Opfer berichteten„Werde langsamer fahren“ – Crash-Kurs berührt Hennefer Berufsschüler

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Ein Gurtschlitten fährt nach unten, zwei Menschen werden im Augenblick des Aufpralls nach vorne geschoben.

Im Gurtschlitten konnten die jungen Leute erleben, wie sich ein Aufprall mit wenig als zehn Stundenkilometern anfühlt.

Nach einer Pause im vergangenen Jahr hat das Berufskolleg des Kreises in Hennef die Verkehrssicherheitstage wieder aufgenommen.

Noch gut eine Stunde nach dem Ende des Crash-Kurses, den die Kreispolizei in der  Aula des Carl-Reuther-Berufskolleg des Kreises durchgeführt hatte, standen etliche Schülerinnen und Schüler mit den Polizeihauptkommissarinnen Heike Jakob und Nadine Liboth zusammen. Sie bombardierten sie mit Fragen, ganz offensichtlich beeindruckt. 

Einsatzkräfte und Opfer berichteten von ihren Erlebnissen

Die Notärztin Magdalena Schäfer, Opfer Michael Müller, Bestatter Norbert Arz, Günter Hann von der Leitstelle der Polizei und Feuerwehrmann Marc Lorenzen aus Lohmar hatten in sehr persönlichen Berichten von Einsätzen und ihrer Arbeit berichtet. Arz etwa erreichte sie sehr direkt, als er vom klingelnden Handy in der Tasche eines toten Jugendlichen erzählte. Es war der Vater. Er legte einen Leichensack auf die Bühne und wandte sich an sein Publikum: „Den möchte ich nicht über Deinem Gesicht zumachen.“

Mir war nicht bewusst, dass so viel passieren kann.
Schüler Daniel Andres Vaca Fleischhacker

Einen, den er und die anderen Beteiligten sicher erreicht hatten, war Daniel Andres Vaca Fleischhacker: „Durch den Crash-Kurs werde ich langsamer fahren. Mit war gar nicht bewusst, dass so viel passieren kann.“ Ihn beschäftigten während der Veranstaltung Fragen, wie es wäre, wenn er schwer verletzt würde oder gelähmt bliebe. „Wie geht meine Familie damit um?“, daran blieb er hängen.

„Das hat mich emotional sehr berührt“, meinte er, „ich fahre jeden Tag mit dem Auto und habe immer Mitfahrer. Die vertrauen mir ihr Leben an. Ich werde auf jeden Fall vorsichtiger fahren.“ Jetzt will er nochmal überlegen, ob er den Motorradführerschein macht. „Vielleicht haben sie mir das Leben gerettet.“

Nach dem Crash-Kurs standen die Schülerinnen und Schüler noch lange mit Polizeibeamten im Gespräch zusammen.

Nach dem Crash-Kurs standen die Schülerinnen und Schüler noch lange mit Polizeibeamten im Gespräch zusammen.

Sein Kumpel Adrian Assaei kam ebenfalls ins Nachdenken: „Wir sind die nächste Generation, können vielleicht Polizist oder Bestatter werden. Die Versuchung ist groß, kleine Rennen zu fahren oder einfach schneller zu fahren.“ Die beiden spiegeln genau das wieder, was Polizeihauptkommissar Andreas Peters von der Verkehrsunfallprävention erreichen will: „Wenn wir nur einen erreichen können und damit einen schweren Unfall verhindern, haben wir viel gewonnen.“

Die 18- bis 24-Jährigen sind überproportional an Unfällen beteiligt

Bettina Rothe, Verbindungslehrerin für die Schülervertretung (SV), hatte die Organisation übernommen. Von der Polizei hatte sie interessante Fakten erfahren. Die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen machten acht Prozent der Bevölkerung aus, sind aber zu 20 Prozent an schweren Unfällen beteiligt. Die Besucherinnen und Besucher ihrer Schule fallen genau in diese Gruppe, viele sind Fahranfängerinnen und Fahranfänger.

Die Rauschbrille simuliert den Zustand bei einem Alkoholpegel von 0,8 Promille, eine Schülerin probiert einen Ball zu fangen.

Die Rauschbrille simuliert den Zustand bei einem Alkoholpegel von 0,8 Promille.

Das Programm für die beiden Verkehrssicherheitstage ist breit gefächert. Vor der Aula hatte die Verkehrswacht neben einem Informationsstand einen Motorrad-Simulator aufgebaut. Die jungen Menschen konnten sich ausprobieren und erlebten hautnah, wie schmal der Grat zwischen Durchkommen und einem schweren Unfall ist.

Ebenfalls im Atrium, ein paar Meter weiter, lag die so genannte Rauschbrille bereit. Wer sie aufsetzt, erlebt einen Zustand, der einem Blutalkoholpegel von 0,8 respektive 1,3 Promille entspricht. Die Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichsten Klassen waren überrascht, wie stark eingeschränkt die Bewegungskoordination ist. Sie balancierten über einen Parcours, versuchten sich Bälle zuzuwerfen.

In Videoaufnahmen waren die Phasen eines Aufpralls zu sehen

In der Bauhalle war der Gurtschlitten aufgebaut. Jeweils zwei Schüler und Schülerinnen konnten am eigenen Körper erleben, wie heftig ein Aufprall mit wenig mehr als zehn Stundenklometern ist. Im mitgeschnittenen Videofilm konnten sie die einzelnen Phasen erkennen: das Nachvorne-Schnellen im Augenblick des Crashs, der Verlust der Kontrolle über die Gliedmaßen, das kurze Schweben und das Wieder-Zurücksinken in den Sitz.

Vor allem lernten die jungen Leute aber, wie der Gurt richtig sitzt und wie der beste Abstand zum Steuerrad ist, um nicht vom explodierenden Airbag schwer verletzt zu werden. Etliche Klassen versäumten indes die vor der Halle stehende Station: den Überschlagsimulator. Nach einigen Durchgängen gab der Motor auf, zum Glück saß gerade niemand darin.

Ein Schüler sitzt am Steuer des Motorradsimulators..

Am Motorradsimulator konnten Schüler ausprobieren, wie sie bei hohen Geschwindigkeiten auf unterschiedliche Verkehrssituationen reagieren.

In verschiedenen Vorträgen ging es um so banale Dinge wie Verkehrsregeln oder das richtige Verhalten bei Unfällen. In einem anderen Raum saß ein Richter und informierte über Unfallfolgen, Dazu gab es Seh-, Hör- und Reaktionstest. Überrascht war Rothe vom hohen Interesse dr Schülerschaft. Etliche kamen spontan vorbei um mitzumachen, neben den vielen Klassen, die sich angemeldet hatten.

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