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Für Mittelalter- und Fantasy-FansEin Besuch im Siegburger Rheingold-Shop

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Über das Sortiment im Geschäft an der Annostraße wacht ein mächtiger Drachenkopf. Jede Schuppe ist einzeln aus Silikon gefertigt, das Ganze ein unverkäufliches Unikat.

  1. Streitäxte und Schwerter, Liköre und Met - der Rheingold-Shop in Siegburg hat eine Auswahl, die das Herz von Fantasy- und Mittelalter-Fans höher schlägen lässt.
  2. Talena Rheingold betreibt den Shop und hat selbst ein Faible für ihre Waren.
  3. Wir haben ihr mal einen Besuch abgestattet.

Siegburg – Auf dem Drachenfels soll Fafnir in grauer Vorzeit gehaust haben, bis Siegfried kam und dem Lindwurm ein blutiges Ende bereitete. Für Talena Rheingold, die in Siegburg ein Geschäft für die Mittelalter- und Fantasy-Szene betreibt, ist sein Kopf liebgewonnenes Inventar: Groß und grün hängt er an der Wand und gehört, zusammen mit dem gemütlichen alten Sofa und einem Gobelin mit Einhorn-Motiv, zu den ganz wenigen Stücken, die Inhaberin Talena Rheingold niemals verkaufen würde. Jede einzelne Schuppe sei in einer Drachenmanufaktur aus Silikon gefertigt, lange habe sie dafür gespart.

Ansonsten hält sie auf relativ kleinem Raum eine riesige Fülle von fantastischen, praktischen, skurrilen, kleidsamen und trinkbaren Waren bereit. Streitäxte und Schwerter oder eine düstere Orkmaske sind ebenso im Angebot wie Räucherstäbchen, Met, Liköre, Dreispitze, Zylinderhüte, Lederkorsagen und vor allem „Gewandungen“ aller Art, Kleider, Mäntel, Röcke und Hosen. Seit zehn Jahren ist Talena – Besucher des Geschäfts werden ganz selbstverständlich geduzt – an der Annostraße. Den Traum von der Selbstständigkeit erfüllte sie sich bereits vor 14 Jahren mit einem eigenen Marktstand.

Vor 14 Jahren erfüllte sich Talena Rheingold ihren Traum von der Selbstständigkeit. Ihr Geschäft eröffnete sie vor zehn Jahren, zuvor zog sie mit einem Stand von Markt zu Markt.

Zuvor reiste sie mit ihrer eigenen Mittelaltergruppe Laetas Conviva zu vielen Mittelaltermärkten, 30 Mitglieder begeisterten sich für die zeitgemäße Kleidung, Schwertkampf, Handwerk und Lebensart. „Das war eine coole Zeit, und ich war die Lagerchefin.“ Schon als Mädchen hatte ihr der Großvater Bögen aus Holz gebastelt, mit Freunden spielte sie Robin Hood und Marian. Ein Aha-Erlebnis wurde für die junge Bonnerin auch ein Besuch auf dem mittelalterlichen Markt in Siegburg Anfang der 90er Jahre. „Das war der Knaller.“ Bald folgte der erste Besuch auf Burg Satzvey, „sogar schon in Klamotten“.

Lederkorsagen sind ein Klassiker im Rheingold-Angebot.

Auf den Marktstand folgte schließlich der feste Laden in der Kreisstadt. Wie sie früher einmal hieß, als sie noch als Sachbearbeiterin im öffentlichen Dienst arbeitete, verrät sie nicht. Nur, dass sie ihren Namen auch ganz offiziell in Talena Rheingold ändern ließ. „Rheingold passt einfach gut zu Bonn, Drachenfels und Siegburg.“

Berühren verboten: Der Umgang mit Schwertern ist nichts für Ungeübte.

Anders als früher hat sie keinen Online-Shop mehr. Die richtige Gewandung brauche nun einmal Beratung. Sie rät dazu, klein anzufangen, vielleicht mit einer Tunika, Hemd oder Bluse, und das dann auszubauen. Sie nehme sich Zeit, um mit den Kunden erst einmal zu klären, wer er sein wolle und auch in welcher Zeit: Wikingerepoche, Hoch- oder Spätmittelalter kämen da beispielsweise in Frage.

Was im Laden fehlt, kann bestellt werden, dazu arbeitet sie mit einem Schmied und einer Schneiderin ebenso zusammen wie mit einem „Sarwürker“, dem Fachmann für Kettenhemden. Ihr einziger Verkaufsangestellter Raziel ist ausgewiesener Fachmann für Schwertkampf und unterrichtet sogar darin.

Schutzmasken gibt es derzeit auch für Freunde von Piraten-, Vampir- und Steampunk-Outfits.

Bierernst nehme sie die historische Vorgaben nicht, daher sei Rheingold auch ein Geschäft für Mittelalter und Fantasy. Die ganz harten Mittelalterfans stellten ihre Habseligkeiten ohnehin selbst her. Von handgenähter Kleidung und pflanzengegerbter Lederkleidung könne man als Geschäft aber kaum überleben. In Talenas Sortiment finden sich tatsächlich auch Plüschdrachen und Accessoires für ein Piratenkostüm – allerdings in gehobener Qualität und nicht als Billig-Massenware für eine Karnevalssession. Stolz erzählt sie von Kunden, die 300 bis 400 Kilometer Anreise in Kauf nehmen, auf Neuigkeiten macht sie bei Facebook aufmerksam.

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Wichtig sind auch die vielen Märkte der Szene, die aber in diesem Jahr weitgehend der Corona-Pandemie zum Opfer fielen. Umso mehr genoss sie den Sommermarkt auf Burg Satzvey, der jetzt unter Auflagen stattfinden konnte. „Es tat gut, endlich mal wieder auf eine Veranstaltung gehen zu können.“ Auch im Rheingold führte der Lockdown zu einer schwierigen Durststrecke mit vier Wochen Zwangspause. „Irgendetwas muss ich tun, ich kann nicht einen Monat lang Däumchen drehen“, so Talena. Sie habe gekämpft, einen Mail-Liefer-Service angeboten, ihre Waren selbst ausgefahren und viel genäht – auch waschbare Schutzmasken. Unter anderem wählte sie dazu einen blauen Stoff mit weißen Zahnrädern, der gut zu einigen Accessoires für die Steampunk-Szene im Rheingold-Sortiment passt. Ganz so abwegig ist das nicht, liegt doch Talena eines besonders am Herzen: „Ich liebe es, die Leute zu verwandeln.“