ForschungsprojektIn Siegburg-Kaldauen wächst der Wald der Zukunft
Siegburg – Das Experimentierfeld mitten im Wald bei Kaldauen ist einmalig in ganz Nordrhein-Westfalen. So groß wie sechs Fußballfelder ist die Fläche, auf der das Zusammenleben von zwei heimischen Baumarten wissenschaftlich untersucht wird. „Wir gehen davon aus, dass wir hier wichtige Erkenntnisse für den Wald der Zukunft im Zeichen des Klimawandels gewinnen können“, berichtet Professor Hans Pretzsch, Leiter des Lehrstuhls für Waldwachstumskunde an der Technischen Universität München.
Weißtannen und Traubeneichen
12.000 Setzlinge der beiden heimischen Baumarten Weißtanne und Traubeneiche wurden im Herbst auf der gut vier Hektar großen Fläche des Wahnbachtalsperrenverbandes (WTV) gepflanzt. 15 Versuchsanordnungen werden im Laufe der nächsten Jahrzehnte wissenschaftlich untersucht. „In einem Cluster überwiegen die Traubeneichen, in einem andern die Weißtannen“, erklärt Pretzsch mit Blick auf die Infotafel am Rande der Fläche.
Dazu kämen weitere Anordnungen. So könne man genau sehen, wie die Bäume miteinander oder auch gegeneinander wüchsen. Das sei das Gute an dem Experimentierfeld. Es komme nicht drauf an, auf kleinem Raum viel Bäume zu pflanzen, sondern wissenschaftlich zu erforschen, wie sich kleinste Veränderungen auf das Wachstum auswirkten.
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„Wenn die langfristigen Ergebnisse in vielleicht 150 Jahren vorliegen, dann werden diese von einer ganz anderen Forschergeneration ausgewertet.“ Finanziert hat das Projekt die Rhenag anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens. „Der Zukunftswald ist eines der großen Projekte, mit dem wir im Jahr unseres Jubiläums unserer Region etwas zurückgeben wollen“, sagte Rhenag-Vorstand Hans-Jürgen Weck.
Fläche kahl nach Borkenkäferinvasion
Dem schloss sich WTV-Geschäftsführerin Ludgera Decking an. „Unserer Fläche hier im Gewässerschutzgebiet musste nach dem Borkenkäferbefall wieder aufgeforstet werden. Weil Erkenntnisse über klimaresistente Wälder auch aus der Perspektive des Gewässerschutzes wichtig sind, ist diese Kooperation ein Gewinn für alle Akteure.“
Pretzsch erläuterte, reine Monokulturen hätten überdies wenig Erholungswert. Menschen, die durch einem Mischwald gingen, fühlten sich wesentlich wohler als Wanderer in einem dunklen Fichtenhain. Das Thema Diversität sei nun auch im Wald angekommen – Vielfalt statt Eintönigkeit.
Typisch für atlantiknahes Klima
Forstfachleute kennen sich auch mit dem Klima aus. Beim Blick in die Vegetation rund um die Versuchsanordnung stellte der Wissenschaftler Enno Uhl fest, dass der Wald in Siegburg typische Zeichen eines atlantiknahen Klimas zeige.
Zu erkennen sei das gerade an den zahlreichen Stechpalmen, auch Ilex genannt. Sie seien ein sicherer Indikator für dieses Klima. Im bayrischen Wald seien sie dagegen „fast gar nicht zu finden“. Dort herrsche ein subkontinentales Klima vor. (vr)
Das bestätigte der Siegburger Bürgermeister Stefan Rosemann. Auf seinen Spaziergängen im Wald sei ihm dies auch schon aufgefallen. Er freue sich, dass im Rhein-Sieg-Kreis ein solch wichtiges Projekt seinen Anfang in Nordrhein-Westfalen nehme.
Forstwissenschaftler Enno Uhl wies auf die Bedeutung solcher Untersuchungen hin. Beim sauren Regen vor Jahren hätte man Lösungen finden können, um den Wald wieder zu stabilisieren. Die heutige Löcher im Wald, die durch Borkenkäfer und späteren Windwurf entstanden seien, könnten so langfristig wieder durch kräftige Bäume ersetzt werden.