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Spannender NachlassDas Hennefer Stadtarchiv erhielt Unterlagen von Bahnhofsvorsteher Johann Strawe

Lesezeit 3 Minuten
Ralph Hühnermann, Hans Strawe, Jan Baucke und Astrid Junkersfeld (v.l.) zeigen Bilder und Schriften von Johann Strawe.

Ralph Hühnermann (l.) hat Hans Strawe (2.v.l.) überzeugt, den Nachlass seines Großvaters Johann Strawe an das Stadtarchiv zu übergeben. Leiter Jan Baucke (2.v.r.) und seine Mitarbeiterin Astrid Junkersfeld (r.) freuen sich.

Enkel Hans Strawe übergab Briefe, Fotos und Tagebuchaufzeichnungen seines Großvaters Johann Strawe, der treibenden Kraft der Kneipp-Bewegung seit den 1890er-Jahren.

Über einen spannenden Nachlass kann sich der Leiter des Stadtarchivs Hennef, Jan Baucke, freuen. Hans Strawe hat ihm sieben Archivkartons mit Fotos, Briefen und Tagebucheinträgen seines Großvaters Johann Strawe überlassen. Der war von 1901 bis 1914 Bahnhofsvorsteher in Hennef. Vor allem aber war er die treibende Kraft der Entstehung und Festigung der Kneipp-Bewegung in der Stadt.

Ralph Hühnermann hat bei seinen Recherchen zu einem Aufsatz für die im November erscheinenden „Beiträge zur Geschichte der Stadt Hennef“ unter anderem im Dachboden und Keller des Hauses stöbern dürfen, das Strawe 1912 erworben hat. Heute lebt dort sein Enkel. Hühnermann stieß auf zahlreiche Briefe und Dokumente, die in Bananenkisten lagerten. Sie ermöglichen tiefe Einblicke in das Leben des illustren königlichen Eisenbahnbeamten.

Johann Strawe trieb die Kneipp-Bewegung in Hennef an

Johann Strawe lebte von 1852 bis 1938. Seit den 1890er Jahren förderte er die Kneipp-Bewegung. Strawe hatte den Pfarrer Sebastian Kneipp 1894 persönlich kennengelernt. In den nachfolgenden Jahren gründete er zahlreiche Vereine im damaligen Siegkreis, 1904 in Hennef. 1910 initiierte er die Kurhausgenossenschaft „Kurhaus Seb. Kneipp zu Hennef-Geistingen“. Sie beschaffte die Mittel für den heute noch stehenden Bau, der 1912 eröffnet wurde.

Kurhausgäste auf einer Postkarte von 1912: Für den Kneipp-Effekt sorgte ein kalter Guss aus der Gießkanne.

Kurhausgäste auf einer Postkarte von 1912: Für den Kneipp-Effekt sorgte ein kalter Guss aus der Gießkanne.

Vieles ist über den Mann bekannt, auch sein Gesundheitshaus an der Bonner Straße. Dort bot er Anwendungen, Schriften und Produkte zu Naturheilverfahren an. Hühnermann stieß aber auch auf unbekannte Fakten. Denn Strawes Leidenschaft für dieses Thema brachte ihm Ärger mit der Ärzteschaft ein. Sie zwangen ihm zum Rücktritt aus dem Vorstand der Kurhausgenossenschaft.

Die königliche Eisenbahndirektion brachten sie dazu, Strawe aus Hennef zu verbannen und in einen kleinen hessischen Bahnhof, nach Langenselbold, zu versetzen. Die Familie litt darunter, der Beamte wurde krank und ließ sich vorzeitig pensionieren.

Kaum jemand kann noch die alte Schrift lesen, deshalb erklärte sich Hans Strawe bereit, den Nachlass dem Stadtarchiv zu übergeben. Baucke und seine Mitarbeiterin Astrid Junkersfeld werden die Unterlagen zunächst erfassen und verzeichnen. Für den Archivleiter ist das ein Glücksfall, beleuchtet der unerwartete Fund doch einen spannenden Teil der Stadtgeschichte. Er enthält auch Fotos des Kurbetriebs und des Gesundheitshauses Strawe.

Nachlass gewährt Einblicke in das Leben zu Anfang des 20. Jahrhunderts

Damit ist ein tieferer Einblick in das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen wirtschaftlichen Krisen möglich, dargestellt am Beispiel einer Familie mit neun Kindern. Der Nachlass gibt Aufschluss über die Biografien von Mädchen, ihre schulische Bildung, Berufswahl und Heirat. Eindrucksvoll ist die Geschichte der älteren Tochter Maria. Ihre Eltern setzten sich dafür ein, dass sie nach der Höheren Mädchenschule eine Ausbildung als Lehrerin erhielt und so unabhängig von einem Mann Geld verdienen konnte.

Johann Strawe bei der Arbeit als Bahnhofsvorsteher.

Johann Strawe bei der Arbeit als Bahnhofsvorsteher.

Erhalten sind rund 100 Feldpostkarten und Briefe der drei Söhne, ihrer Schwestern und Eltern aus dem Ersten Weltkrieg. In ihnen wird deutlich, wie eine Großfamilie das weltpolitische Ereignis verarbeitete. Erkennbar wird der anfängliche Wunsch des Vaters, dass der Nachwuchs die Ehre des Vaterlands verteidigt. Im Verlauf ist aber genauso das Bangen um die Kinder und eine Hoffnung auf ihre gesunde Rückkehr spürbar.

Das Stadtarchiv freut sich stets über Archivalien von Privaten und Firmen

Baucke, Strawe und Hühnermann sind überzeugt, dass es noch zahlreiche Firmen- oder Familiennachlässe gibt, die in Kellern oder Speichern ihrer Entdeckung harren. Sie sollten als Teil der Stadtgeschichte aber nicht verloren gehen. Jan Baucke ist erreichbar unter 02242/888 540 0der per E-Mail.