BundestagswahlWie kann die Wohnungsnot im Kreis behoben werden?
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Rhein-Sieg-Kreis – Die Fragen
Immer weniger Menschen finden – gerade in Ballungszentren – eine bezahlbare Wohnung. Wie kann dem entgegengewirkt werden?
In kleinen Dörfern, oft mit hohem Anteil älterer Menschen, fehlt es hingegen an Ärzten und Geschäften des täglichen Bedarfs. Über ehrenamtliche Arbeit wird manches bewegt. Sind Bürgerbusse und Dorfzentren die Lösung?
Wird die Bedeutung des Ehrenamtes weiter zunehmen, weil der Staat nicht alles bezahlen kann? Und führt das nicht zu negativen Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt?
Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU
1. Die CDU wird die Wohnraumoffensive fortführen und bis 2025 mehr als 1,5 Millionen neue Wohnungen schaffen. In der laufenden Wahlperiode hat der Bund den sozialen Wohnungsbau mit mehr als fünf Milliarden Euro gefördert; dafür wurde sogar das Grundgesetz geändert. Außerdem wurde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen reduziert. Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz sind für die Kommunen viele Instrumente zur Erleichterung für Ausweisung von Bauland und Wohnraum geschaffen. Das muss jetzt genutzt werden.
2. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und ländlicher Region muss weiter gefördert werden. Dazu brauchen wir die flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Netzen, ein gutes Kita- und Bildungsangebot und Anschluss an die überregionalen Zentren.Gerade der Corona-Lockdown hat gezeigt, welchen Wert Natur und Freiraum haben. So wird das Land auch für junge Menschen und Familien attraktiv, einschließlich ÄrztInnen und ihren Praxen.
Die Landesregierung NRW ist mit einer Landarztquote im Medizinstudium neue Wege gegangen. Solche gezielten Stärkungen der Daseinsvorsorge müssen wir weiter einsetzen. Wichtig ist auch der Erhalt der Apotheken vor Ort, die präsente Beratung und Versorgung in vielen Notfällen sichern.
3. Ehrenamtlich Tätige leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den Zusammenhalt in unserem Land, den der Staat so gar nicht leisten könnte. Und er muss nach meinem Verständnis auch nicht sämtliche Aufgaben an sich ziehen; vielmehr zeigt sich im gesellschaftlichen Engagement auch die Stärke einer freiheitlichen und werteorientierten Bürgergesellschaft.
Es ist erfreulich, dass die Zahl der Engagierten steigt; noch mehr junge Leute, noch mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte wären dabei besonders bereichernd. Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sehe ich nicht.
Sebastian Hartmann, SPD
1. Klar ist: Wir müssen mehr preisgünstigen Wohnraum schaffen, die Kommunen dabei aber auch stärker unterstützen. Denn Wohnen ist die soziale Frage des Jahrzehntes. Das gilt ganz besonders für den Rhein-Sieg-Kreis, der stark gewachsen ist und weiterwächst.
Für bezahlbaren Wohnraum hat die SPD einen rechtssicheren Mietspiegel und mehr Schutz vor Mieterhöhungen nach Modernisierungen durchgesetzt. Wir haben erreicht, dass der Bund für den Bau von 100 000 preisgünstigen Sozialwohnungen über fünf Milliarden Euro bereitstellt. Das müssen und wollen wir weiter vorantreiben. Mit einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit werden wir für faire Mieten und Mitbestimmung sorgen und Spekulation vermeiden. Damit Kommunen Flächen überhaupt kaufen und bebauen können, brauchen wir außerdem Bodenfonds unter Einbeziehung bundeseigener Grundstücke.
2. Die Dörfer sind die Reserve des Rhein-Sieg-Kreises und die große Chance für den Metropolraum Köln-Bonn-Rhein-Sieg. Hier existieren noch entsprechende Immobilien, die wir nur richtig nutzen müssen. Ich begrüße Projekte wie „Jung kauft Alt“: Wir brauchen eine Mischung mit jungen Familien, die zum Beispiel unsere soziale Infrastruktur von der Kita bis zur Schule auslasten. Auch mit digitalen Bestellmöglichkeiten können wir Dorfzentren stärker fördern und attraktiver machen.
