Im Interview erzählt Dr. Klaus Schloter, wie die elektronische Patientenakte funktioniert und welche Probleme es mit Datenschutz gibt.
Elektronische PatientenakteWesselinger Arzt sieht Einführung der ePA kritisch

Der Start der elektronischen Patientenakte ist für April geplant, könnte sich aber verzögern
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Ursprünglich sollte die elektronische Patientenakte (ePA) im Februar an den Start gehen, mittlerweile ist der Termin auf April verschoben - fehlende Software und Sicherheitslücken könnten zu weiteren Verzögerungen führen. Michael Henke sprach mit Dr. Klaus Schloter über die elektronische Akte. Schloter arbeitet seit 1992 in Wesseling als niedergelassener Allgemeinmediziner und engagiert sich seitdem im Kreisstellenvorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Ärztekammer.
Wie funktioniert die elektronische Patientenakte?
Noch kann keiner sagen, wie sie funktioniert, nur wie sie funktionieren soll. Alle Ärzte sollen die ePA mit ihren Daten befüllen, und diese über die Versichertenkarte abrufen können. Zusätzlich soll mit diesen Daten medizinische Versorgungsforschung durchgeführt werden.
Welche Daten hinterlegen Sie als Hausarzt in der ePA? Geschieht das nach einem strukturierten System?
Die ärztliche Dokumentation besteht aus zwei Komponenten: zum einen die erhobenen technischen Befunde wie EKG, Ultraschall, Laborwerte etc. und zum anderen die persönlichen Aufzeichnungen, die der Arzt im Zusammenhang mit der Untersuchung und Behandlung des Patienten macht. Beides wird in der Verwaltungssoftware – so wie früher auf Karteikarten – zusammengeführt. Fremdbefunde von anderen Ärzten werden entweder eingescannt oder über VPN-Verbindungen direkt importiert. Uns ist die ePA bislang so kommuniziert worden, dass in diese die technischen Befunde und unsere Verordnungen eingepflegt werden sollen. Die persönlichen Aufzeichnungen werden nicht übernommen, denn diese sind Eigentum der Ärzte.
Wesselinger Arzt skeptisch, ob die Patientenakte lückenlos sein wird
Das klingt so, als würden die sowieso erhobenen Daten nur in ein einheitliches System eingepflegt?
Die ePA wird aber ein bestehendes Problem nicht lösen: Die Kommunikation zwischen uns Hausärzten und den Fachärzten ist nur mäßig. Arztbriefe zu schreiben, zu versenden und beim Empfänger zu archivieren macht Arbeit und kostet Geld – zwischen acht und zehn Euro, die nicht vergütet werden. Deshalb bekommen wir von den Fachkollegen oft keine Befunde. Die ePA wird daher nur so gut sein, wie die Fachkollegen bereit sind, ihre Untersuchungsergebnisse einzupflegen. Wir haben seit zwei Jahren die Möglichkeit des elektronischen Arztbriefes, der über einen datengesicherten VPN-Tunnel versandt wird. Das reduziert die Kosten auf weniger als die Hälfte. Keines der Krankenhäuser in unserem Einzugsgebiet ist in der Lage und bereit, an diesem Kommunikationsweg teilzunehmen. Wir Hausärzte wurden mit Honorarkürzungen gezwungen, dieses System einzuführen, es wird aber nur von zehn Prozent der Fachärzte und null Prozent der Krankenhäuser genutzt.
Ich bin skeptisch, dass diejenigen, die sich jetzt dem elektronischen Arztbrief verweigern, bereit sind, die ePA regelmäßig und pünktlich zu befüllen.
Dann wäre die ePA doch eine gute Sache, wenn endlich alle mitmachen.
Ich bin skeptisch, dass diejenigen, die sich jetzt dem elektronischen Arztbrief verweigern, bereit sind, die ePA regelmäßig und pünktlich zu befüllen. Ich habe mit Chefärzten in Kliniken gesprochen, die mir erklärt haben, dass sie auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, am elektronischen Datenaustausch teilzunehmen. Die erhobenen Daten in der ePA werden daher nicht lückenlos sein, sondern immer Stückwerk bleiben. Ganz zu schweigen vom rückwirkenden Einstellen von vorhandenen Daten: Das ist unbezahlbar.
