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RatssitzungUkrainischer Bürgermeister schildert in Hennef dramatische Zustände im Krieg

Lesezeit 4 Minuten
Eine Gruppe von Männern und Frauen steht auf einer Treppe vor einem Gebäude.

Gruppenfoto vor der gemeinsamen Ratssitzung in Meys Fabrik: Neben den Bürgermeistern von Nowy Dwór Gdański (Polen), Jacek Michalksi (4.v.l.) und Sarny, Ruslan Serpeninov (2.v.l.), war auch der Stadtrat der polnischen Partnerstadt dabei.

Eine Delegation der polnischen Partnerstadt Nowy Dwór Gdański war in Hennef zu Gast, aus Sarny in der Ukraine kam der Bürgermeister.

„Wir müssen Brücken bauen, wo andere wieder Mauern errichten wollen.“ Mit diesem Appell leitete Hennefs Bürgermeister Mario Dahm (SPD) am Freitag, 31. Mai, eine ganz besondere Ratssitzung ein, die der Hennefer Stadtrat gemeinsam mit Bürgermeister Jacek Michalksi und Ratsmitgliedern aus der polnischen Partnerstadt abhielt. Aus dem ukrainischen Sarny, der Schwestergemeinde von Nowy Dwór Gdański, war Bürgermeister Ruslan Serpeninov in die Meys Fabrik gekommen.

Die Städtepartnerschaft zwischen Hennef und Nowy Dwór Gdański besteht seit 2001, im Jahr 2024 sei sie enger denn je, schilderte Dahm. Es gebe tiefe freundschaftliche Beziehungen, auf privater wie auf politischer Ebene. Nicht selbstverständlich sei das und heute vielleicht wichtiger denn je, angesichts eines Europas, dessen Freiheit und Frieden sowohl von außen als auch von innen bedroht sei.

Die Bürgermeister unterzeichneten eine Freundschaftserklärung

Dahm warb dafür, am 9. Juni wählen zu gehen: „Nichts gefährdet unsere Demokratie mehr als Gleichgültigkeit!“ Die europäische Gemeinschaft müsse gestärkt, mehr Handlungsfähigkeit und Zusammenarbeit ermöglicht werden, so der Bürgermeister, „in Zukunft hoffentlich mit auch mit einer freien Ukraine“. Die gemeinsame Ratssitzung, an deren Ende die drei Bürgermeister eine gemeinsame Freundschaftserklärung unterzeichneten und sich ins Goldene Buch der Stadt eintrugen, sei ein kleiner, aber nicht unbedeutender Beitrag.

Ein man sitzt an einem Tisch und unterzeichnet ein Papier, hinter ihm stehen zwei weitere Männer im Anzug.

Sarnys Bürgermeister Ruslan Serpeninov unterzeichnet die Freundschaftserklärung. Auch Jacek Michalksi und Mario Dahm unterschrieben.

Was der Angriffskrieg aus seiner Stadt gemacht hat, schilderte Sarnys Bürgermeister nach einem Film, der die Verwüstung und Zerstörung der 65.000-Bewohner-Gemeinde durch russische Bomben zeigte. 150 Soldaten aus Sarny seien dem gnadenlosen Krieg bereits zum Opfer gefallen, sagte Serpeninov, 40 Prozent aller Männer seien in der Armee. Die Bevölkerung arbeite hart, um die Ökonomie dennoch weiterzubringen.

Auf die Frage von Alexander Hildebrandt (FDP) nach der Situation der Schulkinder informierte der ukrainische Bürgermeister, es gebe 32 Schulen und 17 Grundschulen. 13.000 Kinder würden unterrichtet, obwohl viele Lehrer eingezogen und einige auch getötet worden seien. „Aber generell funktioniert es noch.“ Mit Hochdruck baue man nun Bunker unter den Schulen, wo die Kinder sicher seien und sogar weiter unterrichtet werden könnten. Dafür seien zwei Millionen Euro investiert worden. 80 Prozent der Schulen seien mittlerweile so ausgestattet. Denn: „Man kann nie sagen, wann die nächsten Raketen einschlagen.“

„Wie können wir Sie in Ihrer Stadt unterstützen?“ SPD-Ratsherr Gerald Steinmetz stellte diese Frage nach den eindrücklichen Schilderungen vermutlich stellvertretend für das gesamte Plenum. Computer und technische Ausstattung für den Unterricht würden gebraucht, denn in Schulen, wo es noch keinen Bunker gebe, setze man auf digitalen Unterricht, berichtete Serpeninov. Und man benötige dringend einen Leichenwagen, um die Gefallenen zu transportieren und ehrenvoll beisetzen zu können.

