sich verliebt, sie erwiderte seine Gefühle nicht. „Ich war wütend“, sagte der Angeklagte im Prozess. Alle Versuche, ihn zu stoppen, waren vergebens.

Sie schrieb ihm deutlich, dass sie nichts mit ihm privat zu tun haben wolle. Sie drohte ihm, die Polizei zu benachrichtigen, wenn er sie nicht in Ruhe lasse. Sie zeigte ihn an. Sie erwirkte ein Annäherungsverbot, die Polizei suchte ihn dreimal zur Gefährderansprache auf.

Auch nach ihrem Wegzug aus Siegburg machte der Stalker sie ausfindig

Der Angeklagte versuchte zunächst, sich zu rechtfertigen, ihr die Schuld zuzuschieben. Er habe sie erst bedroht, als sie ihm mit der Polizei gedroht habe. Er habe gelernt, die Dinge ohne Polizei zu regeln, sagte der vielfach vorbestrafte Arbeiter. Die Staatsanwältin und die Richterin erklärten ihm, dass sein Opfer genau richtig handelte.

Auch dass die 39-Jährige nicht mehr mit ihm sprechen wollte, sei ihr gutes Recht. Und überaus verständlich. Seine Entschuldigungsversuche, er schenkte ihr ein Eishockeytrikot und eine Sternentaufe, gerieten kläglich, kurz darauf forderte er seine Geschenke zurück und drohte: „Ich steche dich ab.“ Zudem schickte er ihr ein Foto ihres neuen Wohnortes, den sie vor ihm geheim halten wollte. Dort werde sie nicht sicher sein.

Der Angeklagte war nur teilgeständig, wollte sie nie mit dem Tod bedroht haben. Das Gericht schenkte der Angeklagten und ihrer Lebensgefährtin Glauben. Nach ihren Aussagen verließen die Zeuginnen vor der Urteilsverkündung den Saal. Der 44-Jährige, der bislang nur Geldstrafen kassierte, wurde zu acht Monaten Haft verurteilt, bleibt allerdings in Freiheit, da er in Lohn und Brot steht und seit mehr als einem Jahr Ruhe ist.

„Die Bewährung kann widerrrufen werden“, sagte Richterin Ataer, falls er gegen das neue Kontaktverbot verstößt. Damit sich die Strafe nicht wie ein Freispruch anfühlt, muss er 1000 Euro Geldbuße zahlen.