„Falsches Signal“Bund stoppt Förderung für Sprach-Kitas – Kritik aus Rhein-Sieg
Rhein-Sieg-Kreis – Sie organisiert Ausflüge in die Bücherei, führte Tablets ein, schult ihre Kolleginnen und Kollegen und hat einen engen Draht zu den Eltern: Ursula Klein hat in ihrer Rolle als Fachkraft für Sprachförderung in der Kita „Zum Altenforst“ alle Hände voll zu tun. Nun soll die staatliche Förderung „Sprach-Kitas“, über die diese Stelle bezahlt wird, wegfallen.
Am Ende des Jahres läuft die Stelle der 50-Jährigen aus – wie es dann weitergeht, weiß sie noch nicht. „Ich finde das sehr enttäuschend“, sagt Klein, die seit dem Start des Programmes im Jahr 2016 dabei ist.
Seitdem hat sie etliche Fortbildungen durchlaufen und Projekte im Kindergarten angestoßen. So wurde der Speiseplan in der Troisdorfer Kita bebildert, in der 70 Prozent der Kinder Deutsch nicht als Herkunftssprache sprechen. So weiß jedes Kind, egal wie weit es in der Sprachentwicklung ist, was auf dem Speiseplan steht.
Deutsch-türkische Kita in Siegburg zeichnet düstere Prognose
„Ich habe an vielen Stellen Bedarf gesehen und bin die Dinge angegangen“, beschreibt Ursula Klein. Vieles könne sie in das Team hineingeben, „künftig wird aber eine feste Ansprechpartnerin fehlen“, prognostiziert sie. Die Ampel-Koalition hatte sich im Koalitionsvertrag eigentlich für eine Verstetigung des Programms ausgesprochen. Dass nun die Förderung enden soll, hält sie für „sehr bedauerlich“ und „ein völlig falsches Signal“.
Eine düstere Prognose zeichnet auch Ali Bulut: „Das wäre ganz schlimm“, sagt der Vorsitzende des Trägerverein der deutsch-türkischen Kita Arkadas in Siegburg. „Sie dürfen nicht an den Kindern sparen.“ Viele der aktuell 58 betreuten Kinder erlebten zu Hause einen intensiven Medienkonsum, wüchsen mit SMS-Sprache auf.
Wenn sie im Morgenkreis berichteten, was sie daheim gemacht hätten, „merkt man, was zu Hause abläuft“. Wenige Eltern achteten darauf, dass ihre Kinder sprachlich gebildet werden. Aber, so Bulut: „Man kann nicht alles in der Kita auffangen, das geht nur zusammen.“
Kita in Lohmar: Das Coaching der Kollegen fällt künftig weg
Um die Eltern zu unterstützen, hat das Kita-Team eine Bibliothek aufgebaut, die ausgewählten Vorlesestoff anbietet. Eine externe Dozentin bietet Elternabende an und schult regelmäßig die Erzieherinnen. „Die haben alle eine Sprachfortbildung“, im Arkadas werde die Sprachförderung in den Tagesablauf integriert.
Denn nicht zuletzt sei die Einschätzung widerlegt, dass nur Kinder mit einem Migrationshintergrund Probleme mit der sprachlichen Bildung hätten: „Das trifft die ganze Gesellschaft.“
Das könnte Sie auch interessieren:
In der Lohmarer Kindertagesstätte Waldgeister ist Filia Seitanidou die Fachkraft für die Sprachförderung. In Vollzeit angestellt, wird sie zumindest ihren Arbeitsplatz nicht verlieren, wenn die Förderung tatsächlich endet. Das Coaching ihrer Kolleginnen falle dann aber weg. „Alltagsintegrierte Sprachförderung“ ist auch hier das Motto der Arbeit. „Das kommt allen zugute“, hebt sie hervor.
Bundestagsabgeordnete aus dem Rhein-Sieg-Kreis fordert Rettung der Sprach-Kitas
Nicole Westig, FDP-Bundestagsabgeordnete aus Bad Honnef, wirbt um Verständnis für die Entscheidung der Ampelkoalition. Nach all den Jahren der Unterstützung durch den Bund habe man flächendeckend ein gutes Angebot an Sprach-Kitas aufbauen können. „Nun aber liegt es in der Verantwortung der Länder, die etablierten Strukturen zu stärken“, sagt sie.
Zuletzt seien die zur Verfügung gestellten Mittel des Bundes vor allem dazu verwendet worden, Kita-Gebühren pauschal abzuschaffen. Die FDP sehe jedoch einen besonderen Bedarf in der Stärkung der Betreuungsqualität. Daher stelle der Bund 2023 und 2024 jeweils zwei Milliarden Euro zur Förderung der Kitas über das „Gute-Kita-Gesetz“ zur Verfügung, in das das Bundesprogramm Sprach-Kitas überführt werden soll.
Dagegen fordert die Siegburger Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker: „Sprach-Kitas müssen gerettet werden.“ Es sei völlig unverständlich, dass die Förderung ausgerechnet in einer Zeit beendet werde, in der zahlreiche Kinder aus der Ukraine in den Kitas betreut werden müssten.