Hochschule Bonn-Rhein-SiegWas die Wissenschaftler mit 8,7 Millionen Euro anfangen
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Bund und Länder statteten die Hochschule mit fast neun Millionen Euro aus.
Streng geheim ist ein Teil der Forschung zur Biometrie.
Virtual Reality soll helfen, Höhenangst zu besiegen.
Sankt Augustin – Die Einblicke waren kurz, die Eindrücke gleichwohl tief: Ein Rundgang, der zu Stationen des Projekts „Campus to World“ führte, zeigte den Besuchern, was die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg mit den insgesamt 8,7 Millionen Euro anfängt, die vor eineinhalb Jahren Bund und Länder im Förderprogramm „Innovative Hochschule“ bewilligt worden waren. Der Besuch in den Forschungsstätten war Teil des ersten Frühjahrsempfangs, zu dem die Hochschule geladen hatte.
Streng geheim ist ein Teil der Forschungsleistungen zur Biometrie, die Professor Norbert Jung und seine Mitarbeiter erbringen. Ein „Hase-und-Igel“-Spiel sei das immer, sagte der Wissenschaftler: mit denen nämlich, die solche Systeme irgendwann doch knackten. Bereits im Einsatz sind Kameras zur Erkennung von Gesichtern im Unterschied zu Masken. „Keine Überwachung“ stellte er klar, wohl aber die Möglichkeit zum Abgleich zwischen Gesicht und möglichem Abbild.
Boden als CO2 -Speicher
In die Welt der virtuellen Realität führte Professor André Hinkenjann seine Gäste: Höhenangst wird dank Datenbrille und Computer auf sicherem Boden erlebbar – ein wichtiger Ansatz in der Therapie; gleiches soll demnächst in einer Studie für die Angst vor Menschenansammlungen (Agoraphobie) erprobt werden. Eine gewaltige Bildschirmwand demonstrierte die Möglichkeit, komplexe Daten sichtbar zu machen: Twitter-Kontakte zum AfD-Parteitag in Köln erscheinen so als bunte Wolke, lassen sich aber auch im Detail sehr klar analysieren.
Die enorme Bedeutung des Bodens als Speicher von CO2 betonte Referentin Laura Hirsch, die das „Citizen Lab“ an der Hochschulstraße vorstellte: Nur die Hälfte des Stoffes überhaupt sei in der Luft, tausende von Gigatonnen aber im Boden gebunden, erklärte sie. Staunen machten die Besucher aber auch andere Zahlen: Wie viele Mikroorganismen in einer Handvoll Erde leben – das geht in die Milliarden. Wie die Bodenverhältnisse in den Gärten der Region sind, wollen die Wissenschaftler, Studierende und Bürgerinnen wie Bürger in Zukunft ergründen, indem sie Proben sammeln und analysieren. „Wir bekommen die Daten, Sie die Dienstleistung“ – die anderswo etwas kostet – warb Laura Hirsch. Und lud schon jetzt zu einem Auftaktworkshop im Mai ein.
Hoffen auf Promotionsrecht
Zum Beginn des Empfangs hatte Hochschulpräsident Professor Hartmut Ihne Herausforderungen an die Hochschule umrissen. Dass die in Zukunft „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ heißen wird, ist wohl nur eine Frage der Gewöhnung und Anpassung an den englischen Ausdruck. Zugleich hofft Professor Ihne darauf, dass der Hochschule nach 20 Jahren Kampf endlich das Promotionsrecht zuerkannt wird. Ein „Promotionskolleg NRW“ sei auf dem Weg durch die Gesetzgebung, sagte er.
Er freue sich auf die Möglichkeit, in Zukunft autonom Auto zu fahren, gab sich Ihne als Fan dieser Technik zu erkennen. „Wie weit wollen wir gehen?“ fragte er aber auch mit Hinweis auf Dürenmatts „Physiker“. Digitales Durchleuchten der Gesellschaft könne auch zum furchtbaren Herrschaftsinstrument werden. Ihne mahnte die „Verantwortung der Wissenschaft“ an und kündigte an: „Wir wollen die Gesellschaft eng begleiten“, in den großen Kooperationen ebenso wie mit dem Mittelstand, wenn es zum Beispiel um die Entwicklung feinstaubarmer Bremsscheiben gehe. Klare Worte fand der Hochschulpräsident schließlich zum Brexit: „Die größte Dummheit, ich verstehe es nicht.“