AboAbonnieren

Kunsthaus SeelscheidSondermeier schießt Pfeile gegen kölsche Selbstbesoffenheit

Lesezeit 2 Minuten
2019_05_04_Sondermeier

Burkard Sondermeier, hier während einer früheren Lesung im Kunsthaus Seelscheid

Neunkirchen-Seelscheid – Über die „Klümpche“, die im Karnevalszug angeflogen kommen, freuten sich früher die Pänz. Inzwischen ist das närrische Volk verwöhnt. Kaum jemand bückt sich noch nach den klebrigen Bonbons, meint Burkard Sondermeier. Weshalb der Impresario des Kunsthauses Seelscheid „Ming Kamell“ rührende Verse widmet. Nachzulesen in seinem neuen Büchlein „Fluxus“, in dem der Autor und Vortragskünstler – wie schon im Vorgängerband „Splitter“ – Chansons, Gedichte, Verzällcher und Querellchen zu einem heiteren Sammelsurium bündelt.

Als „Beim Rös“ noch der Nabel der Ehrenfelder Welt war

„Fluxus“ – der Titel führt den Leser freilich auf eine falsche Fährte. Haben doch die Beiträge nichts mit der Avantgarde-Kunst der 1960er gemeinsam, mit Fettecken, Schimmelkunst und Klavier-Zertrümmerung – letztere wohl undenkbar für den Flügel-Besitzer und Hüter alter Schätzchen an der Bergstraße. Vielmehr taucht der gebürtige Kölner mit Behagen erneut in die Vergangenheit, in der die Wirtschaft „Beim Rös“ noch Nabel der Ehrenfelder Welt war.

Das könnte Sie auch interessieren:

Doch bevor das Gemüthafte ins Sentimentale kippt, spitzt Sondermeier seine Pfeile, die sich zum Beispiel gegen kölsche Selbstbesoffenheit richten: „Hä woren selvs die Nazis brav, un wenn nit, dann waren die nicht von hier!“ Köln und die Kirche bieten reichlich satirische Reibungsflächen. Nur einmal verliert der Autor seine erzählerische Contenance, was verrät, wie sehr der eingefleischte kölsche Katholik an den „Kirchenfürsten“ leidet.

Der Radiergummi bleibt ihm altmodisches „Zaubermittel“ beim Schreiben von Melodien und Arrangements. Notenblätter allerdings hat die jüngere Generation durch digitale Tools ersetzt. Was dem Nostalgiker ein beredtes Lamento über „fahrige Fingerübungen“ auf „gläsernen Grabplatten“ entlockt. „Was für ein Jahrhundert!“

Das vergangene liegt dem Autor spürbar näher; so übersetzt er für seine Programme immer wieder vergessene Dichtungen wie den „Karneval“ des Belgiers Michel De Ghelderode. Oder regt zu Nachforschungen an, etwa über den deutschen Revolutionär Carl Schurz (1829-1906), der Neunkirchen einst mit seinem Besuch beehrte.

Texte und Chansons aus „Fluxus“ (120 Seiten, 15 Euro) trägt Burkard Sondermeier am Sonntag, 29. August, um 17 Uhr im Kunsthaus Seelscheid vor. Dort ist auch eine CD zu erwerben, die der Autor mir ausgewählten Texten bespielt hat (zehn Euro). Kartenbestellung unter 02247/69636 oder per E-Mail – info@kunsthaus-seelscheid.de