In der ukrainischen Stadt Sarny gibt es nur noch 19 Feuerwehrleute

Welche Auswirkungen der Krieg auf das Leben und die Wirtschaft der Stadt hat, verdeutlichte auch der Austausch zu den Themen Klimaschutz und Energiewende sowie Ehrenamt.

Während Hennef mit Photovoltaik und Überlegungen zu Windkraft die ersten Schritte in Richtung erneuerbare Energien macht, ist die polnische Partnerstadt schon deutlich weiter: Drei Windkraftanlagen stehen schon, 70 sind im Bauplan verankert, der bereits veraltet sei: Deutlich größere Anlagen könnten nun gebaut werden. In Sarny, wo nach russischen Angriffen Generatoren den Strom erzeugen müssen, installierten zwar viele Privatleute Wärmepumpen und versuche man, mit Wasserkraft und Solar unabhängig zu werden, aber: Die Hälfte des Gemeindegebiets besteht aus Wald. Und so setze man weiter auf Holz und sogar Torf.

Menschen sitzen an hintereinander aufgestellten Tischreihen.

Der Hennefer Stadtrat und der Nowy Dwór nahmen an der gemeinsamen Ratssitzung teil.

Die Ratssitzung und der Besuch der Delegation mitsamt sei nicht möglich gewesen ohne das Engagement des Vereins für Europäische Städte-Partnerschaft mit seien Vorsitzenden Martina Quadt-Lubitz und Leszek Paszkiet, betonte Mario Dahm. „Ohne das große Engagement von Ehrenamtlern könnte man das hier nicht machen“, sagte auch sein Stellvertreter Thomas Wallau, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur, Ehrenamt und Städtepartnerschaften, mit Blick auf den fünftägigen Besuch der Delegationen. Der demografische Wandel aber stelle eine Herausforderung dar: weniger Kinder, weniger Arbeitskräfte, weniger Engagement im Ehrenamt, egal ob Feuerwehr oder Kirchenchor.

Freiwilligenarbeit in Sarny bestehe aus Unterstützung der Frontsoldaten, schilderte Bürgermeister Ruslan Serpeninov. Tarnnetze müssten genäht, Kerzen gegossen, Essen gekocht werden. Eine Freiwillige Feuerwehr gibt es in der ukrainischen Stadt – anders als in Hennef (250 Ehrenamtler) und in Nowy Dwór Gdański (100) – nicht. Nur noch 19 Mann sei die hauptamtliche Feuerwehr in Sarny mit seinen immerhin 35 Dörfern, großen Waldflächen und holzverarbeitenden Betrieben stark. „Gibt es keinen Einsatz, übernehmen sie den Ordnungsdienst, erledigen Friedhofsarbeiten und mähen Rasen“.

Benefizkonzert für die Menschen in Sarny am 2. Juni in Hennef

Des Verein für Europäische Städte-Partnerschaft hat für den Besuch der 32-köpfigen polnischen Delegation und der ukrainischen Vertreter ein umfangreiches Programm erarbeitet. So findet zugunsten von Sarny am Sonntag, 2. Juni, um 17 Uhr im Pädagogischen Zentrum des Städtischen Gymnasiums Hennef ein Benefizkonzert statt.

Mit dabei sind das Blasorchester Uckerath, das Vokalensemble der Musikschule Stadt Hennef, der Kinderchor der Musikschule, dasVokalstudio Marta Kozakiewicz und die Formation TangoMusen. Die Schirmherrschaft übernimmt Bürgermeister Mario Dahm, Ralf Rohrmoser-von Glasow moderiert.