35 Jahre im Lohmarer RatBrigitte Bäcker-Gerdes verteidigte Schwiegermutter-Weitwurf
Lohmar – Der Begriff „Urgestein“ passt nicht so ganz zur quirligen Frau mit der Strubbelfrisur. Brigitte Bäcker-Gerdes, von allen nur Gitti genannt, wird in der Ratssitzung am Dienstag für 35 Jahre in der Kommunalpolitik geehrt. Wir blickten mit der Glasschleiferin zurück.Frau Bäcker-Gerdes, Handwerkern aus dem Ländlichen wurde einst nicht gerade eine Nähe zu den Grünen nachgesagt. Wie kamen Sie zur Politik?Brigitte Bäcker-Gerdes: Über meinen Einsatz für die Heimat, mein Ansatz ist wertkonservativ. In Honsbach sollte die alte Aggeraue bebaut werden, 64 Häuser im Feuchtgebiet. Wir Nachbarn haben uns erfolgreich gewehrt, Gutachten und Expertisen in Auftrag gegeben, die die ökologische Bedeutung belegten; unsere Klage gegen die Gemeinde wurde sogar vom damaligen Regierungspräsidenten Antwerpes (Franz-Josef Antwerpes, SPD, d. Red.) unterstützt und von Horst Becker, damals im Bezirksplanungsamt tätig. Durch ihn kam ich als parteilose Nachrückerin in den Rat, Grünen-Mitglied wurde ich erst 1990.
Was haben Sie bewegt?
Ich bin besonders stolz auf unsere Schullandschaft, die viele Menschen bewogen hat, nach Lohmar zu ziehen. Auch die Gestaltung des Ortskerns, der Schallschutz an der Autobahn, das Anrufsammeltaxi waren immens wichtig.
Ach ja, ich war 1994 die erste Frau in NRW, die ein Direktmandat für die Grünen geholt hat. Fünfmal habe ich meinen Wahlkreis Agger der CDU abgenommen, nur einmal zog ich über die Liste ein. Nicht zu vergessen unsere grüne Bürgermeisterin Claudia Wieja.
Was ist nicht gelungen?
An Konkretes kann ich mich gar nicht erinnern, es läuft einem ja hin und wieder was über die Leber, das ist normal. Bei mir überwiegt das Positive.
Ihr Erfolgsrezept?
Schwiegermutter-Weitwurf
Mit ihrer Position zum „Schwiegermutter-Weitwurf“ machte Brigitte Bäcker-Gerdes Schlagzeilen. Sie konterte die Kritik einer grünen Parteifreundin aus Sankt Augustin mit einem Vergleich: Das Werfen der Strohpuppe, früher Brauchtum im Lohmarer Weiler Algert, sei nicht sexistisch, sonst könnten sich ja auch Männer über die Verbrennung des Kirmeskerls beschweren. Der Kritik aus den Reihen der Grünen an einer Werbeaktion auf den Müllwagen der RSAG schloss sie sich aber an: Eine spärlich bekleidete Frau mit Nudelholz zu zeigen sei nicht witzig, sondern frauenfeindlich. (coh)
Ich verstehe mich als Kümmerin, bin gern unter Leuten, höre gerne zu. Durch unsere Werkstatt kenne ich auch viele Menschen, überbringe als Vizebürgermeisterin gerne Glückwünsche zu Geburtstagen und Ehejubiläen, und wenn gesungen wird, singe ich mit!
Haben Sie ein Vorbild?
Meine starke Mutter! Frieda Bäcker war Hebamme und hat viel für die Frauen getan. Sie hat zwei Geburtshäuser gegründet, in Wahlscheid und in Seelscheid, und auch Zwangsarbeiterinnen medizinisch betreut.
Sie sind 74 Jahre alt, haben Sie noch nie ans Aufhören gedacht?
Ein typisches Rentnerleben kann ich mir nicht vorstellen, bei meinem Temperament. Ehrenamt, Beruf und Familie konnte ich immer vereinbaren, in diese Zeit fiel die Pflege meiner alten Eltern; während des Balkankriegs haben mein Mann und ich ein Pflegekind, einen Jungen, aufgenommen. Heute verwöhne ich gern meine beiden Enkel, elf und sieben Jahre alt. Der Kontakt zur Natur und zum Nachwuchs ist mir wichtig: Uns werden Igel gebracht und Schildkröten, und Schulklassen kommen zu unserem Teich und holen Laich, um Frösche auswachsen zu sehen. Es ist eine Freude.