Bürgerbusse sind eine Ergänzung zum benötigten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Wir haben im Rhein-Sieg-Kreis bestimmte Regionen, die nicht von der Schiene erschlossen werden können. Hier sollten tarifgebundene Unternehmen ausgewählt werden und bei Subunternehmen sichergestellt sein, dass auch sie nach Tarif bezahlen. Ich bin froh, dass wir verschiedene erfolgreiche und leistungsfähige Anbieter in der kommunalen Landschaft haben.
3. Das Ehrenamt hält das Land zusammen und ist eine zentrale Ergänzung in diesem System.
Ralph Lorenz, FDP
1. Vor allem endlich die Erteilung von Baugenehmigungen beschleunigen, gerade in Köln ist das ein erhebliches Problem! Weiterhin, wo möglich, Bauland ausweisen, denn Kapital zum Bauen ist genügend vorhanden. Schließlich muss man sehen, dass in ländlichen Gemeinden oft erheblicher Leerstand herrscht, es ist nicht Aufgabe des Staates, jedem eine preiswerte Wohnung in Innenstadtlage zuzuweisen, während entlang der Sieg viele Wohnungen und Häuser zum Verkauf stehen.
Eines ist auch sicher: Staatliche Mietendeckel oder gar Mietpreisbremsen, wie von einigen gefordert, schaffen keine einzige zusätzliche Wohnung! Der Staat ist nachgewiesenermaßen der schlechtere Unternehmer, gerade im Immobilienbereich gibt es leider genügend abschreckende Beispiele.
2. Der Staat soll sich vor allem um eine leistungsfähige Infrastruktur kümmern, wie zum Beispiel flächendeckendes Glasfasernetz. Die individuelle Mobilität darf nicht weiter eingeschränkt und verteuert werden. Ich glaube, Dörfer und der ländliche Raum könnten eine Renaissance erleben, wenn Menschen von überall gut arbeiten könnten, zum Beispiel im Homeoffice. Dann wächst automatisch die Nachfrage im ländlichen Raum, denn der ist noch bezahlbar, und dann werden dort auch wieder Geschäfte und neue Serviceleistungen entstehen.
Künftiges Autonomes Fahren wird eine höhere individuelle Mobilität und bessere Anbindung ermöglichen, auch für die ältere Generation. Wir müssen heute an Morgen denken, sonst sind wir künftig immer noch im Vorgestern.
3. Ehrenamt ist gesellschaftliches Engagement und stärkt den Zusammenhalt. Auch Kommunalpolitik ist Ehrenamt, bei dem sich viele Tausend Menschen ehrenamtlich um die Belange ihrer Heimat kümmern. Es gibt heute sowohl Hauptberufliche als auch freiwillige, ehrenamtliche Feuerwehren, die sich hervorragend ergänzen. Ohne das Ehrenamt würde vieles in unserem Staat nicht funktionieren. Mit der Ehrenamtskarte wird heute in vielen Städten und Kommunen bereits dieses Engagement gewürdigt.
Lisa Anschütz, Grüne
1. Es gibt fast keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, das ist ein großes Problem. Dazu muss gebaut werden, aber mit möglichst wenig Flächenversiegelung und mit nachhaltigen Baustoffen wie Holz, außerdem sollten Dächer begrünt oder mit Fotovoltaik versehen sein.
2. Dorfzentren sind hoffentlich der Start eines neuen Weges, der wieder zu einer Verkürzung der Fahrwege des Einzelnen führt; führen muss, um nicht mehr so viele Ressourcen zu benötigen; deshalb sollten die Produkte aus der Region kommen und in der Region möglichst erntefrisch verkauft werden. Bürgerbusse sollten nur dort fahren, wo es keine Chance auf eine reguläre Busverbindung gibt. Ein Busfahrer, eine Busfahrerin, die ein Gehalt erhalten, von dem sie leben können, sind so lange die beste Lösung, solange es nicht ein wie auch immer ausgestaltetes bedingungsloses Grundeinkommen gibt.
