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„Synagoge anzünden“Ex-Bürgermeister-Kandidat in Wesseling sorgt mit Post für Entrüstung

Lesezeit 4 Minuten
Grünen-Politiker Elmar Gillet blickt aus einem Fenster.

Elmar Gillet ist wegen einer unbedachten Äußerung in die Kritik geraten.

Auf Facebook unterstellte Elmar Gillet einem Kritiker, er würde auch Synagogen anzünden. Der hatte sich zuvor darüber beklagt, dass die Wahlplakate des Grünen-Politikers nach dessen gescheiterter Kandidatur nicht abgenommen worden waren.

Seit knapp einem Monat ist Ralph Manzke (SPD) als Bürgermeister im Amt – und doch reichen unschöne Begleiterscheinungen des zurückliegenden Wahlkampfs in die besinnliche Adventszeit herein. Mehrere Fraktionen im Kreistag kritisieren die Wortwahl des Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Kreistag, Elmar Gillet.

Er war als Bürgermeisterkandidat der Grünen angetreten und hatte einem Kritiker in einer Wesselinger Facebook-Gruppe entgegnet: „Echt? Was für ein armseliger Charakter sind Sie? Sie würden Sie auch Synagogen anzünden!“ Wobei mit dem zweiten „Sie“ vermutlich „sicher“ gemeint war.

Wesselinger war von Gillets Konterfei auf den Wahlplakaten genervt

Ausgangspunkt war eine Äußerung des Facebook-Mitglieds „Rafaelo Aprilia“, nachdem Gillet im ersten Wahlgang Ende Oktober gegenüber Manzke und Olaf Krah (CDU) das Nachsehen gehabt hatte und bei der Stichwahl 14 Tage darauf nicht mehr antreten durfte. Aprilia, der mit bürgerlichem Namen Ralf Metternich heißt, hatte gepostet: „Wollen wir hoffen, dass Herr Elmar Gillet sein Konterfei in Form von Plakaten so schnell wie möglich verschwindet. Da bekommt man ja schon in der Frühe Puls und schlechte Laune.“

Gillets Replik ist in politischen Kreisen Gesprächsthema Nummer eins. Aus Sicht der Freien Wähler „ist ein Vergleich mit dem Dritten Reich beziehungsweise mit der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in der Aussage vom Kollegen Gillet mehr als unpassend“, macht deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender David Held deutlich.

Nach Ansicht der Freien Wähler hat der Grüne aus Wesseling eine Grenze überschritten

Fraktionschef Karl Heinz Spielmanns fordert eine öffentliche Entschuldigung von Gillet. Politiker hätten eine besondere Verantwortung, im Diskurs mit dem politischen Mitbewerber, aber auch mit dem Bürger. Dabei habe der Grüne eine Grenze überschritten.

Auch die SPD positioniert sich deutlich: Sie verurteile jede Form von Antisemitismus, Rassismus und die Relativierung von Verbrechen des Dritten Reichs, heißt es in einer schriftlichen Erklärung des Fraktionschefs Dierk Timm. Eine Eskalation oder politisch motivierte Forderungen nach Konsequenzen „auf Basis von Anwürfen und Mutmaßungen“ lehnt die SPD jedoch ab. Gillet teilte am Freitag schriftlich mit: „Was die Antwort auf den Post betrifft, verstehe ich, dass meine spontane emotionale Äußerung zu Irritationen geführt hat. Dies bedauere ich!“

Auf Facebook hat Rafaelo Aprilia alias Ralf Metternic folgende Sätze gepostet: „Wollen wir hoffen, dass Herr Elmar Gillet sein Konterfei in Form von Plakaten so schnell wie möglich verschwindet. Da bekommt man ja schon in der Frühe Puls und schlechte Laune.“

Das war der Post von Rafaelo Aprilia alias Ralf Metternich.

Ralf Metternich verteidigt seine Kritik an den Wahlplakaten der Grünen. Sie hätten nach Gillets Niederlage im ersten Wahlgang noch fast 14 Tage im Stadtgebiet gehangen – und dies, obwohl sich die Grünen darüber beschwert hätten, dass die CDU ihre Wahlplakate noch lange nach der Landtagswahl im Mai nicht entfernt habe. „Da messen die Grünen und Herr Gillet ganz klar mit unterschiedlichem Maß“, kritisiert der 61-Jährige.

