Neue PläneRheinwasser-Leitung soll auch den Tagebau Hambach füllen
Rhein-Erft-Kreis/Revier – Es war jahrelang eine magische Zahl: Um die nächste Jahrhundertwende sollte sich der Tagebau Hambach in einen See verwandelt haben. Jetzt ist das Ziel deutlich ambitionierter: Schon 30 Jahre früher sollen die Bürger im Hambachsee und auch im Garzweilersee baden können.
Einerseits hat die Kohlekommission dafür gesorgt, dass die Auskohlung früher endet – in Hambach schon 2030 statt 2040. Andererseits soll die Befüllung der riesigen Tagebaue mit Rheinwasser schneller erfolgen. Dazu wird zurzeit an den Plänen für eine Rheinwassertransportleitung gearbeitet.
22 Kilometer lange Leitung von Rheinfeld nach Frimmersdorf geplant
Für eine rund 22 Kilometer lange Rohrleitung von Dormagen-Rheinfeld nach Frimmersdorf am Tagebau Garzweiler steht die Verlaufslinie bereits fest (siehe Karte). Unweit des Landgasthofs Piwipp, wo ein Fährbötchen nach Monheim ablegt, soll ein Entnahmewerk entstehen. Ein Teil des Rheins soll dort nach links abbiegen und über Grevenbroich nach Frimmersdorf gepumpt werden.
Dort wird ohnehin schon ab 2030 Wasser benötigt, um nach Reduzierung des Sümpfungswasser-Angebots ein Trockenfallen von Feuchtgebieten etwa im Schwalm-Nette-Tal zu verhindern und die Grundwasserleiter der Erftscholle zu schonen. Ab 2039 soll der Rhein das Resttagebauloch füllen. Die Trasse der Leitung dafür wurde im vergangenen Jahr genehmigt.
Tagebau Hambach soll ab 2030 über Rohrtrasse befüllt werden
Jetzt plant der Braunkohlenausschuss, über die Rohrtrasse ab 2030 auch den Tagebau Hambach zu füllen. „Eine Mitbenutzung der Trasse für die Rheinwassertransportleitung kann als zu prüfende Alternative (zu einem Abzweig bei Wesseling, Anm. d. Red.) für eine Verfahrensbeschleunigung in Frage kommen“, hat die Bezirksregierung dem Ausschuss als Beratungsgrundlage mitgegeben.
Dazu müssten die Rohre größer oder mehr werden und ab Frimmersdorf eine über 18 Kilometer lange Zweigleitung nach Hambach hinzugefügt werden. Zusätzlich hat die Landesregierung in ihrer Leitentscheidung das Tempo verschärft: Schon 40 Jahre nach der Auskohlung sollen beide Seen vollständig gefüllt sein. Das sei unter anderem nötig, um die Böschungen schneller zu stabilisieren.
Kapazität soll in Hochwasserzeiten erhöht werden
Geplant ist, Vater Rhein mit 18 Kubikmeter pro Sekunde zur Ader zu lassen. Und da dies bei Niedrigwasser nicht möglich ist, weil der Rhein schiffbar gehalten werden muss, soll in Hochwasserzeiten die Kapazität noch erhöht werden, um die Minderentnahmen aus Zeiten niedriger Pegelstände auszugleichen.
„Vom Bergbautreibenden müssen Maßnahmen geplant und abgesichert werden, damit das Rheinwasser qualitativ und verwendungsgerecht aufbereitet wird und die Wasserqualität in den Tagebauseen den Anforderungen an den guten chemischen Zustand sowie den allgemeinen physikalisch-chemischen Parametern entsprechen“ fordert der Braunkohlenausschuss. Obacht gebühre auch der Wasserbalance in Erft, Rur, Niers und Schwalm.
Die vom Ausschuss beauftragte Bezirksregierung Köln hat im August einen Termin mit Fachbehörden und Trägern von Umweltbelangen durchgeführt, in dem erörtert wurde, welche weiteren Interessen und Belange für die zusätzliche Leitung abgefragt und berücksichtigt werden müssen.
Umweltverträglichkeit für Stück nach Hambach wird geprüft
Dazu gehört auch die Bundesschifffahrtsbehörde, die darauf achten muss, dass die wichtige Wasserstraße auch in Niedrigwasserphasen befahrbar bleibt. Dazu soll es in der nächsten Woche Gespräche geben. Dann soll es auch, wie Horst Lambertz (Grüne, Vorsitzender des Arbeitskreises zur Transportleitung beim Braunkohlenausschuss) mitteilt, eine Befahrung der möglichen Rohrtrasse geben.
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Für die Trasse Rheinfeld-Frimmersdorf wurden bereits Prüfungen zur Umweltverträglichkeit durchgeführt. Zunächst wird jetzt ein Planentwurf nebst Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung für das Stück nach Hambach erarbeitet, mit dem der Braunkohlenausschuss im nächsten Jahr befasst werden soll.
BUND warnt vor „Langzeitrisiken und Folgeschäden“
Der BUND warnt vor „Langzeitrisiken und Folgeschäden“. Die Transportleitung sei „ökologisch unverträglich und würde zu einem Ewigkeitsschaden für das Grundwasser einer ganzen Region führen“, fürchtet BUND-NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen. „Jetzt soll die Entnahmemenge mehr als vervierfacht werden. Woher all das Wasser kommen soll, das man aus dem Rhein entnehmen will, ist in Zeiten des Klimawandels schleierhaft.“ Die Braunkohleplanung habe „die letzten drei Dürrejahre und die niedrigen Rheinpegel noch immer nicht zur Kenntnis genommen“. Er fordert, den Entnahmezeitraum zu strecken.
Rolf Behrens vom BUND im Rhein-Kreis Neuss weist darauf hin, dass die erweiterte Rohrleitung das FFH-Gebiet im Knechtstedener Wald quere: „Das ist Salami-Taktik: Zuerst wird eine schmale Leitung für Garzweiler geplant und planungsrechtlich festgezurrt, und jetzt soll die Verbreiterung kommen.“
Statt 2100 könnten die jetzigen Tagebauflächen Garzweiler und Hambach schon 30 Jahre früher das Revier zieren und die Rangliste der Deutschen Binnenseen verändern, sagen die Befürworter. Der rund 400 Meter tiefe Hambachsee wäre gemessen am Wasserinhalt nach dem Bodensee der zweitgrößte See Deutschlands. Garzweiler käme nach dem Starnberger See auf Rang vier.