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Trauer in HennefDr. Wilhelm Thiele war mehr als ein Kinderarzt, er war ein Visionär

Lesezeit 4 Minuten
Dr. Wilhelm Thiele war Kinderarzt in Hennef und Vorsitzender der Kinder- und Jugend-Stiftung Hennef. Er starb am 31. Januar 2025.

Dr. Wilhelm Thiele war Kinderarzt in Hennef und Vorsitzender der Kinder- und Jugend-Stiftung Hennef. Er starb am 31. Januar 2025.

Ein Vater startete nun eine Petition, damit Hennef eine Straße oder einen Platz nach ihm benennt.

Die Woge der Beileidsbekundungen reißt nicht ab. Vor der Praxis von Dr. Wilhelm Thiele in Hennef stehen auch mehr als eine Woche nach seinem Tod Hunderte brennender Kerzen, liegen unzählige Kinderzeichnungen und kleine Brieflein auf dem Boden. Der Tod des gleichermaßen bekannten wie beliebten Mediziners hat viele Menschen in der Stadt tief getroffen.

Was machte diese außergewöhnliche Persönlichkeit aus, der nie das Licht der Öffentlichkeit suchte und doch einen Bekanntheitsgrad erreichte, über den sich so mancher Politiker, so manche Politikerin freuen würde? Vielleicht war er noch vor dem Bürgermeister einer der bekanntesten Bewohner Hennefs, vergleichbar nur mit einem seiner Freunde, Ranga Yogeshwar.

Bescheidenheit war eine der herausragenden Eigenschaften

Bestimmt gehörte diese Bescheidenheit zu den herausragenden Eigenschaften Thieles, der nur 61 Jahre alt wurde. Er war Vorsitzender der Kinder- und Jugendstiftung Hennef, aber es drängte ihn nicht ans Mikrofon, wenn eine Rede gehalten werden musste. Seine Vorstandskolleginnen und -kollegen, insbesondere der Autor, mussten ihn regelrecht nach vorn schieben und ihm zureden, doch für alle zu sprechen.

Vor der Tür einer Praxis liegen unzählige Kinderzeichnungen und leuchten zahlreiche Kerzen.

Nach dem Bekanntwerden des Todes von Dr. Wilhelm Thiele stellten viele Menschen Kerze vor der Tür seiner Praxisräume auf, Kinder legten selbst gemalte Bilder dazu.

In wohl gesetzten Worten verstand er es dann regelmäßig, selbst im hochoffiziellen Setting, zu verbreiten, was ihn zudem auszeichnete - menschliche Wärme. Er sprach die Menschen, die ihm zuhörten, direkt an, drückte stets seine Dankbarkeit aus. Wenn einer den Leitsatz „Gib mehr, als du nimmst“ gelebt hat, dann war es Wilhelm Thiele.

Er war ein viel beschäftigter Mann, für seine kleinen Patientinnen und Patienten war er Tag und Nacht erreichbar. Spätestens um 7 Uhr brannte das Licht in seiner Praxis, meist war es um 23 Uhr noch nicht erloschen. Hausbesuche gehörten wie selbstverständlich dazu, auch am Wochenende. Thiele war ein exzellenter Diagnostiker, seine Therapievorschläge verfolgte er engmaschig, so manchem Kind hat er das Leben gerettet.

Vielen Kindern rettete Dr. Wilhelm Thiele das Leben

Andreas Müller-Goldkuhle ist so ein Vater, der ihm dankbar ist. Sein Sohn hatte eine Hirnhautentzündung, der Kinderarzt stellte schnell die Diagnose und schickte ihn sofort ins Krankenhaus. Er bat Müller-Goldkuhle, selbst mit dem Auto zu fahren, damit das Kind schneller ins Krankenhaus kam, hatte schon ein Bett und ein Behandlungsteam organisiert. Immer wieder hakte er nach, fragte, ob alles geklappt habe.

Wer einmal sein Patient oder seine Patientin war, dem half er auch jenseits des 18. Lebensjahrs. Er betreute Menschen, die nach schweren Unfällen im Koma lagen, ebnete mit Behandlungsvorschlägen den Weg zurück ins Leben. Er schrieb qualifizierte Gutachten für die Polizei, damit Anwärter ihre Ausbildung beginnen konnten, weil ihre Kinderkrankheiten komplett ausgeheilt waren.

Kein Kind darf vergessen werden
Dr. Wilhelm Thiele

„Kein Kind darf vergessen werden“, war Thieles Motto. Als Gründungsmitglied hob er 2005 die Kinder- und Jugendstiftung aus der Taufe. Mit scharfsinnigem Verstand analysierte er die Bedarfe, die es in einer Stadt wie Hennef gibt. Auf ihn geht das Frühförderprojekt „Frühdolin“ zurück.

Interdisziplinäre Teams arbeiteten mit Kindern in Kleingruppen., um Entwicklungsverzögerungen zu bearbeiten. Logo- und Motopäden sowie Ergotherapeuten beteiligten sich an dem Projekt. Ein wichtiger Aspekt für Thiele war es, dass Kinder ohne Stigmatisierungen leben konnten und deshalb so früh wie möglich eine Förderung einsetzen muss, bevor eine Einschränkung bleibt.

Das Frühförderprojekt „Frühdolin 2.0“ war und ist wichtiges Anliegen

Projekte zur Frühförderung wird die Stiftung jetzt im Sinne ihres Vorsitzenden neu aufsetzen, der im Jubiläumsjahr zum 20-jährigen Bestehen, trotz hoher Arbeitsbelastung, noch so viel vorhatte. „Frühdolin 2.0“ war dabei wohl sein wichtigstes Anliegen. Seine Analyse war genauso treffend wie präzise, auch nach 20 Jahren, was die Bedarfe von Kindern angeht. Statt Blumen, und das ist sicherlich in seinem Sinn, ruft die Familie zu Spenden für „seine“ Stiftung auf.

Seit einigen Tagen hat Martin Henschke eine Petition gestartet. Auch er ist Vater eines Kindes, das Thiele behandelt hat. „Dank seiner Hingabe und Professionalität haben wir heute ein gesundes Kind“, sagt er. Sein Anliegen ist es, dass eine Straße, ein Platz oder ein Spielplatz nach Thiele benannt wird, als ein Andenken, „seine Leistungen zu würdigen“. Binnen weniger Tage unterschrieben mehr als 5000 Menschen diese Petition. Die Stadt steht dem Ansinnen übrigens durchaus positiv gegenüber. Einen konkreten Vorschlag haben Familien schon gemacht: den Spielplatz am Friedrich-Ebert-Platz in der Nähe der Praxis.

Und noch eins zeichnete diese außergewöhnliche Persönlichkeit aus: sein Humor. Niemals verletzend, niemals unter der Gürtellinie, verstand er es, Witze zu erzählen, die auch große Runden zum Lachen brachten - und das nicht aus Höflichkeit. Auch das eine Eigenschaft, die Thiele im Übermaß besaß. Die Familie wird ihn im engeren Kreis zu Grabe tragen - in Hennef gibt es wohl keinen Friedhof, der alle Menschen gefasst hätte, die ihm gern das letzte Geleit gegeben hätten.