„Katastrophe“Bäume im Rhein-Sieg-Kreis durch Käfer bedroht – Forstbetriebe besorgt

Max Graf Nesselrode, Chef eines der größten Forstbetriebe der Region, sieht große wie kleine Waldbesitzer vor immensen Problemen.
Copyright: Stephan Propach
- Die Fichten im Rhein-Sieg-Kreis sind massiv von Käfern bedroht.
- Wie es zu dieser Plage kam und wie die Forstbesitzer gegensteuern, erfahren Sie hier.
Rhein-Sieg-Kreis – „Das ist eine Katastrophe.“ Ulrich Klein, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Windeck-Kohlberg, fällt für die bedrohliche Lage der Forstbetriebe kein anderes Wort mehr ein. Ausgerechnet die Fichte, der „Brotbaum“ der privaten wie gewerblichen Waldbesitzer in der Region, ist massiv durch den Borkenkäfer bedroht. Wenn nicht konsequent gefällt wird, was befallen ist, könnte sich die Lage im kommenden Jahr dramatisch zuspitzen.
„Der Käfer geht durch alle Altersklassen“, beschreibt Max Graf Nesselrode, der von Burg Herrnstein im Bröltal aus einen der größten Forstbetriebe in der Region leitet. Dass der Kupferstecher und sein Verwandter, der Buchdrucker, in diesem Jahr besonders große Schäden anrichten, führt Graf Nesselrode auf die lange Trockenphase im vergangenen Sommer und dem Herbst zurück.
Waldbesitzer zahlen drauf
Ein gesunder Baum reagiere auf den Einstich eines Käfers mit einem kräftigen Schuss Harz. Das hindere den Käfer am Einbohren und verschließe das winzige Loch sofort wieder, erklärt er. Ohne ausreichende Wasservorräte aber hätten die Fichten in den vergangenen Monaten nicht genügend Harz bilden könnten.

Schon beim ersten Blick auf den Herbstwald fallen die braunen Fichten auf, die der Borkenkäfer abgetötet hat. Sie müssen jetzt schnell verarbeitet werden.
Copyright: Stephan Propach
„Hohe Temperaturen und zu wenig Niederschlag“ macht auch der Landesbetrieb Wald und Holz für die starke Vermehrung des Borkenkäfers verantwortlich. Ideal für die Käfer seien auch die Folgen der Winterstürme gewesen: angerissene und offene Waldränder hätten attraktive Siedlungsräume für die Rindenbrüter gebildet.
Private wie hauptberufliche Forstbetriebe stehen im kommenden Winter vor einem Dilemma. Um ihre Wälder pflegen zu können, wünschen sie sich starken Frost und harte Böden. Die sind nötig, damit schwere Erntemaschinen nicht bis zur Achse im Waldboden versinken und Wege zerstören. Starker Frost schützt aber auch die Larven. Den Kampf gegen Kupferstecher und Buchdrucker unterstützen würde dagegen ein feuchter und eher warmer Winter. „Die Larven würden dann in einem natürlichen biologischen Prozess verfaulen“, erklärt Graf Nesselrode.

Ein Buchdrucker
Copyright: dpa
Betroffene Bäume zu schlagen und zu entrinden, ist die mechanische Alternative. Die wendet Graf Nesselrode in seinem Betrieb auch schon eifrig an. Verkaufen lassen sich die Bäume derzeit allerdings nur schlecht. Bundesweit sind die Sägewerke ausgelastet, entsprechend niedrig sind die am Markt zu erzielenden Preise. Und wie nach Kyrill feucht lagern lässt sich Käferholz nicht. Hinzu kommt die leicht blaue Einfärbung. „Physikalisch und statisch ist es völlig in Ordnung. Aber die Baumärkte wollen lieber nur weißes Holz verkaufen“, erklärt der Fachmann.
Derzeit lassen viele Forstbetriebe Stämme, die sonst mit bis zu 18 Metern Länge verarbeitet werden, auf 11,50 Meter schneiden – auf „Containerlänge“. Die Fichten werden nach Asien verschifft. Die verleibenden Abschnitte bleiben schlimmstenfalls als Ausschuss zurück.
Probleme bereitet der Borkenkäfer insbesondere Forstunternehmern mit Familientradition, in denen der Wald die Funktion einer Sparkasse übernommen hat, die jeder Generation einmal einen Ertrag beschert. Statt der Tochter oder dem Sohn damit die Ausbildung finanzieren zu können, müssten Familien jetzt Geld zuschießen, um wenigstens der nächsten Generation einen kleinen Ertrag zu sichern, erläutert Graf Nesselrode. Die für die Fichtenbestände bedrohliche Situation lässt Graf Nesselrode auch über ein Tabu nachdenken, das für seinen Betrieb ebenso gilt wie für die anderen, auch staatlichen Wälder: den Einsatz von Chemie.
1,5 Milliarden Käfernachkommen pro Baum
Wie stark sich Buchdrucker und Kupferstecher vermehren, hat der Landesbetrieb Wald und Holz bei einer Momentaufnahme im August ausgerechnet. In den untersuchten Stämmen fanden sich pro Stamm durchschnittlich 1600 Altkäfer, 29 000 Larven und 4000 Puppen. In einem Fall habe es zudem 471 frisch angelegte „Muttergänge gegeben“. Vorsichtig geschätzt kommen die Förster auf 100 000 Nachkommen pro Weibchen. Daraus würde sich für 2019 pro Baum eine potenzielle Nachkommenschaft von circa einer Milliarde und 500 Millionen Käfern pro Baum ergeben, heißt es in einem Info-Schreiben. (sp)
„Ist es wirklich vernünftig, keine Insektizide zu benutzen, oder ist die kategorische Ablehnung eventuell unklug?“, hinterfragt er und fordert zu intensivem Nachdenken auf. „Das könnte helfen, die Situation in den Griff zu bekommen.“ Dass die Wälder die Käferplage überleben werden, ist sich Graf Nesselrode, der immerhin auf 40 Prozent seiner Flächen Nadelhölzer anbaut, sicher. Die Fichte komplett gegen Laubholz auszutauschen, hält er für wenig sinnvoll. Die Konsequenz wäre sonst irgendwann der Import von Bauholz.
Auch die Politik könne angesichts der bedrohlichen Lage helfen, meint der Forstunternehmer. Im Interesse des Gemeinwohls gelte es, über Einschlagverbote für nicht befallenes Frischholz nachzudenken. Hilfen für die Waldbesitzer bei der Wiederaufforstung seien ein weiterer Weg, ebenso Steuerentlastungen.