AboAbonnieren

Shell WesselingStandort soll durch Umbau rohölfrei werden

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Die Shell-Anlage in Wesseling.

Wesseling – Der im Februar dieses Jahres eingeläutete Umbau der ehemaligen Shell Rheinland Raffinerie schreitet voran. Am Donnerstag verkündete der Konzern den nächsten Schritt für den Energy and Chemicals Park Rheinland, wie die Werke in Köln-Godorf und Wesseling jetzt heißen: Der Standort Wesseling soll im Jahr 2025 rohölfrei werden. „Wir bauen um, nicht ab“, versichert dabei Shell-Deutschland-Chef Fabian Ziegler.

Die Pläne für Wesseling

Shell will die Rohölverarbeitung in Wesseling einstellen. Acht Millionen Tonnen Jahreskapazität sollen bis Anfang 2025 aufgegeben werden, so Standortchef Marco Richrath. Der Rohstoff Erdöl soll ersetzt, hergestellt werden sollen stattdessen mehr CO2-freie oder -arme Produkte. Das kann laut Shell Wasserstoff sein. Treibstoff könne aber auch aus Abfallstoffen entstehen. Dafür sollen bestehende Anlagen abgebaut, neue geschaffen und vorhandene umgerüstet oder umgewidmet werden.

Shell im Rheinland

Die größte Raffinerie Deutschlands betreibt Shell im Rheinland. Bis zu 3000 Beschäftigte in den Werksteilen in Köln-Godorf und Wesseling produzieren rund zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Diesel- und Ottokraft-stoffes, rund 15 Prozent des hier verbrauchten Kerosins sowie Produkte für die chemische Industrie. Für die Chemieindustrie in Deutschland nämlich stellen Erdöl und das Rohbenzin Naphta zu 69 Prozent die Rohstoffbasis.

In der stark auf Grundstoffe ausgerichteten Chemieindustrie in NRW dürfte die Basis mindestens so hoch sein, schätzt der Branchenverband VCI NRW.

Die zwei Shell-Anlagen in Godorf haben eine Rohöldestillationskapazität von neun Millionen Tonnen pro Jahr und die eine Anlage in Wesseling eine Kapazität von acht Millionen Tonnen. Der Energy and Chemicals Park Rheinland, wie Shell den Standort jetzt nennt, sorgt damit für 17 Millionen Tonnen Rohöldestillationskapazität. Mit den Anlagen, die Shell mit Partnern betreibt, hat der Konzern in Deutschland eine Verarbeitungskapazität von 25 Millionen Tonnen.

Beim Umbau des Konzerns spielt Shell Rheinland eine Schlüsselrolle. Shell will weg vom rohöldominierten Angebot und setzt auf erneuerbare Energien, Recycling von Rohstoffen und alternative Kraftstoffe. „Wir werden 2050 noch ein bisschen Öl und Gas in unserem Energiemix haben“, hatte Shell-Konzernchef Ben van Beurden 2020 angekündigt. Der Hauptfokus werde auf nachhaltigem Strom sein, bei Biokraftstoffen, Wasserstoff und anderen alternativen Lösungen. Shell will den

CO2-Ausstoß deutlich reduzieren und bis 2050 klimaneutral sein. (raz)

Durch den Umbau werde Shell eine Million Tonnen direkte CO2- Emissionen von derzeit 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr einsparen, so Ziegler. Das sei ein beachtlicher Schritt in Richtung Netto-Null-Emissionen. Derzeit ist Shell für ein Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, Shell-Produkte bei Kunden wie etwa Treibstoff sorgen für weitere neun Prozent.

In trockenen Tüchern ist „einer der größten Umbauten im Land“, so Ziegler , allerdings noch nicht. Es gehe um „sehr große Milliardenbeträge“, die er aber nicht genauer beziffern wollte. Die Investitionsentscheidung dazu solle 2023 fallen.

Ziegler mahnte Rahmenbedingungen an, die die Investition ermöglichen müssten. Er denkt dabei an Regelwerke, die dafür sorgen, dass grüner Strom in ausreichendem Maß vorhanden ist. Auch dürften Produzenten vom grünem Wasserstoff auf der Basis von erneuerbaren Energie keinen Nachteile haben, sondern sollten Prämien dafür erhalten, dass sie bei einer neuen Technik vorangehen. Wasserstoff auf Basis von erneuerbare Energien ist nämlich deutlich teurer .

Folgen für Godorf

Die Rohöldestillationen in Köln-Godorf bleiben in Betrieb. Sie werden aber auch nicht ausgebaut. Der Shell Verbund in Nord-West-Europa mit etwa einem Zwillingsstandort zum Rheinland in den Niederlanden stelle die Versorgungssicherheit mit Kraftstoffen und anderen Mineralölprodukten in den kommenden Jahren sicher. Mittelfristig soll Rohöl aber nur noch zur Produktion von Spezialprodukten wie Petrochemie, Schmierstoffe und Bitumen eingesetzt werden.

Folgen für die Mitarbeitenden

Die Mitarbeitenden wurden laut Shell am Donnerstag über die Pläne informiert. Konkrete Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf die Zahl der Stellen könne Shell noch nicht machen. Es könnten einige Stellen wegfallen. Andererseits würden wohl neue Stellen im Campus entstehen, bei Partnern von Shell oder anderen Firmen, die sich hier ansiedeln könnten. Shell-Mitarbeitende müssten wohl auch für neue Aufgaben qualifiziert werden. Betriebsbedingte Kündigungen sollen jedenfalls möglichst vermieden werden, so Richrath.

Neue Anlagen in Wesseling

Im Juli wurde in Wesseling bereits Europas größte PEM-Wasserstoff-Elektrolyse zur Herstellung von grünem Wasserstoff mit einer Leistung von 10 Megawatt (MW) offiziell eingeweiht. Die Errichtung einer 100-MW-Elektrolyse-Anlage ist geplant. Angedacht ist auch eine Bio-PTL-Anlage, in der aus grünem Strom und Biomasse synthetische Flugkraftstoffe und Rohbenzin hergestellt werden. Auch diese Anlage mit einer Jahreskapazität von 100000 Tonnen hätte durchaus einen großindustriellen Maßstab. Beide Projekte befinden sich laut Shell in einem fortgeschrittenen Planungsstadium. Eine endgültige Investitionsentscheidung steht aber noch aus. Die Investitionsentscheidung zum Bau einer Anlage zur Herstellung von Bio-LNG, also Flüssiggas, für den Schwerlastverkehr wurde dagegen bereits getroffen. Diese Anlage soll eine Jahreskapazität von 120000 Tonnen haben.

Shell wolle auch mit einem veränderten Produktportfolio eine wichtige Rolle auf dem Energiemarkt spielen, so Richrath.