Regenwasserversickerung in NiederkasselStadt will gegen zu viel Versieglung vorgehen
Niederkassel – „Das wird sicherlich viel Ärger geben.“ Bürgermeister Stephan Vehreschild wird bewusst sein, dass die Bemühungen der Stadtverwaltung, gegen übermäßige Flächenversiegelung auf privaten Grundstücken vorzugehen, möglicherweise auf wenig Verständnis und erheblichen Widerstand der Betroffenen stoßen dürften. Denn nach dem Starkregen vom 14. und 15. Juli, der auch in Niederkassel zu Überflutungen geführt hat, will die Stadt handeln.
Schon in den nächsten Wochen werden städtische Mitarbeiter bei Hausbesitzern in Lülsdorf vorstellig werden, die die Versickerung von Regenwassern durch übermäßige Versiegelung auf ihren Grundstücken fast unmöglich machen. Das kündigte Vehreschild bei der jüngsten Sitzung des Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschusses an.
Stadt sucht nach Flutursachen
„Wir haben da ganz konkrete Hinweise von Bürgern bekommen“, schilderte Vehreschild. Zwar hielten Bauherrn beim Neubau die zulässige Versiegelungsobergrenze meist ein. „Aber dann wird im Laufe der Jahre zusätzlich ein Carport gebaut, eine zweite Terrasse und ein Pool, und schnell sind statt der zulässigen 60 Prozent 90 Prozent des Grundstücks versiegelt“, zählte Vehreschild auf. „Wenn wir davon Kenntnis erhalten, müssen wir dagegen vorgehen. Aus 90 Prozent müssen wieder 60 Prozent werden.“
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Die Stadt hat sich schon in den Tagen unmittelbar nach dem Starkregen auf die Suche nach möglichen Schwachstellen bei der Hochwasserbekämpfung begeben. „Wir haben uns gefragt, ob es Flutursachen gibt, an die wir bislang nicht gedacht haben“, schilderte der Bürgermeister.
In den Mittelpunkt des Interesses seien dabei auch die Niederkasseler Kiesgruben gerückt. „Noch vor kurzem hätte sich wohl keiner von uns vorstellen können, dass eine Kiesgrube ausläuft und die Wassermassen Häuser wegspülen“, sagte der Bürgermeister mit Blick auf die Katastrophe in Erftstadt-Blessem (Rhein-Erft-Kreis).
Inzwischen seien die Kiesgruben im Niederkasseler Stadtgebiet begutachtet worden. Besondere Gefahren gingen von ihnen bei Starkregen nicht aus. Das sei allerdings zunächst eine vorläufige Einschätzung. Eine abschließende Bewertung stehe noch aus.
Sechsstelliger Schaden durch Regenflut Mitte Juli
Der Starkregen von 14./15. Juli hat auch in Niederkassel erhebliche Schäden verursacht, auch wen das Ausmaß nicht mit den Unwetterfolgen in Lohmar, Rheinbach, Swisttal und Meckenheim vergleichbar ist. Allein an städtischen Gebäuden entstand – vor allem durch Wasser, das durch die Dächer ins Gebäudeinnere eindrang sowie durch einen Rückstau in den Abwasserleitungen – ein Schaden von mehr als 70.000 Euro.
Betroffen sind Schulen, Kindergärten, Sporthallen und das städtische Hallenbad. Auf rund 200.000 Euro beläuft sich der Schaden, den die Wassermassen an städtischen Straßen anrichteten. Betroffen sind der obere Fähranleger und die Straße zum Thelenkreuz in Mondorf.
In privaten Haushalten war nach Angaben der Stadtverwaltung der Stadtteil Lülsdorf Schwerpunkt der Schäden, wo viele Keller und tief gelegenen Wohnungen überflutet wurden. Insgesamt haben 80 Niederkasseler Haushalte einen Antrag auf Soforthilfen des Landes gestellt. Inzwischen wurden demnach an vom Starkregen betroffene Haushalte, Landwirte sowie ein Kleinstunternehmen Soforthilfen in Höhe von rund 195.000 Euro ausgezahlt. (pf)
Marcus Kitz, den Vorsitzenden der CDU-Ratsfraktion, bezeichnete das Unwetter vom Juli als Anlass, noch einmal die städtische Kanalisation unter die Lupe zu nehmen. Zwar sei sie grundsätzlich auch für große Niederschlagsmengen ausgelegt. „Aber es gibt einige Stellen im Stadtgebiet, da müssen wir uns die Kanäle noch einmal genau anschauen, etwa im Bereich rund um das Helmut-Loos-Bad.“
Klar sei, so Kitz, dass dort die erforderlichen Anpassungen mit einem großen Aufwand verbunden und nicht sofort umsetzbar seien. „Und die anstehenden Investitionen werden dann natürlich auch die städtischen Gebührenzahler zu spüren bekommen.“
SPD und Grüne sehen jeden Einzelnen in der Pflicht
„Tatsächlich gab es aber kein Versagen des Kanalnetzes“, zeigte sich Matthias Großgarten (SPD) in der Ausschusssitzung überzeugt. Um den häufiger werdenden Starkregen-Ereignissen wirksam zu begegnen, sei es erforderlich, zu überlegen, welchen Beitrag jeder Einzelne leisten könne. Ähnlich argumentierte Ralf Droske (Grüne). „Wir leiten immer noch zu viel Regenwasser direkt ins Kanalnetz. Deshalb müssen wir unter anderem die Regenwasser-Nutzung vorantreiben.“
Von dieser Möglichkeit werde in Niederkassel aber bislang kaum Gebrauch gemacht. „Eine Möglichkeit wäre deshalb, die Verwendung von Regenwasser als Brauchwasser in künftigen Bebauungsplänen vorzuschreiben.“