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„Eine Seuche“Gefährliche TikTok-Challenges sorgen für Aufregung an Schulen in Rhein-Sieg

Lesezeit 4 Minuten
Ein Finger zeigt auf ein TikTok-Icon auf einem Handy.

Zwei Fünftklässlerinnen wurden nach einer TikTok-Challenge an einer Siegburger Realschule bewusstlos. (Symbolbild)

Hyperventilieren bis zur Bewusstlosigkeit, höllenscharfe Chips: An Schulen kommt es wegen TikTok-Challenges zu gefährlichen Situationen.

Deutliche Worte findet Andrea Sauerzweig, Konrektorin der Alexander-von-Humboldt-Realschule in Siegburg nach dem zum Glück noch einmal glimpflich ausgegangenen „Pilotentest“ zweier Schülerinnen: „Die TikTok-Geschichten sind eine Seuche. Davor muss man Kinder schützen.“

Der Lehrerin zufolge gehen auch derzeit verbreitete „Challenges“ mit dem Missbrauch von Lachgas oder Vandalismus auf Schultoiletten auf TikTok zurück. „Auf Handys von Fünftklässlern hat das nichts verloren.“

TikTok-Challenges: Siegburger Lehrerin will die Eltern aufrütteln

Wie berichtet, waren zwei Fünftklässlerinnen bewusstlos geworden; bei dem sogenannten Pilotentest geht es um Hyperventilieren, also unnatürlich schnelles Einatmen und anschließenden Druck auf den Brustkorb, so wie es in TikTok-Videos gezeigt wird.

Sauerzweig betont aber, dass, anders als zunächst berichtet, kein Mädchen ins Krankenhaus gefahren werden musste, nachdem sie ein Notarzt untersucht hatte. Die Besatzung des Rettungswagens habe auch mit den Eltern gesprochen.

Nähere Informationen liefert die Schule mit einem Elternbrief. Die Eltern, so Sauerzweig, müssten aufgerüttelt werden. An der Realschule gebe es ein Präventionsangebot der Polizei zu Internet und Social Media, TikTok sei auch Thema im Unterricht. Im Gebäude sind Handys verboten, auf dem Außengeländen nicht. „Wir können nicht alle gleichzeitig beobachten“, so Sauerzweig. Zudem: „Die Schüler machen das in ihrer Freizeit.“

Schulleiter aus Siegburg hält nichts von generellem Handyverbot

Ähnlich sieht es Jochen Schütz, Leiter der städtischen Gesamtschule am Michaelsberg. „Kinder sind mit so etwas überfordert“, hebt Schütz hervor. „Es ist unverantwortlich, sie mit so etwas zu konfrontieren.“ Angesichts des unübersichtlichen Schulgeländes hält auch Schütz wenig von einem generellen Handyverbot. „Es hat keinen Sinn, etwas zu verbieten und dann nicht kontrollieren zu können.“

Kinder sind mit so etwas überfordert
Jochen Schütz, Leiter der Gesamtschule am Michaelsberg

Er verzeichnete am selben Tag einen leichten Fall einer Challenge, ansonsten eher Einzelvorkommnisse und noch keinen schweren. „Wir klären die Schüler über die gesundheitlichen Folgen auf“, schildert er, der Vorfall an der Realschule sei in einem ersten Schritt zum Thema für die Klassenleitungen gemacht worden.

In einem zweiten Schritt würden, falls nötig, Fachleute eingeschaltet, etwa vom schulpsychologischen Dienst. Präventionsangebote gebe es an der Gesamtschule zu Drogen, Internet und Verkehr. Das Thema Challenges werde man weiter beobachten.

An Troisdorfer Hauptschule gibt es immer wieder TikTok-Challenges

Michael Arndt, Schulleiter des Albert-Eistein-Gymnasiums in Sankt Augustin, hat „so eine Challenge an der Schule noch nicht beobachten können.“ Im Rahmen der Medienerziehung würde über die Gefahren des Internets gesprochen. „Dort gibt es immer viele neue Entwicklungen, die wir natürlich im Auge behalten“, so Arndt. Daher würde der Unterrichtsstoff in diesem Bereich auch immer auf dem Laufenden gehalten.

„Ja, das spielt eine Rolle“, bestätigt dagegen Ralf Wermter, Leiter der Rupert-Neudeck-Hauptschule in Troisdorf. Auch an seiner Schule habe es die Piloten-Challenge gegeben, hätten Schülerinnen und Schüler höllenscharfe Chips gegessen. Aber: „Ernsthafte Schäden sind zum Glück noch nie vorgekommen.“ „Wir kriegen das mit, weil wir auf den Toiletten eine Aufsicht haben“, so Wermter. Denn häufig seien diese Räume ja Schauplatz der Challenges.

Dabei begleitet Medienerziehung die Jungen und Mädchen durch ihre Schulzeit: Im fünften und sechsten Schuljahr können die Eltern, statt ihrem Kind ein Mobiltelefon zu besorgen, iPads ausleihen, auf denen derartige Apps gar nicht nutzbar sind. „Davon wird aber kaum Gebrauch gemacht“, so der Schulleiter. In der Regel hätten die Kinder ein Handy.

Einfluss der Social-Media-Kanäle nennt Schulleiter „erschreckend“

In höheren Klassen gibt es Konsumenten- und Verbraucherschulung, erfahren die Schüler, was es mit Fakeshops auf sich hat und wie man das Handy für Bewerbung und Recherche nutzen kann. „Ein bisschen wischen“ könnten die meisten, sagt Wermter. Was aber dahinter steckt und was es bedeutet, über ein Onlinekonto, einen Benutzernamen oder eine Mailadresse Datenspuren im Netz zu hinterlassen, sei den wenigsten bewusst.

Den Einfluss der Social-Media-Kanäle auf die Kinder und Jugendichen nennt Wermter „erschreckend“; bei einer Befragung in der Schule hätten Siebtklässler eine tägliche Bildschirmzeit von bis zu zwölf Stunden genannt. „Es macht was mit den Kindern“, haben Wermter und die anderen Lehrkräfte beobachtet.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten teilweise regelrechte Entzugserscheinungen, wenn ihnen das Handy abgenommen werde; sie reagierten maß- und respektlos. Das habe mit dem immer höheren Tempo der einzelnen Apps zugenommen, berichtet der Schulleiter. Die jungen Menschen hätten Angst, etwas zu verpassen, nicht dazuzugehören.

Zugleich seien sie „pausenlos irgendwelchen Attacken ausgesetzt“, würden sie in öffentlichen Foren angegriffen und verunglimpft. An der Rupert-Neudeck-Schule denken der Schulleiter und das Kollegium darüber nach, „die Geräte zu verbannen.“