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Wesselinger Hebamme erklärtDarum wollen immer mehr Frauen eine ambulante Entbindung

Lesezeit 4 Minuten

Nur mit Schutzausrüstung können Hebammen werdende Mütter zu Hause besuchen und betreuen.

Rhein-Erft-Kreis/Wesseling – Maske, Handschuhe, extra Kleidung und sehr viel Desinfektionsmittel gehören seit etwa einem Jahr zur Grundausstattung von Jutta Keßel. Die 56-Jährige ist seit 30 Jahren als freiberufliche Hebamme in Wesseling und Umgebung tätig. Seit der Corona-Pandemie hat sich ihr Arbeitsalltag stark verändert. „Wenn Mutter und Kind nicht untersucht werden müssen, treffe ich mich nur noch online mit den Frauen“, sagt Keßel.

Für Keßel ist diese Umstellung, wie für viele andere, von heute auf morgen gekommen. „Vorher bin ich in meiner normalen Kleidung zu Wochenbettbesuchen gegangen. Jetzt habe ich extra Kleidung, die ich bei 60 Grad waschen kann und nutze FFP-2- oder FFP-3-Masken“, sagt Keßel.

Hebamme aus Wesseling wird wöchentlich getestet

Ihre Materialien und auch ihre Schuhsohlen desinfiziert sie nach jedem Besuch, um keine Viren zu übertragen – weder in ihr Auto noch zu den anderen Familien. Besuche versuche sie so kurz wie möglich zu halten, dadurch ginge allerdings auch vieles, wie zum Beispiel die Baby-Massage, verloren. Kontakt mit einer corona-positiven Frau hatte sie zum Glück noch keinen, sagt sie. Dann müsste Keßel eine komplette Schleuse vor der Wohnungstür der Frau aufbauen, um nach ihrem Besuch alles zu dekontaminieren.

Jutta Keßel ist seit 30 Jahren als freiberufliche Hebamme in Wesseling tätig.

Zu Beginn der Pandemie hat Keßel ihre zusätzliche Ausrüstung selbst beschafft. Da hätte sie sich mehr Unterstützung gewünscht, aber das Gesundheitsamt stellte nur bei Verdachtsfällen eine extra Ausrüstung. „Seit ein paar Wochen ist aber ein kostenloser Corona-Test einmal die Woche möglich“, so Keßel. Das sei fürs Gefühl schon gut. Zudem dürfen sich nun auch freiberufliche und angestellte Hebammen gegen das Virus impfen lassen.

Schwangere haben Angst, alleine in den Kreißsaal zu müssen

Keßel bietet neben der Schwangerenbetreuung und dem Wochenbett auch Geburtsvorbereitungskurse und Rückbildungsgymnastik an. Seit März 2020 können diese Kurse nicht mehr als Präsenzkurs stattfinden. Den Frauen fehle der Kontakt zu anderen Müttern und der damit verbundene Austausch, sagt Keßel.

Viele Frauen sorgen sich zudem, dass sie allein in den Kreißsaal müssen und der werdende Vater nicht unterstützend dabei sein darf. „Das war zu Beginn der Pandemie oft der Fall“, sagt Keßel. „Für die Frauen und uns Hebammen war das im Kreißsaal schwierig. Es war keiner da, der die Hand während der Geburt hielt.“

Wesselinger Hebamme: „Für die Männer ist das auch schlimm“

Mittlerweile sei es oft so, dass Kliniken die Begleitung erst in den Kreißsaal lassen, wenn es wirklich losgeht. „Für die Männer ist das auch ganz schlimm. Es macht viel aus, wenn Männer von Anfang an dabei sind“, so Keßel. Auf der Station im Krankenhaus dürfen die Frauen so gut wie keinen Besuch erhalten. Deswegen entschließen sich derzeit viele Mütter dazu, ambulant zu entbinden und nach vier Stunden wieder nach Hause zu gehen.

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Diesen „Trend“ stellt auch Inge Wörsdörfer-Röhder, Beisitzerin im Kreisvorstand Köln Rhein-Erft des Hebammennetzwerks und selbst als freiberufliche Hebamme im Rhein-Erft-Kreis tätig, fest. Was schön klingt, sei jedoch komplizierter. „Besonders dann sind die freiberuflichen Hebammen gefragt. In den ersten 24 Stunden kann es zu Blutungen bei der Frau oder Gelbsucht beim Kind kommen“, sagt Wörsdörfer-Röhder. Deswegen sei ein kurzfristiger Besuch noch am gleichen Tag der Geburt empfehlenswert und wichtig. Für die Hebammen bedeutet das, sie müssen noch flexibler sein als bisher.

Kein Anstieg der Geburtenrate im Rhein-Erft-Kreis

Während der Corona-Krise sei es zu keinem Anstieg der Geburtenrate gekommen. Das sagt Inge Wörsdörfer-Röhder, freiberufliche Hebamme im Rhein-Erft-Kreis und Beisitzerin im Kreisvorstand Köln Rhein-Erft des Hebammennetzwerkes.

Auch Jutta Keßel, Hebamme aus Wesseling, hat keine wirkliche Veränderung festgestellt, was die Geburtenzahlen angeht. Lediglich für Juli habe sie sehr viele Anfragen von werdenden Müttern.

Eine vermehrte Nachfrage gibt es dagegen nach Hausgeburten, so Wörsdörfer-Röhder. Jedoch gäbe es zu wenig Hebammen, um den Bedarf zu decken, da Hebammen für Hausgeburten sehr viel Erfahrung benötigen. Das sei allerdings schon immer so gewesen, sagt Wörsdörfer-Röhder, und kein coronaspezifisches Problem.

Für Frauen, die keine Hebamme finden, verweist die Beisitzerin des Hebammennetzwerkes auf die neu eröffnete Hebammenambulanz.