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„Klotz ohne Zukunft“Warum drei Siegburger dem Kaufhof-Gebäude keine Zukunft geben

Lesezeit 4 Minuten
Drei Männer vor einem Warenhaus.

Joachim Kliesen (v.l.), Christoph Machens und Johannes Neuenhöfer sehen sich durch die neue Machbarkeitsstudie in ihren Plänen für einen Abriss des Kaufhof-Gebäudes bestätigt.

Der aktuellen Machbarkeitsstudie zufolge lassen sich ein Umbau oder ein Neubau nur schwer realisieren.

Vor einem Jahr hatten Joachim Kliesen, Christoph Machens und Johannes Neuenhöfer den Abriss des Kaufhof-Gebäudes und eine Neuplanung auf dem Areal gefordert, jetzt sehen sie sich in ihren Vorstellungen bestätigt: „Spätestens nach der nun vorgelegten Machbarkeitsstudie von Drees und Sommer steht auch für den letzten Beobachter fest, dass der wuchtige Betonklotz des früheren Kaufhofgebäudes so nicht weiter sinnvoll und wirtschaftlich genutzt werden kann“, schreiben die drei in einer gemeinsamen Erklärung.

Während der Umbau mit Kosten von 33 Millionen Euro beziffert werde, seien es für einen Neubau gar 39 Millionen Euro. „Das Kaufhof-Gebäude ist gemessen an heutigen und zukünftigen Anforderungen ein überkommenes Relikt aus einer anderen Zeit, das den modernen Anforderungen an eine lebendige und funktionierende Innenstadt nicht mehr gerecht wird.“

Siegburger Wirtschaftsförderung soll sich nicht auf Eigentümervertreter verlassen

Seit einem Jahr habe sich die Wirtschaftsförderung der Stadt auf den Vermarkter RME und den Eigentümervertreter Lapithus verlassen, um eine Weiternutzung zu erreichen und dabei keine Ergebnisse erzielt. Verwunderlich sei das nicht, beide Dienstleister seien einerseits provisionsorientiert, andererseits „nicht die wirklichen Player in diesem Spiel“. Der eigentliche Eigentümer, ein Fonds des Apollo Global Management, sei mit einer Wertanlage von rund 550 Milliarden US-Dollar einer der größten Vermögensverwalter der Welt.

Skizze für ein neues Viertel in einer Stadt

Der Kaufhof soll ach den Vorstellungen von Kliesen, Machens und Neuenhöfer einem neuen Viertel weichen.

Stadtverwaltung und Bürgermeister müssten jetzt von „Chef zu Chef“ mit dem Apollo-Fonds in New York sprechen und „für ein visionäres Konzept zur zukunftsfähigen Nutzung eines Filetgrundstücks von der Größe eines Fußballfeldes“ werben. In der Mitte Siegburgs könne eine neue, moderne, zukunftsfähige urbane Mitte Siegburgs entstehen, „die einerseits den Bedürfnissen der Bürger, andererseits aber auch den wirtschaftlichen Interessen des Apollo-Fonds gerecht wird“.

Dem Eigentümer könne man die Entscheidung nicht alleine überlassen. „Es ist an der Zeit, dass die relevanten Akteure, Stadt und Eigentümer, gemeinsam eine nachhaltige Lösung erarbeiten, die Siegburg wieder einmal langfristig stärkt.“ Eine einmalige Chance dürfe nicht verspielt werden.

Neue Frankfurter Altstadt als Vorbild für Siegburg

Kliesen, Inhaber einer Werbeagentur, Machens, Rechtsanwalt und bis vor einigen Jahren Vorsitzender des Siegburger Verkehrsvereins, und der bekannte Konditormeister Neuenhöfer hatten im Dezember 2023 ihre Vision für ein Village 2030 vorgestellt, das auch das C&A Grundstück umfasst. Eine kleinteilige Bebauung lehnt sich dabei an Bauformen mittelalterlicher Häuser an. Geschaffen werden sollen kleinere Ladenlokale und Wohnungen, ähnlich der neuen Frankfurter Altstadt zwischen Römer und Dom, wo der Abriss des Technischen Rathauses neue Möglichkeiten eröffnete.

