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ProzessSchulfreund soll in Seelscheid ein Getränk mit Kokain vergiftet haben

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Ein Beutel mit Kokain liegt auf einem Tisch.

Ein Seelscheider kam nach dem Genuss eines vermutlich mit Kokain vergifteten Getränks ins Krankenhaus, sein alter Schulfreund auf die Anklagebank. (Symbolbild)

Mit Herzrasen kam ein Seelscheider in die Klinik, sein alter Schulfreund auf die Anklagebank. Der soll dessen Getränk mit Kokain vergiftet haben.

Es war eine gemütliche Feierabendrunde: Drei Nachbarn aus einem Neunkirchen-Seelscheider Dörfchen tranken ein Bierchen, der Vierte eine Fassbrause. Kurze Zeit später landete er mit Herzrasen und Übelkeit im Krankenhaus. Der 36-jährige Industriemechaniker hatte Kokain im Blut. In Verdacht geriet ein 35-Jähriger, sein alter Schulfreund, der die Getränke geholt hatte.

Er soll die Fassbrause vergiftet haben, davon war die Staatsanwaltschaft nach der umfangreichen Beweisaufnahme überzeugt. Der Angeklagte, ein Groß- und Außenhandelskaufmann, sagte zu den Vorwürfen zunächt nichts, machte nur Angaben zur Person.

Nach Überzeugung der Zeugen aus Seelscheid ließ das Gift die Fassbrause überschäumen

Er hatte am 9. Januar dieses Jahres den alten Schulfreund angerufen, ihn zum älteren Nachbarn eingeladen, man habe sich ja lange nicht gesehen. Der 36-Jährige sagte zu, wollte aber keinen Alkohol trinken, er habe Bereitschaft, müsse am nächsten Morgen früh raus. Der Jüngere holte eine Runde Getränke.

Die Flaschen seien schon geöffnet gewesen, schilderten die Zeugen übereinstimmend, neben dem Geschädigten ein 57-jähriger Tischler und ein 71-jähriger Rentner. Unüblich, sonst öffne man diese am Tisch. Kurze Zeit später fiel dem Gastgeber auf, dass die Fliesen im Wirtschaftsraum, wo der Getränkekühlschrank steht, patschnass waren. Die Vermutung im Nachhinein: Der Angeklagte habe dort das Kokain in die Flasche gekippt, was die Fassbrause zum Überschäumen brachte.

Der Angeklagte sei ungewöhnlich lange weggeblieben, habe den 36-Jährigen gedrängt, doch schneller zu trinken. Nach dem Genuss der halben Flasche sei ihm schlecht und schwindelig geworden, schilderte der Geschädigte im Zeugenstand, er schwitzte, sein Herz raste, er habe sein Auto stehen lassen müssen, seine Mutter brachte ihn ins Krankenhaus.

Im Siegburger Krankenhaus fand man in der Urinprobe Kokain

Dort habe man in der Urinprobe ein Kokainabbauprodukt gefunden. Er habe direkt den alten Kumpel in Verdacht gehabt, der vor zehn Jahren schon einmal in größerer Runde jemandem ein Pulver ins Glas gekippt habe und dabei erwischt worden sei. Die jungen Männer hätten damals ihre Getränke weggeschüttet, ein Nachspiel habe die Sache nicht gehabt.

Dass der Angeklagte Drogen nimmt, sei allen bekannt gewesen, allerdings nur dessen Cannabiskonsum. Nach den Zeugenaussagen ergriff der Angeklagte das Wort und betonte, die Flaschen seien ungeöffnet gewesen, das Wasser auf den Fliesen stamme von dem übergelaufenen Urinal.

Die Flasche wurde nicht von der Polizei auf Spuren untersucht

Die Indizien waren nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ausreichend für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe, die in eine Geldstrafe von 1350 Euro umgewandelt werden könne. Für Richter Hauke Rudat war die Argumentation der Anklagebehörde nachvollziehbar: „Vieles spricht dafür.“ Es gebe aber einige Unwägbarkeiten.

Die Flasche sei nicht sichergestellt und untersucht worden. Als der Geschädigte sie am nächsten Tag zur Polizei bringen wollte, hätten die Beamten abgewinkt. „Sie sagten, es sei nicht nachweisbar, wer das Kokain hineingeschüttet habe“, berichtete der Industriemechaniker. Es gebe so keinen Nachweis, ob sich überhaupt Kokain in der Fassbrause befunden habe, sagte der Richter. Auch die Konzentration des Giftes im Blut sei nicht bekannt.

Das Kokain könne auch auf anderem Wege in den Körper gelangt sein, argumentierte der Strafverteidiger. Der Sachverhalt sei im Nachhinein konstruiert worden. Völlig offen sei das Motiv. Richter Rudat stimmte zu: „Falls es sich um einen üblen Scherz handelte, ist das Ganze ziemlich teuer gewesen.“ Zudem habe der Angeklagte die Runde verlassen, bevor die schlimmsten Symptome aufgetreten seien. Er sei vom Gastgeber rausgeworfen worden, schilderte der Geschädigte. Die anderen Zeugen bestätigten das allerdings nicht.

Am Ende stand ein Freispruch, „im Zweifel für den Angeklagten“, sagte der Richter. Die Kosten des Verfahrens trage die Landeskasse. Der Mechaniker, der Tischler und der Rentner verließen kopfschüttelnd den Saal.