Sie werden gefangen in Sankt Augustin, gezählt und wieder freigelassen: Die Wildlachse aus der Sieg sind geschützt und landen nicht in der Pfanne.
Fangstation in Sankt AugustinSieglachse landen nicht in der Pfanne
Der Kaventsmann in der Fischstation in Buisdorf schlägt so kräftig mit der Schwanzflosse, dass es spritzt und die Zuschauer zurückweichen. Ein Wildlachs, unverkennbar. „Schau mal, wie schön er gemasert ist“, ruft eine Mutter ihrem Sohn zu. Dennis Bock fängt das Männchen auf sanfte Art. Es soll schließlich weiterleben: Der Edelfisch aus der Sieg landet nicht in der Pfanne.
„Dann würden wir in Teufels Küche kommen“, scherzt Fischwirt Bock, der ausschließlich für den Naturschutz arbeitet. Das Wanderfischprogramm soll dabei helfen, dass Lachse und Meerforellen sich wieder vermehren können.
Familien besuchten am Siegwehr zwischen Siegburg und Sankt Augustin die Kontrollstelle
Früher, als die Flüsse noch nicht begradigt und aufgestaut gewesen seien, seien die natürlichen Bedingungen besser gewesen, erläutert Klaus Weisser vom Fischschutzverein Siegburg; Ehrenamtler arbeiten hier und andernorts mit den Behörden und der Stiftung Wasserlauf Hand in Hand.
An diesem Sonntag sind vor allem Familien zum Siegwehr gekommen, um die Aufgaben der Kontrollstelle hautnah mitzuerleben. Unter ihren Füßen ist mächtig Bewegung. Dann heißt es Platz machen, die Laufgitter werden hochgeklappt, die Kammern hochgefahren. Dennis Bock greift zum Koi-Kescher, der im Innern ganz glatt ist und holt ein etwa 50 Zentimeter großes und fünf Kilogramm schweres Flossentier aus dem Wasser.
In der grünen Wanne wird es vermessen, danach in einem belüfteten Transportfass ins Wildlachszentrum gebracht. In der in Deutschland einmaligen Anlage werde unter leichter Betäubung den Weibchen sanft die Eier abgestreift, den Männchen die Milch, schildert Bock. Danach geht's am Pegel Kaldauen wieder in die Sieg. Die Männchen könnten in der Natur noch einmal ablaichen.
111.000 Eier wurden im vergangenen Jahr „aufgelegt“, so heißt der Fachbegriff. Die Jungtiere werden in der Sieg ausgesetzt in der Hoffnung, dass sie ins Meer wandern und später ausgewachsen ins Rheinland zurückkehren. Sie orientieren sich mit ihrem ausgezeichneten Geruchssinn, finden den Ort, an dem sie schlüpften und aufwuchsen, mit einer Genauigkeit von zehn Metern wieder. Das funktioniere dank des Wahnbachtalsperrenwassers auch bei den Fischen aus der Zuchtanlage.
Jährlich kommen 350 bis 800 Lachse in die Sieg zurück
Der Erfolg des Programms sei messbar, erzählt der Fischwirt, der von Ende September bis kurz vor Weihnachten täglich am Wehr arbeitet und in der restlichen Zeit im wenige Kilometer entfernten Zentrum oberhalb der Wahnbachtalsperre. Es sei auch schon Naturbrut gesichtet worden, dafür brauche es Kiesbänke im Fluss ohne viel Sediment für ein ausreichendes Nahrungsangebot sowie Holz und größere Steine als Schutz vor Fressfeinden.
Trotz der Renaturierungsbemühungen sei die menschliche Hilfestellung für die Vermehrung aber nötig; durch Starkregen zum Beispiel setzten Sedimente den Kies zu, erläuterte Weisser. Dies alles aufzubaggern, sei zu aufwendig.
Die Zahl der Fische, die die Kontrollstation durchlaufen, ist schwankend: Jährlich kommen zwischen 350 und 800 zurück. Etwa 50 Prozent würden geschätzt erfasst, die anderen überwänden das Wehr springend. In einem Dürrejahr seien es nur 39 gewesen, berichtet Dennis Bock, „da lag die Siegmündung längere Zeit trocken“.
Nicht nur Lachse wandern flussaufwärts zu ihren Laichgründen, auch Barben, Nasen und Zährten, Letztere fischt Bock ebenfalls aus der Kammer. Außerhalb der Hochzeiten landen die Tiere nicht im Korb, sondern durchqueren einen Videotunnel, den sogenannten Counter, der mit Solarstrom funktioniert. Vor einer weißen Wand werden sie automatisch gefilmt, die Experten können die Art dann anhand ihrer Silhouetten bestimmen.