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Frauenhaus des Rhein-Sieg-KreisesAbgelegen, aber nicht mehr geheim

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Das Team des Frauenhauses in Birlinghoven mit Landrat Sebastian Schuster (r.)

Sankt Augustin – Ein Tag der offenen Tür im Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises mit zahlreichen Besuchern, die sogar öffentlich eingeladen wurden – bis vor kurzem wäre das noch undenkbar gewesen. Denn um die Frauen und ihre Kinder nach häuslichen Gewalterfahrungen zu schützen, wird die Anschrift der Frauenhäuser in der Regel geheim gehalten. Doch seit dem Umzug in das neue Domizil am Rande Birlinghovens ist es vorbei mit der Geheimhaltung.

„Nicht geheim, aber relativ versteckt“, so fasste Landrat Sebastian Schuster zum Auftakt des Tages der offenen Tür das neue Konzept der Einrichtung etwas verkürzt zusammen. Die schutzsuchenden Frauen und ihre Kinder sollen sich nicht mehr in der Anonymität verstecken müssen, sondern am gesellschaftlichen Leben beteiligen können.

Neues Sicherheitskonzept

Um das zu ermöglichen, hat die Einrichtung ein besonderes Sicherheitskonzept. „Details dazu nennen wir natürlich nicht“, sagt Stefan Liermann, der Leiter des Sozialamts des Kreises. Trotz der für jedermann in Erfahrung zu bringenden Anschrift funktioniert das Konzept bislang, wie Angela Debus vom Team des Frauenhauses bestätigt. „Auch wenn bekannt ist, wo sich das Frauenhaus befindet, hat es bislang keinerlei Zwischenfälle gegeben.“

Im April haben Betreuerinnen und Bewohnerinnen das Frauenhaus in dem ursprünglich als Flüchtlingsunterkunft geplanten dreigeschossigen Gebäude bezogen. Am heutigen Montag sind auch die Umbauarbeiten im Erdgeschoss beendet, so dass das Frauenhaus nun Platz für bis zu zehn Frauen und 16 Kinder bietet. Der Bedarf nach einem Haus, in dem Frauen und Kinder Schutz vor gewalttätigen Familienvätern finden, ist groß. „Rund 100 Frauen und deren Kinder mussten wir in diesem Jahr schon abweisen, weil der Platz einfach nicht ausreicht“, schildert Angela Debus.

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Sie bestätigt, dass die Gewalt gegen Frauen und Kinder in den Monaten des Corona-Lockdowns deutlich zugenommen hat. „Im Lockdown selbst sind – anders als erwartet – nicht erkennbar mehr Frauen zu uns gekommen. Das lag wohl daran, dass auch die Gewalttäter in dieser Zeit verstärkt zu Hause waren und mehr Kontrolle ausüben konnten.“ Nach dem Lockdown allerdings sei die Zahl der Hilfesuchenden deutlich gestiegen. 14 Frauen und 23 Kinder hat das Frauenhaus des Kreises in diesem Jahr bereits Schutz bieten können. Lediglich Frauen mit einer Suchtproblematik oder einer psychischen Erkrankung werden abgewiesen. „Deren Betreuung können wir nicht sicherstellen, da wir nicht sieben Tage die Wochen 24 Stunden lang besetzt sind“, schildert Debus.

Probleme durch die Wohnungsnot

Die Frauen und Kinder bleiben im Durchschnitt vier bis sechs Monate lang in der Einrichtung. In Ausnahmefällen werden sie aber auch länger betreut. „Wir werfen niemanden raus“, sagt Debus. Die Wohnungsnot mache den Wechsel in eine eigene Wohnung für die Frauen inzwischen deutlich schwieriger.Mit dem Tag der offenen Tür wollten Debus und ihr Team die Öffentlichkeit für das Thema häusliche Gewalt sensibilisieren. „Das ist nämlich mehr als nur körperliche Gewalt“, schildert Debus den Besuchern. „Die Frauen, die zu uns kommen, erleben auch Beleidigungen und Erniedrigungen, ihnen wird eigenes Geld verweigert, und sie und ihre Kinder stehen oft unter der absoluten Kontrolle ihres Mannes.“

Um das Frauenhaus noch stärker in der Öffentlichkeit des Kreises zu verankern, ist zurzeit die Gründung eines Fördervereins in Vorbereitung.