Dem Führungsduo der Firma Hielscher ist wichtig, dass die traditionellen Rezepte des Großvaters beibehalten werden. Es gibt aber auch Neuerungen.
Auch ohne FleischVegetarier und Metzger führen Sankt Augustiner Metzgerei in dritter Generation
Kommt ein Vegetarier in die Wurstküche ... Was sich wie ein Witz anhört, fand Rudolf Hielscher gar nicht lustig. Der Metzgerei-Gründer nahm seinen Großneffen, der sich seit 2014 fleischlos ernährt, ins Kreuzverhör. Doch die Sorge, dass der junge Betriebswirt das Familienunternehmen umkrempelt, erwies sich als unberechtigt. Sebastian Hielscher führt den Traditionsbetrieb mit Leib und Seele – und dafür braucht er keine Kostproben.
Das übernimmt der zweite Kopf der Geschäftsführung, Benjamin Hielscher, gelernter Koch und Metzgermeister. Er habe sich gefreut, dass sein fünf Jahre jüngerer Cousin Sebastian 2018 mit seiner Expertise einstieg, sagt der 40-Jährige. Sie waren sich einig: „Ganz oben stehen die Tradition und die Kontinuität des Geschmacks, wir arbeiten noch mit den Rezepten des Großvaters.“ Wie bei der Gründung vor 68 Jahren.
Wild steht hoch im Kurs
Nicht auszudenken, wenn sie den Fleischsalat, zum Beispiel, verändern würden, den die Kunden seit Kindertagen kennen. Neuerungen beträfen eher die Zusatzstoffe, wie Gluten, auf das viele Menschen allergisch reagierten. Sie hatten nach langer Suche glutenfreie Gewürze für Kochschinken und Fleischwurst gefunden. Wild stehe hoch im Kurs, „der Inbegriff von Bio“, und sogar ein Grillkäse liegt nun in der Theke – selbst gemacht, wie alles im Sortiment. Die Rezeptur sei verfeinert worden durch einen größeren Anteil des pikanten Bergkäses.
Das mögen nicht nur Vegetarier. Sebastian Hielscher hat keine Berührungsängste: Als Jugendlicher half er in der Fertigung beim Verpacken mit, konnte sich so den ersehnten Computer leisten. Damals biss er indes noch gern in Burger und Döner, was seinem Vater nicht recht schmeckte: Der Junge solle doch wissen, woher das Fleisch stammt und wie es verarbeitet wird, um es wertzuschätzen. Das holte der Betriebswirt nach. Als er die Tätigkeit als Unternehmensberater aufgab, keulte er erstmal als Praktikant, bevor er sein Büro in Niederpleis bezog.
Fleisch sei kein Alltagslebensmittel
Er wollte von der Pike auf alles kennenlernen, schreckte sogar vor dem „Schweineköpfe putzen“ nicht zurück, wie Leute vom Fach das Auslösen nennen. Zu vermitteln, dass Fleisch kein Alltagslebensmittel ist, kein Billigprodukt, sei ihnen beiden wichtig, betonen die Chefs. Transparenz schaffe Vertrauen, sie kennen alle Höfe, von denen sie ihre Ware beziehen, die Haltungsbedingungen, das Futter.
Geschlachtet werde jeweils im näheren Umkreis, der längste Tiertransport dauere 45 Minuten, auf dem kleinen Transporter eines Landwirts zum Beispiel würden nur Tiere aus einer Herde verladen, das mindere ebenso den Stress wie die Begleitung durch Menschen, die sie kennen.
Das Tierwohl sei die Grundlage für ihre Qualität, nicht ein bloßes Label wie im Supermarkt, das Transport und Schlachtung komplett ausspare. Ihre Internetseite klärt auf. Die Zahl der Filialen ist geschrumpft, 13 hat Hielscher noch – die Krise. Der Strompreis habe sich in fünf Jahren versechsfacht, die Preise für Rindfleisch seien in eineinhalb Jahren um 70 Prozent, die für Schwein um 90 bis 100 Prozent gestiegen, „das können wir nicht so weitergeben“. Die Kunden kauften inflationsbedingt überlegter ein, probierten weniger Neues.
Lichtblick: Der Party-Service, der durch Corona brach lag, komme langsam wieder in Schwung. Sorgen macht der Personalmangel, rund 100 Beschäftigte hat die GmbH & Co. KG , aber nur zwei Lehrlinge. Dass reihenweise andere Handwerksbetriebe ringsum aufgeben, sei bedauerlich, betonen die Cousins. Mit ihnen steht die dritte Generation für Hielschers Zukunft.
Das Stammhaus in Sankt Augustin, Alte Heerstraße 60, ist montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr und samstags von 7 bis 16 Uhr geöffnet.
Tradition statt Ersatzprodukte
Warum produziert Hielscher keine Fleischersatzprodukte? Diese Frage stellt sich vor allem, wenn einer der Chefs der Handwerksmetzgerei Vegetarier ist. Es sei wie bei guten Kölsch-Brauereien, erläutert Sebastian Hielscher: „Sie sind zu klein, um gutes Alkoholfreies zu machen.“ Der Familienbetrieb stehe für Tradition, dazu passten weder Linsen noch Kichererbsen. „Wir werden auch keine Insekten verarbeiten.“ Auch danach hätten sich Kunden schon erkundigt. (coh)