Sie erwarten durch die ePA keine Verbesserung der Kommunikation unter den Ärzten?
Nein, denn es gibt bisher keine Möglichkeit, die Verweigerer zu sanktionieren. Das müsste die KV übernehmen, wenn der Gesetzgeber hierfür einen gesetzlichen Rahmen schafft. Dann könnte man dies automatisiert über die Abrechnungssoftware regeln, indem eine Leistung erst honoriert wird, wenn der Arztbrief verschickt ist bzw. mit der ePA ins System eingepflegt wurde. Wir als Hausärzte bemühen uns schon seit Jahrzehnten darum, eine möglichst umfassende Dokumentation der Krankengeschichte unserer Patienten zu erfassen und zu archivieren. Für den Patienten ist eine solche Dokumentation immer ein Nutzen. Der Knackpunkt ist nicht das Dokumentationssystem, sondern die Arzt-Arzt-Kommunikation und die spielte bei der Entwicklung der ePA keine Rolle, weil sie nur von der EDV her gedacht, aber nicht in Zusammenarbeit mit den Praktikern in der Ärzteschaft entwickelt wurde.
Mangelnder Datenschutz befürchtet
Es gibt auch Kritik an der ePA, weil befürchtet wird, dass sich darüber Fehldiagnosen fortschreiben oder Zweituntersuchungen, die eventuell ein anderes Ergebnis bringen, unterbleiben.
Als Hausarzt gehe ich davon aus, dass ein fachärztlicher Befund stimmt. Was Grenzfälle im fachärztlichen Bereich angeht, muss man Zweitmeinungen kennzeichnen. Der zweite Arzt kann, wenn er die Ergebnisse seines Kollegen einsehen kann, seine Untersuchung spezieller ausrichten und das erste Ergebnis validieren. Entscheidend ist aber wieder, dass die Befunde eingestellt werden, und zwar auch dann, wenn der Patient ohne Überweisung zum Facharzt geht.
Kritisiert wird an der ePA auch mangelnder Datenschutz.
Der Chaos Computer Club hat bei der e-Gesundheitskarte demonstriert, dass der Datenschutz nicht funktioniert. Ihm hat ausgereicht, sich die Hardware-Komponenten, die entsprechenden Lesegeräte, zu besorgen und konnte damit alle Daten einsehen. Das heißt, wenn Sie Ihre Karte auf der Straße verlieren, kann der Finder alle Ihre hinterlegten Daten einsehen.
Wir haben zwar Bedarf an einem digitalen System, das uns allen nützt, aber die ePA wird es nicht sein.
Wenn man den Datenschutz nachbessern würde, würden Sie dann Ihre Bedenken zurückstellen?
Nein. Denn Sie müssen allen vom Kind bis zum Senioren, vom hochintelligenten bis zum dementen Patienten einen Zugang zu seinen Daten ermöglichen. Gerade viele Ältere haben aber gar kein Smartphone oder können dieses nicht richtig nutzen. Sie werden also von diesem System ausgeschlossen. Das ist diskriminierend. Anders herum müssten wir wenigstens eine Zwei-Faktor-Authentifizierung wie beim Online-Banking hinbekommen. Zum Beispiel bei einem System, bei dem die Daten beim Patienten verbleiben und er diese bei Bedarf seinem behandelnden Arzt freigibt. So ein System wurde vor zehn Jahren schon einmal entwickelt. Auch für Forschungszwecke müsste der Patient seine Daten dann erst freigeben.
Mit der ePA wird jeder Arzt, dem ich meine Gesundheitskarte gebe, meine Daten einsehen können?
Ja, auch jeder Zahnarzt, Apotheker, Facharzt, Krankengymnast etc.
Wird die ePA nicht die Forschung voranbringen?
Die Versorgungsforschung wird Zugriff auf die Daten erhalten, diese auswerten und vermarkten. Wer bekommt das Geld, das so mit den Daten der Patienten und Ärzte verdient wird? Ganz abgesehen davon, dass die Daten minderwertig sind, wenn nicht alle mitmachen und die Daten nicht vollständig sind. Womit wir wieder beim Anfang sind: Wir haben zwar Bedarf an einem digitalen System, das uns allen nützt, aber die ePA wird es nicht sein, denn es ist handwerklich schlecht ausgeführt worden.