Prozess eingestelltGutachten widerlegt Troisdorfer Raser-Anklage
Troisdorf/Siegburg – Mit Martinshorn und Blaulicht war ein Notarztwagen unterwegs auf dem Willy-Brandt-Ring, als sich der Zusammenstoß ereignete. Hätte der Fahrer des Unfall-Pkw rechts heranfahren müssen, oder war der Crash mit zwei Verletzten und einem Blechschaden von mehreren Zehntausend Euro eine Verkettung unglücklicher Umstände? Darum ging es gestern, eineinhalb Jahre später, in einem aufwendigen Prozess vor dem Amtsgericht.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft war der heute 79 Jahre alte Unfallfahrer von Troisdorf in Richtung Sieglar viel zu schnell gewesen (mit Tempo 96), er soll rücksichtlos andere überholt und auf einer Sperrfläche in Höhe der Einmündung Saarstraße das entgegenkommende Einsatzfahrzeug vorn links gerammt haben.
Angeklagter hat andere Version
Das wies der Angeklagte empört zurück. Er habe es an dem Morgen des 23. März vergangenen Jahres nicht eilig gehabt, habe niemanden überholt und den Notarztwagen wegen der Kurve nicht gesehen.
Der Feuerwehrbeamte am Steuer und der Notarzt im Praktikum, der im Fond saß, erlitten Prellungen und ein Schleudertrauma. Die Notärztin auf dem Beifahrersitz blieb unverletzt, ebenso der Angeklagte, der indes einen Schock erlitt.
Letztendlich gab der Gutachter den Ausschlag
Wo genau die Autos auf der Fahrbahn zusammenprallten, blieb auch nach den Aussagen der fünf Augenzeugen unklar. Lediglich der Mediziner, der auf der Rückbank gesessen hatte, schilderte, der Pkw sei dem Notarztwagen auf der schraffierten Fläche entgegengekommen.
Letztendlich gab der Gutachter den Ausschlag. Der Senior war nach seinen Berechnungen höchstens 40 Kilometer pro Stunde gefahren. Dass sein Tacho bei Tempo 96 „eingefroren“ war, müsse eine andere Ursache gehabt haben.
Unfall per Computeranimation nachgestellt
Ob er über die Sperrfläche gerollt sei, sei aufgrund der Spurenlage nicht mit Sicherheit festzustellen. „Der Unfall könnte auch noch auf seiner Fahrspur passiert sein.“ Der 47 Jahre alte Kfz-Sachverständige aus Bonn hatte versucht, das Geschehen mittels Computeranimation nachzustellen.
Der Film auf seinem Laptop zeigte den Hergang sowohl aus der Perspektive des Angeklagten als auch aus Sicht des Feuerwehrbeamten am Steuer des Notarztfahrzeugs, der in der Kurve leicht ausscherte, um einen haltenden Lkw zu überholen. Durch die Kurve habe keiner der Fahrer den anderen Wagen kommen sehen, „der Unfall war für beide unvermeidbar“.
Alle Kosten sowie das Honorar des Strafverteidigers trägt die Landeskasse
Der Angeklagte hatte zwar ein Martinshorn gehört, es aber falsch lokalisiert. Er habe im Rückspiegel weit entfernt einen Rettungswagen gesehen, „da bin ich weitergefahren“, genauso wie die Autofahrer vor ihm.
Das Amtsgericht stellte das Verfahren ein, alle Kosten sowie das Honorar des Strafverteidigers trägt die Landeskasse. Der Rechtsanwalt kritisierte die mangelhafte Anklage: „Ich habe mehrere Beweisanträge gestellt und ein unfallanalytisches Gutachten gefordert, aber nie etwas gehört.
Hätte das anfangs schon vorgelegen, hätte man sich den Prozess sparen können.“ Sein Mandant habe, ohne schuldhaft gehandelt zu haben, eineinhalb Jahre lang auf seinen Führerschein verzichten müssen. Diesen, verfügte das Gericht, bekommt er nun wieder.