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Kabarettist Brüske im Interview„Humor ist ein Stück Freiheit, das bleibt“

Lesezeit 5 Minuten

Interview mit Sicherheitsabstand: Christoph Brüske im Gespräch mit Redakteurin Annette Schroeder am anderen Ende der Bank.

  1. Wie bewahrt man sich gute Laune in der Coronakrise?
  2. Der Niederkasseler Kabarettist Christoph Brüske hat ein ganz eigenes Rezept.
  3. Er sagt: „Humor ist ein Stück Freiheit, das bleibt“. Lesen Sie jetzt das ganze Interview.

„Ich schau mal kurz in meinem Tourkalender: Heute habe ich frei“, schreibt Christoph Brüske auf die aktuelle Interview-Anfrage. Der Humor geht dem Kabarettisten aus Niederkassel auch in der Krise nicht aus. Darüber sprach er mit Annette Schroeder.

Haben Sie heute morgen schon ein komisches Erlebnis gehabt?

Brüske: Das komischste Potenzial hatte heute für mich der Blick in den Badezimmerspiegel. Durch die Schließung der Friseursalons kann ich meine Haare nicht mehr färben lassen. Ich sehe, wie das Grau und Weiß raus kommt und wie ich nach und nach zu einem dicken Guido Cantz mutiere. Das Coronavirus, so viel Unheil es auch über die Menschen bringt, fördert auch die Wahrheit zutage. In meinem Fall, dass ich 54 bin und mich nun zu meinem Alter bekennen und nicht mehr schummeln sollte. Aber insgesamt verschiebt sich das Koordinatensystem von Komik und Kabarett komplett.

Wie meinen Sie das?

Noch vor ein paar Wochen habe ich die Aufregung um den WDR-Kinderchor und die alte Umweltsau thematisiert. Heute kann sich da doch kein Mensch mehr dran erinnern. Oder die Frage, wer neuer CDU-Vorsitzender wird? Völlig egal im Moment. Wir erleben eher gerade wieder, wie besonnen unsere Kanzlerin in diesen Tagen reagiert und wünschen Frau Merkel alles Gute in ihrer Quarantäne.

Krise und Komik, passt das zusammen?

Ganz bestimmt nicht für alle. Dafür sind die Sorgen der meisten Menschen um die Sicherung ihrer Existenz zu groß. Aber wir kennen das Sprichwort: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Humor ist ein Stück Freiheit, das bleibt, wenn andere Freiheitsrechte beschnitten wurden. Wir gönnen uns den Luxus, die Dinge aus einer gewissen Distanz zu betrachten und über das ein oder andere zu schmunzeln. Das ist auch eine Strategie der Krisenbewältigung. Und nebenbei stärkt es das Immunsystem.

In den sozialen Medien werden massenweise Fotos und Filmchen über das vergriffene Klopapier gepostet. Droht uns jetzt als nächstes eine Corona-Witze-Epidemie, wie ein Kollege von Ihnen vor kurzem meinte?

Wie jeder Witz irgendwann madig wurde, etwa über Ostfriesen, Blondinen und Viagra, wird auch der inflationäre Gebrauch von Klopapier-Metaphern auslaufen. Solange wir aber noch den Zustand haben, dass Menschen vor einem Supermarkt schon um viertel vor sechs morgens Schlange stehen, sind diese Witze noch aktuell.

Ist der Alltag per se eine Fundgrube?

Ja klar. Da sieht man, wie sich unsere Gesellschaft in der Krise abbildet. Wir haben viele Hilfsinitiativen, es zeigt sich viel Positives. Das betrifft die absolute Mehrheit. Aber es gibt auch Menschen, die jetzt zu Hilfspolizisten werden. Kleines Beispiel dazu: Gestern hielten sich Leute in einem Geschäft in Niederkassel auf. Jemand hat das anonym der Polizei gemeldet. Es stellte sich dann heraus, dass es Mitarbeiter waren, die Waren verräumen mussten. Ich warte nur noch darauf, dass dieser Typus des Denunzianten hier am Rhein Hochsitze baut, um schneller petzen zu können.

Christoph Brüske

Christoph Brüske wurde 1965 in Troisdorf geboren und wuchs in Niederkassel auf. In Köln studierte er Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, er absolvierte Ausbildungen als Sprecher und Sänger. Er wirkte in diversen Bands und Theaterprojekten der freien Szene mit, arbeitete als Moderator und Autor. Ab 1995 war er vier Jahre Mitglied beim Improvisationstheater Springmaus in Bonn. 1997 kam sein erstes Soloprogramm „Kassensturz“ in der Comedia Colonia heraus. 2014 rief Brüske den Niederkasseler Kabarettpreis ins Leben. (as)

Das ist dieselbe Gruppe, die auch Falschparker notiert. Da halte ich es mit Hoffmann von Fallersleben: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“ Ich selbst habe eine 19-jährige Tochter, die große Probleme mit der Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit hat. Soll ich die etwa der Polizei melden?

Können Sie sich vorstellen, so etwas in ein Kabarettprogramm einzubauen?

Im Moment ist eine solch ungeheure Dynamik im Gange: Das, was ich gestern geschrieben habe, ist morgen schon überholt. Ich unterscheide ohnehin zwischen Tagesaktualität und Themen, die bleiben. Etwa die schlechte Bezahlung des Pflegepersonals, die dringend geändert werden muss – das zeigt sich in dieser Krise drastisch. Oder die Globalisierung: Acht Millionen Schutzmasken, die für Deutschland bestimmt waren, gehen in Kenia verloren. In Kenia!

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Das kommt davon, wenn man für geringe Lohnkosten und viel Rendite in ärmeren Ländern produzieren lässt. So oder so kommt jetzt mein gesamtes Repertoire auf den Prüfstand. Ähnlich ist es mir übrigens schon einmal vor neun Jahren mit meinem Programm „Energie“ gegangen. Damals vollzog Angela Merkel eine 180-Grad-Wendung in der Atomenergie. Ich konnte das Programm zu 90 Prozent in die Tonne treten und neu schreiben. Und was soll ich sagen – danach wurde das Programm erst richtig gut.

Wo kommt Satire an ihre Grenzen?

Das ist eine Frage der Ethik. Ein Politiker wie Markus Söder mit seinem Profilierungsdrang und diesem „Hallo, ich bin Erster“-Gestus eignet sich natürlich hervorragend, kabarettistisch beleuchtet zu werden. Sollte er morgen aber Corona-positiv getestet werden, verbietet sich das. Bei Friedrich Merz aktuell sowieso, dem man einfach nur gute Besserung wünschen kann.

Wie kommen Sie persönlich durch die Krise?

Ich habe keine Angst, das ist mein Mantra. Ich habe eine gute Saison hinter mir, meine aktuellen Soloprogramme „In bekloppten Zeiten“ und „Willkommen in der Rettungsgasse“, die von den Titeln her immer noch gültig sind, sind erfolgreich gelaufen. Klar sehne ich mich als Unterhaltungsfachkraft nach der Bühne und meinem Publikum. Aber es gibt keinen Grund zu jammern. Andere sind mehr betroffen. Und denen sollten wir jetzt gemeinsam unter die Arme greifen. Mit zwei Metern Abstand natürlich.