Eine 84-Jährige behielt im Telefonat mit Trickbetrügern die Nerven. Das Opfer und der falsche Polizist trafen sich vor dem Schöffengericht wieder.
Vor GerichtWie eine alte Dame aus Much half, einen falschen Polizisten zu überführen
Die alte Dame mit den grauen Löcken manövrierte ihren Rollator behände durch den Gerichtssaal. Sichtlich aufgeregt, aber fröhlich: Hatte sie doch geholfen, im Mai an ihrer Haustür den Angeklagten zu überführen. „Mir haben die Hände noch Tage später gezittert“, schilderte die 84-Jährige aus Much im Zeugenstand.
Eine ausführliche Aussage blieb der Renterin erspart. Der 31-Jährige, der als falscher Polizisten die Ersparnisse der Rentnerin in Höhe von rund 9000 Euro abholen wollte, legte in der Hauptverhandlung ein Geständnis ab. Seit dem 17. Mai, also mehr als ein halbes Jahr, saß er in Untersuchungshaft, wurde mit Fußfesseln vors Schöffengericht geführt.
Bande operiert aus der Türkei heraus und rief Seniorin aus Much gezielt an
Laut Anklage soll er als Teil einer Bande fungiert haben. Diese operiert aus der Türkei heraus und ruft ältere Leute gezielt an, um Beute zu machen. In den in akzentfreiem Deutsch geführten Gesprächen werde hoher Druck aufgebaut und die Opfer in solche Angst versetzt, dass sie Bargeld oder auch Schmuck an vermeintlich vertrauenswürdige Personen übergeben. Dabei geben sich die Betrüger meist als Polizeibeamte aus.
Der Seniorin war am Telefon weisgemacht worden, dass die Fahnder bei einem Mitglied einer Diebesbande ihre Kontoauszüge gefunden hätten, ihr Name und ihre Adresse stünden außerdem auf einer Liste von ausgekundschafteten Opfern. Auch Bankangestellte gehörten zum kriminellen Netzwerk.
Das Kommissariat schicke einen Kollegen vorbei, um ihre Barschaft zu sichern. „Ich habe das tatsächlich geglaubt“, so die Mucherin kopfschüttelnd, „obwohl ich doch schon tausendmal vorher von diesen Maschen gehört hatte.“
Viele Geschädigte würden sich schämen, zwei von drei Opfern den Betrug nicht anzeigen, erklärte der Vorsitzende Richter Ulrich Wilbrand. „Sie aber“, sagte er zu der 84-Jährigen, „haben alles richtig gemacht.“ Die Mucherin hatte zwar die verlangten 9250 Euro bei der Kreissparkasse abholen wollen, ihre Bankberaterin das aber verhindert und die Polizei verständigt.
Die Beamten begleiteten die alte Dame nach Hause, warteten auf der Essbank auf den angekündigten Anruf der Betrüger. Am Telefon sei sie ganz ruhig gewesen und zum Schein auf die Geldübergabe eingegangen, schilderte das Opfer: „Die Kommissare streckten die Daumen hoch.“ Kurze Zeit später klingelte es an der Tür.
Angeklagter griff in Much einen Polizisten an
Als der Angeklagte die Polizisten sah, wollte er fliehen. Er griff einen Beamten an und verletzte diesen leicht, leistete zudem Widerstand gegen seine Festnahme und wurde mit Hilfe weiterer Einsatzkräfte überwältigt. Die Ermittler stellten einen gefälschten slowakischen Personalausweis und einen slowakischen Führerschein bei ihm sicher.
Die Papiere habe er von einem Schlepper bekommen, sagte der türkische Staatsangehörige, der kein Wort Deutsch spricht und nach seinen Angaben erst im März illegal eingereist war. In Köln wohnte er bei einem Bekannten, der ihn nach Much gefahren hatte und den er namentlich benannte.
Angeblich soll er für seinen Auftrag kein Geld erhalten haben, „es war ein Freundschaftsdienst“, sagte der Eitorfer Strafverteidiger Michael Diwo. Zwei weitere Anwälte aus Köln und Düsseldorf saßen ihm zur Seite, einer davon Spezialist für Asylverfahren. Ein solches strebt der Angeklagte an, ein verheirateter, bislang nicht vorbestrafter Bauarbeiter, der kürzlich Vater geworden ist und dem Gericht ein Foto von seinem Sohn zeigte, geboren, als er hinter Gittern saß.- Das Baby hat er noch nie im Arm gehabt.
„Wir sind interessiert daran, dass Sie ihr Kind sehen und für Ihre Familie sorgen“, betonte Richter Wilbrand. Er folgte mit seinem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft und verhängte eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Dass der Angeklagte Mitglied einer Bande war, konnte ihm nicht nachgewiesen werden.
Nach eigenen Angaben habe er nicht gewusst, was er dort tat. Am Ende bat er die 84-Jährige mehrfach um Entschuldigung. Das zumindest wirkte glaubhaft.