„Habe mich diskriminiert gefühlt“Gehbehinderter Junge (8) vom Hennefer Europalauf ausgeschlossen

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Der Cruiser von Lauri wurde vom Schnupperlauf beim Europalauf in Hennef disqualifiziert.

Der Cruiser von Lauri wurde vom Schnupperlauf beim Europalauf in Hennef disqualifiziert.

Noch vor der Startlinie wurde der Vater mit dem Cruiser, in dem sein Sohn saß, abgefangen. Das sagt der Veranstalter.

Es sollte ein sportlicher Familienausflug werden. Der Vater von Lauri, aus persönlichen Gründen will er seinen Namen nicht in der Zeitung sehen, hatte von Eltern aus dem Kindergarten seines Jüngsten vom Europalauf gehört und hatte sich für den Schnupperlauf gemeldet. Über die Homepage des Veranstalters, des Hennefer Turnvereins (HTV), hatte er sich informiert: „Ich habe mich eingeladen gefühlt, da mitzumachen.“

Denn dort wird die 1000-Meter-Strecke beworben mit Formulierungen wie: „Dabei sein ist alles.“, „Für die Kleinen zur Entdeckung der Freude am Laufen“, oder „Alle TeilnehmerInnen sind für uns SiegerInnen.“ In einer Bildergalerie entdeckte er Läuferpaare mit Gefährten zum Schieben. Auch wenn die Strecke als ‚nicht rollstuhlgeeignet‘ beschrieben wird, schreckte ihn das nicht ab, das sei im Alltag für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer auch nicht flächendeckend der Fall.

Lauri sollte in einem Anhänger sitzen, weil es so stark regnete

„Ich wollte so was schon immer mal machen, mit Lauri an einem Lauf teilnehmen.“ Der Achtjährige ist körperbehindert, eigentlich wollten sie im Rollstuhl antreten. Aber es regnete zu kräftig, deshalb packte der Vater seinen Sohn in einen sogenannten Cruiser, in dem Fall der Firma Croozer, weil der einen vollständigen Regenschutz bietet. Das ist ein Fahrradanhänger mit Schiebe-Joggingfunktion.

„Es ging ganz langsam los, wir haben uns weiter hinten eigeordnet, einen anderen Kinderwagen habe ich weiter vorne gesehen“, erinnert er sich an die Startsituation. Kurz vor dem Start gab es zwar eine Durchsage, dass Kinderwagen disqualifiziert würden, er fühlte sich dadurch aber nicht angesprochen. In den Teilnahmebedingungen, die er studiert hatte, ist davon auch keine Rede. 

Wir standen quasi im Regen und sind unverrichteter Dinge abgezogen.
Lauris Vater

Quasi auf der Startlinie holte ihn dann der Organisationsleiter Wilfried Schmidt aus dem Feld. Er sei disqualifiziert und könne nicht mitlaufen. Es ging um den Cruiser. „Wir standen quasi im Regen und sind unverrichteter Dinge abgezogen. Da habe ich mich wirklich diskriminiert gefühlt.“

Veranstaltungsleiter Schmidt erinnert sich an das Geschehen.„ Wir hatten im vergangenen Jahr einen Unfall“, sagte er auf Anfrage dieser Zeitung, „da ist ein solches Gefährt umgekippt und ein Läufer ist gestürzt. Er hat sich verletzt. Das habe ich dem Herrn auch erklärt.“ Im Anschluss daran hat er sich mit seinem etwa zehnköpfigen Team zusammengesetzt.

Zahlreiche Läufer starteten beim 18. Hennefer Europalauf.

Der 18. Hennefer Europalauf zog 1603 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an.

„Wir haben uns deshalb dafür entschieden, kategorisch Begleitfahrzeuge egal welcher Art, ob Fahrräder oder Anhänger, auszuschließen.“ Dieses Vorgehen habe er mit der Aufsicht des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) abgestimmt. In der konkreten Situation ist dann der Organisationsleiter verantwortlich. „Unser Gremium entscheidet, das kann im nächsten Jahr anders aussehen“, so Schmidt.

Die Beteiligung aller liege dem Verein durchaus am Herzen. „Der HTV hat sogar einen Inklusionsbeauftragten“, betonte er. „Das tut mir leid für das Kind.“ Aber er könne nicht allein Beschlüsse aufheben und Ausnahmen erteilen. Auf den anderen Kinderwagen angesprochen, stellte er klar: „Die DLV-Aufsicht hat den aus dem Rennen genommen, ist mir berichtet worden.“

Lauris Vater geht es nicht darum, den Europalauf schlecht zu reden. Er hält ihn ganz im Gegenteil für ein tolles Angebot. „Es geht darum, Dinge besser zu machen. So etwas wie mit den Cruisern sollte von Anfang an mitgedacht werden. Wenn es Engstellen gibt, müssen die umgangen werden. Was ich gesehen habe, war da Platz ohne Ende.“

Ihn hat nachhaltig beschäftigt, dass ihm aktiv die Teilnahme versagt worden ist. In anderen Städten sei das anders. Beim Köln-Marathon etwa gebe es eine eigene, inklusive Staffel. Beim „Wings for life worldrun“ hat er mit Lauri selbst schon mitgemacht. „Das beim Europalauf wirkt völlig aus der Zeit gefallen“, kritisiert er.

Der Hennefer Europalauf soll so inklusiv wie möglich sein

Stadtpressesprecher Dominique Müller-Grote hat die Szene ebenfalls beobachtet, aber nur am Rande. In den Teilnahmebedingungen hat er das Verbot übrigens auch nicht gefunden. Er macht deutlich: „Wir als Stadt wollen, dass der Europalauf so inklusiv wie möglich ist.“ Als er noch Mitorganisator war, hat er die Idee einer eigenen Rollstuhlstrecke aufgebracht, die sich aber bislang nicht realisieren ließ. 

Einer war am Ende sehr zufrieden. Der sechs Jahre alte Janne, Lauris Bruder, ist die 1000 Meter gelaufen. Er hat sich gefreut. Und Lauri hat die Medaille ebenfalls bekommen. Wer weiß – Schmidt hat es nicht ausgeschlossen – wird im kommenden Jahr ja auch für ihn eine Teilnahme ermöglicht.

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