3. Vermutlich wird die Bedeutung des Ehrenamts weiter wachsen. Das wird zu Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt führen und zu einer wachsenden Unzufriedenheit mit den Verwaltungen, die nicht angemessen für die Allgemeinheit arbeiten.
Alexander Soranto Neu, Linke
1. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt wird immer dramatischer. Über elf Millionen Menschen sind durch Wohnkosten überlastet, was bedeutet, dass ihnen aufgrund der hohen Mieten das Geld in anderen Bereichen des täglichen Lebens fehlt. Es gibt kaum noch sozialen Wohnungsbau.
Das muss sich dringend ändern. Dafür müssen Mieten bundesweit mit harten Obergrenzen gedeckelt werden, Wohnungen müssen zurück in öffentliches Eigentum gebracht werden, der soziale Wohnungsbau muss gefördert und die Immobilienwirtschaft gemeinnützig gemacht werden.
2. Auch in ländlichen Regionen und in Pflegeheimen müssen Menschen Zugang zu öffentlicher Verwaltung, Einzelhandel und Versorgungseinrichtungen haben. Der öffentliche Nahverkehr, Rufbusse und mobile Versorgungsangebote sollten daher ausgebaut werden. Zudem sind schnelles Internet und Hardware für digitale Teilhabe eine Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben im Alter und müssen öffentlich gefördert und altersgerecht ausgebaut werden.
Der Wahlkreis 97
Der Wahlkreis 97 umfasst folgende Kommunen: Eitorf, Hennef, Lohmar, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Ruppichteroth, Siegburg, Troisdorf, Windeck.
Auf dieser Seite stellen wir die Direktkandidatinnen und -kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien vor: Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) aus Siegburg, Sebastian Hartmann (SPD) aus Bornheim, Ralph Lorenz (FDP) aus Windeck, Lisa Anschütz (Grüne) aus Windeck und Alexander Soranto Neu (Linke) aus Köln. Als Direktkandidat tritt auch Hans Günter Eifler ((AfD) aus Königswinter an. Die Fragen der Redaktion ließ er unbeantwortet.
Weitere Direktkandidaten sind Andreas Langel (Die Partei) aus Eitorf, Andreas Irion (Freie Wähler) aus Siegburg, Ellen Hölzer (Die Basis) aus Niederkassel, Christian Sontag (Volt) aus Troisdorf, Helmut Fleck (Volksabstimmung) aus Siegburg.
Zudem möchte Die Linke Mobilitätsgarantie für den ländlichen Raum, das heißt eine Anbindung der Gemeinden untereinander und zum nächsten städtischen Zentrum mindestens im Stundentakt von 6 bis 22 Uhr. Dabei können Angebote wie Bürgerbusse oder Anrufsammeltaxis sowie moderne Flächenrufbussysteme und auch Taxen einbezogen werden oder die Grundversorgung ergänzen.
3. Ehrenämter sind wichtig für unsere Gesellschaft, dürfen aber nicht als Ersatz öffentlicher Aufgaben in der Daseinsvorsorge missbraucht werden. Dies bedeutet, dass Ehrenämter auch weiterhin ihren freiwilligen Charakter behalten müssen. Sie dürfen weder sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ersetzen oder verhindern noch als billige Arbeitskräfte zweckentfremdet werden.
Um diesen Missbrauch zu verhindern, muss der Arbeitsmarkt reformiert werden, sodass alle erwerbstätigen Menschen gut und sicher von ihrer Arbeit leben können. Dazu gehört zum Beispiel ein Mindestlohn von 13 Euro oder ein Zurückdrängen von Befristungen.