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Das Geheimnis ist die MöhreHangelarer stellt einen von Deutschlands besten Gins her

Lesezeit 3 Minuten
Gin Windeck 2

Ralph Gemmel ist der Urheber hinter dem preisgekrönten Murre-Gin.

  1. Ralph und Bärbel Gemmel stellen den beliebten Murre-Gin her.
  2. Mit ihrer Eigenkreation räumen sie deutschlandweit Preise ab.
  3. Tochter Ida hat den Tipp für die entscheidende Zutat gegeben – natürlich ohne zu probieren.

Sankt Augustin/Windeck – Mit einem Lückenfüller zum Erfolg: Weil Ralph Gemmel die Wartezeit auf seinen selbst kreierten Whiskey zu lang wurde, experimentierte er einfach mal mit klarem Schnaps, Gewürzen – und Möhren. Das Produkt seiner Ungeduld war nicht nur rasch in vieler Munde, der Murre-Gin aus Hangelar holte jetzt bei der Frankfurt International Trophy sogar eine der Gold-Medaillen.

Für die beiden Jury-Runden zählte allein der Geschmack, um die Spirituose in die Läden und die Einkaufskörbe der Kunden zu bringen, „braucht man auch eine Geschichte“, erzählt der 47-Jährige. Seine ist eng mit der Region, mit der Heimat, mit dem Sankt Augustiner Ortsteil Hangelar verbunden. Dort wurden auf den sandigen Boden rund um den Flugplatz einst Möhren angebaut, noch heute verteilen Narren beim Karnevalszug, den Ralph Gemmel mitorganisiert, das gesunde Gemüse.

Da lag es nahe, die Karotte als zweitwichtigstes „Botanical“ für das In-Getränk zu wählen, Hauptbestandteil muss der Wacholder sein, so ist es weltweit festgelegt. Die Nische war gefunden: In Deutschland gebe es kein vergleichbares Destillat, so der Geschäftsführer der „Wacholdas?! GmbH“. Ehefrau Bärbel Gemmel entwarf das Logo, den orangefarbenen Hasen, und gemeinsam tüftelten sie an flotten Sprüchen, wie „Orange ist das neue Pink“, „Endlich mal eine ginvolle Idee“ oder „Am Ende ergibt alles einen Gin“.

Zehnjährige gibt wichtigen Tipp für Gin-Kreation

Der Herstellungsvorgang ist recht simpel: Im klaren Schnaps, für den Murre-Gin ist das Weizenbrand, lässt man pflanzliche Zutaten etwa 24 Stunden ziehen, dann wird destilliert. Entscheidend sei neben der Brenntemperatur vor allem der Gewürzmix. Gemmel verließ sich aber nicht nur auf seinen feinen Gaumen, sondern lud auch Freunde immer wieder zum Probieren ein – allerdings konnte er nur den selbst gemachten Aufgesetzten kredenzen.

Gin Windeck 1

Goldener Genuss: Die ungewöhnliche Farbe zeichnet den Murre-Gin aus.

Den letzten Schliff hat der Hangelarer Hochprozentige einer Zehnjährigen zu verdanken. Tochter Ida hatte den Papa im vergangenen Sommer zur Windecker Dorfbrennerei begleitet, dort kosteten Ralph Gemmel und Brenner Frank Ginsburg nochmal die Mischung und stellten übereinstimmend fest: „Irgendwas stört.“ Das Mädchen schnupperte nur kurz und beschied: „Die Zitrone.“

So sorgen jetzt nur die Orangenzesten fürs Zitrusaroma, dazu kommen Minze und Zimt – insgesamt sieben Botanicals, „mehr kann man ohnehin nicht schmecken“, erläutert Gemmel. Die Spirituose sticht durch die Farbe Orange heraus – allerdings nicht von Natur aus, trotz Möhre und Apfelsine, sondern durch Lebensmittelfarbe. #

Die ersten 1000 Flaschen waren schnell im Direktverkauf weg, etliche Händler von Rostock bis München und Freiburg – und natürlich in Hangelar und Bonn – führen den Murre-Gin, mit einer großen Supermarktkette steht Gemmel in Verhandlung.

Arbeitsstunden reduziert, Fokus auf Gin-Produktion

Die Marke mit dem Hasen hat seiner Selbstständigkeit auf die Sprünge geholfen: Der gelernte Bürokaufmann, der auch in IT, Vertrieb und Marketing arbeitete, hatte schon vor einigen Jahren zunehmend seine Arbeitsstunden reduziert, als es mit den Whiskey-Tastings immer besser lief. Dann kamen die Ginproben dazu.

Ehefrau Bärbel, als Fotografin und Grafikerin ebenfalls selbstständig, gab schließlich den Anstoß zum eigenen Produkt, was in der eigenen, kleinen Firma mündete. Um das Risiko für die vierköpfige Familie zu minimieren, ist Ralph Gemmel angestellter Geschäftsführer.

Der Murre-Gin stellt sich nach der Frankfurter Trophy weiteren Spirituosen-Wettbewerben im Inland, in London und sogar in Singapur, wo die Konkurrenz allerdings groß und renommiert ist: „Da wollen wir uns einfach mal zeigen.“ Der Mann mit dem Hipster-Bart und dem ausgeleierten Häschen-Shirt denkt schon weiter: „Asien ist ein riesiger Markt.“ Und sein Whiskey? „Der braucht drei Jahre im Fass.“