35 Häuser, davon 15 originalgetreue Rekonstruktionen und 20 Neubauten, entstanden für das neue Viertel. Die Realisierung ist in der Architekturszene umstritten, wurde aber von den Frankfurterinnen und Frankfurter gut angenommen.

Machens betont, dass es bei dem Entwurf für Siegburg nicht unbedingt um den Baustil, vielmehr um die Kleinteiligkeit der Bebauung gehe. In der Siegburger Kommunalpolitik zeichnet sich allerdings für Abriss und Neubau keine Mehrheit ab.


Bürgermeister Stefan Rosemann mahnt, die Nerven zu behalten

„An Apollo kommen wir nicht dran“, sagte unterdessen Bürgermeister Stefan Rosemann bei einem Bürgerdialog zum Thema Kaufhof, zu dem seine Partei, die Siegburger SPD, eingeladen hatte. Es habe sich gezeigt, dass der Verwalter der Immobilie Lapithus den Kaufpreis zurückbekommen wolle, den René Benko damals kassierte, und dazu solle die Stadt mit einsteigen. Ein konkreter Preis sei noch nicht genannt worden.

Dafür Steuergeld einzusetzen, lehnt Rosemann ab, vor allem angesichts teurer Projekte wie der Sanierung von Rathaus und Schulzentrum Neunhof mit Kosten von insgesamt mehr als 130 Millionen Euro. Er gehe aber davon aus, dass der Druck auf Apollo wachsen werde, wenn die teure Immobilie keine Erlöse bringe. Der Kaufpreis werde dann sinken. „Wir dürfen nicht die ersten sein, die nervös werden an dieser Stelle.“ Für die Stadtverwaltung gebe es keine Raumnot, um etwa eine Bibliothek oder andere öffentliche Institutionen im Kaufhof anzusiedeln, auch das ein Argument aus Sicht des Bürgermeisters.

Ein Mann vor einer Leinwand, im Vordergrund Zuhörer

Bürgerdialog der Siegburger SPD zum Thema Kaufhof mit Referent Andreas Erb im Stadtmuseum

Im Stadtmuseum hatte Andreas Erb, Kulturwissenschaftler, Journalist und Buchautor, verschieden Möglichkeiten vorgestellt, die alten Kaufhäuser umzunutzen. Besonders ausführlich ging er auf das Beispiel Kaiserslautern ein, wo in einer 2010 geschlossenen Karstadt-Filiale 2015 eine Shopping-Mall eröffnet wurde. Just von der Firma ECE, die etwa zu der gleichen Zeit eine Mall in Siegburg bauen wollte, aber an einem Bürgerentscheid scheiterte.

Reibungslos ging das auch in der pfälzischen Stadt nicht ab: Das Vorhaben stieß auf Gegenwind einer Bürgerinitiative, ein Bürgerbegehren und schließlich ein Normenkontrollverfahren. Die Mall funktioniert Erb zufolge bis heute, wegen Leerständen wurde allerdings unlängst eine Stadtgalerie eröffnet. Das an die Mall gekoppelte Vorhaben, eine neue Stadtmitte zu schaffen, sei allerdings immer noch nicht abgeschlossen. Erb riet dringend, bei solchen Vorhaben die Stadtgesellschaft miteinzubeziehen. Das sei essenziell.

Das hessische Hanau sei einen anderen Weg gegangen, habe den im Februar geschlossenen Kaufhof für 25 Millionen gekauft und 40 Millionen Euro für den Umbau vorgesehen. Vorhergegangen war ein einstimmiger Beschluss im Rat der 100.000-Einwohner-Stadt. Ideen gibt es für eine Markthalle, eine Bildungsetage und Ansiedlungen aus der Gesundheitswirtschaft. Im März kommenden Jahres soll der ‚„Stadthof“ eröffnen. Inwieweit solche Lösungen Vorbildcharakter haben können, ließ Erb offen: „Jede Stadt muss ihren eigenen Weg gehen.“