Elmar Gillet antwortete seinem Kritiker auf Facebook: „Echt? Was für ein armseliger Charakter sind Sie? Sie würden Sie auch Synagogen anzünden!“ Wobei mit dem zweiten „Sie“ vermutlich „sicher“ gemeint war.

So antworteten Elmar Gillet und die Administratorin Anita Brandtstäter auf den Post von Aprilia.

Gillets Unterstellung, dass jemand wie er „auch Synagogen anzündet“, habe ihn geschockt. Er habe dessen Post Facebook gemeldet, aber „die hat das gar nicht interessiert“. Später wurde die Äußerung des Grünen-Politikers aus dem Chat-Verlauf entfernt. Ob von Gillet selbst, ist unklar.

Auch die Administratorin der Wesseling-Gruppe, Anita Brandtstäter, kann dazu keine Angaben machen. Sie verweist gleichwohl darauf, dass sie zuvor schon in Gruppendiskussionen andere Beiträge von „Rafaelo Aprilia“ gelöscht habe, in denen habe er sich klar rechts und als Gegner der Corona-Maßnahmen positioniert habe.

Ralf Metternich weiß, dass er in die rechte Ecke geschoben werde

Wie Brandtstäter weiter erklärte, habe sie als Reaktion auf Aprilias Beitrag und Gillets Antwort beide Nutzer für die Facebook-Gruppe auf Zeit gesperrt und auch Gillet in einer persönlichen Chatnachricht kontaktiert und ihn aufgefordert, seinen Kommentar zu ändern. „Der ganze Beitrag war nicht gut“, sagte Brandtstäter. „Und die Antwort von Herrn Gillet war überhaupt nicht in Ordnung.“

Aprilia alias Metternich sagt, er wisse, dass er „in die rechte Ecke geschoben“ werde, weil er seine Meinung sage. Der 61-Jährige bezeichnet sich selbst als konservativ. Zwischenzeitlich hatten sich Polizei und Staatsanwaltschaft mit Elmar Gillets Synagogen-Vergleich beschäftigt. Nachdem die Polizei im Kreis Kenntnis von dessen Post erlangt hatte, schaltete sie den Staatsschutz in Köln ein. Er ist immer dann gefragt, wenn es um antisemitische Äußerungen oder um mögliche Gefahren für jüdische Einrichtungen geht.

Das Foto zeigt den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Kreistag, Hans Decruppe.

Hans Decruppe (Linke) spricht von einer Entgleisung Gillets.

Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gebe. Das liege darin begründet, dass Gillets Kommentar in strafrechtlicher Hinsicht – wenn überhaupt – „nur“ ein Beleidigungsdelikt beinhalte. Die Verfolgung einer solchen Tat setze aber zwingend einen schriftlichen Strafantrag des Geschädigten voraus. Metternich schätzt den Aufwand einer Privatklage jedoch als „zu hoch“ ein.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Willi Zylajew vertritt die Auffassung, dass Ermittlungen des Staatsschutzes nicht angemessen seien: „Als ob die sonst nichts zu tun hätten.“ Es stehe außer Frage, dass sich Gillet mit seiner Synagogen-Äußerung nicht „fürs diplomatische Corps qualifiziert“ habe. Allerdings habe er großes Verständnis dafür, wenn ein Politiker mal aus der Haut fahre – das könne ihm auch passieren. Schließlich sei der Grünen-Politiker im Wahlkampf „von links und von rechts beleidigt worden“.

Hans Decruppe, Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag, spricht von einer „Entgleisung Gillets, wohl als Reaktion auf das für ihn enttäuschende Abschneiden bei der Bürgermeisterwahl in Folge Überschätzung seiner Möglichkeiten und derjenigen der grünen Partei“. Dass Gillet versuche, seinen Widerpart in eine antijüdische Ecke zu stellen, sei unzulässig.

Der Grünen-Politiker geriere sich als Opfer und verharmlose zugleich antisemitische Straftaten, „denn sein Widerpart hatte sich zwar sehr provokant, aber in keiner Weise strafbar – geschweige denn antisemitisch – geäußert“.