„Wunden nicht geheilt“Wehrleiter über die verstorbenen Kameraden der Tragödie von Sankt Augustin

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Sascha Ziegenhals ist Leiter der Einheit Niederpleis und stellvertretender Wehrleiter.

Sascha Ziegenhals ist Leiter der Einheit Niederpleis und stellvertretender Wehrleiter.

Sascha Ziegenhals war auf Mallorca, als seine Einheit Niederpleis alarmiert wurde. Schnell wusste er, dass zwei Kameraden vermisst wurden.

„Bei uns ist das immer noch dauerhaftes Thema“, sagt Sascha Ziegenhals, Leiter der Einheit Niederpleis und stellvertretender Wehrleiter, zu der Brandtragödie vor einem Jahr in Sankt Augustin, bei der zwei Feuerwehrleute starben. „Da fehlen zwei, die immer engagiert dabei waren.“ Der Stadtbrandinspektor hat zwei Freunde verloren, die ihm lieb und teuer waren. „Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden, aber das kann ich nicht bestätigen. Die Wunden werden nicht geheilt.“

Die Feuerwehr sei wie eine zweite Familie,  „du verlierst ein liebes Familienmitglied. Du lernst nur, besser damit umzugehen“, schildert der 49-Jährige. „Aber es wird langsam überlagert von den positiven, den schönen Erlebnissen mit Magda und Michael.“

Zwei besondere Menschen verloren beim Einsatz in Sankt Augustin-Niederpleis ihr Leben

Vieles komme wieder hoch, wenn woanders etwas passiere. Zuletzt, als im bayerischen Pfaffenhofen ein Feuerwehrmann während eines Einsatzes im Hochwasser-Katastrophengebiet ertrank. „Wir wissen jetzt, wie schlimm es sich anfühlen muss für die Kameraden.“ Seine eigene Einheit stehe zusammen, fange sich auf. „Kameraden, die früher nicht so oft kommen konnten, haben ihre Teilnahme verstärkt. Die Leute machen keinen Schritt zurück, sondern eher nach vorne. Wir sind absolut handlungsfähig.“

Als Einheitsführer verband ihn mit Magda Schmitz eine besondere Beziehung: „Sie war eine der engagiertesten Feuerwehrleute. Wenn Hilfe notwendig war, stand sie bereit“, erinnert er sich an die damals 37-Jährige. „Sie hat dir offen ihre Meinung gesagt. Das war manchmal wie ein Vulkanausbruch, sie hat sich aber schnell beruhigt. Fachlich hatte sie oft recht. Das ist so 'ne Type, die fehlt.“

Wenn eines der Fahrzeuge von Michael Winkelhochs Firma vorbeifährt, sieht er vor seinem inneren Auge noch dessen winkende Hand aus dem Fahrerfenster: „Das sind Stiche, das tut weh.“ Der damals 36-Jährige war für ihn ein ebenso besonderer Mensch: „Ich habe seine offene, ehrliche Art geschätzt, ob im Guten oder im Schlechten. Er hat mir beides gesagt. Aber er war nie nachtragend. Das vermisse ich wirklich.“

„Komm zurück. Das sieht nicht gut aus“, sagt der Wehrleiter am Telefon

Ziegenhals selbst war an jenem verhängnisvollen Sonntag auf Mallorca. Die Alarmierung zur Motorradwerkstatt auf der Hauptstraße in Niederpleis bekam er mit, wusste schnell, dass es ein Großbrand war und es einen Atemschutznotfall gab, dass Magda und Michael vermisst wurden. „Komm zurück. Das sieht nicht gut aus“, sagte ihm Wehrleiter Herbert Maur am Telefon.

„Mir war klar, die schaffen das nicht. Aber du denkst, es gibt noch ein Räumchen, einen Keller“, erinnert sich Ziegenhals. Er konnte Flüge umbuchen und war noch am Abend in Niederpleis. Kurz vor Mitternacht gab es Gewissheit: Beide waren tot.

Trotz eigener Trauer kam er schnell wieder in den Funktionier-Modus, dachte: „Wie bekommst du die Einheit aufgefangen?“ Seine Stellvertreter Torsten Hölzer und Norbert Thönniges hätten ihn vorbehaltlos unterstützt. Zu den Familien der Opfer gibt es regelmäßigen Kontakt: „Wo wir unterstützen können, tun wir das.“ Die Jahresgedächtnisse wurden eng abgestimmt mit ihnen. Der Todestag wird viele Wunden aufreißen, dennoch, sagt Ziegenhals: „Die schlechten Tage werden deutlich weniger.“

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