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Mehr als 200.000 Euro SpendenReiter in Rhein-Erft vernetzen sich nach dem Hochwasser

Lesezeit 4 Minuten
Radlader Ballen

Ein Teleradlader beim Umladen von Rund- und Quaderballen

Rhein-Erft-Kreis – Als das Wasser kam, ging es ganz schnell. Die ersten Meldungen gingen in den verschiedensten Chatgruppen ein. „Wer kann Pferde aufnehmen?“, „Wir müssen evakuieren!“, „Hat jemand einen Anhänger?“. Solche und ähnliche Fragen fluteten zeitgleich mit dem Wasser, das die Pferdeställe in Erftstadt überschwemmte, die sozialen Netzwerke.

Irgendeiner kannte immer jemanden, der helfen konnte. Es stellte sich heraus: Die Reiter in der Region sind untereinander gut vernetzt, mit dabei auch die Vorstandsgruppe des Pferdesportverbandes Rhein-Erft. Die einen stellten Boxen zur Verfügung, die anderen Weiden und wieder andere fuhren mit eigenem Anhänger vor, um die Pferde aus dem Wasser zu retten. Vorstandsmitglieder waren selber betroffen.

Von Gymnich aus fuhren Pferdeanhänger in Konvois los

„Es waren viele Strömungen der Hilfe, die am ersten Tag kreuz und quer liefen, aber effektiv waren. Noch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden in Erftstadt-Ahrem die letzten Pferde aus dem ansteigenden Wasser geholt“, berichtet der erst Anfang Juli neu gewählte Verbandsvorsitzende, Detlev Müller aus Frechen, und informierte weiter, dass die Hilfen kreis- und bundeslandübergreifend erfolgten, und dass die vielen freiwilligen Erst-Helfer 36 Stunden lang Pferde evakuierten – und das unter den widrigsten Bedingungen und unter Gefahr für das eigene Leben.

Bodenschatz und Berg

Mit Leidenschaft zum Pferd richten Andrea Bodenschatz (l.) und Katharina Berg ein Logistikzentrum mit Lager ein.

Zwei der federführenden Personen am Evakuierungstag waren Andrea Bodenschatz und Katharina Berg. „Wir waren plötzlich alle vernetzt, auch mit Leuten, die man gar nicht kannte“, erinnert sich Katharina Berg. Da sie in Erftstadt-Gymnnich wohnt, wurde sie plötzlich zur Koordinatorin der Hilfs-Fahrer. Sofort mit dabei war Andrea Bodenschatz. Zentrale Anlaufstelle war der Betrieb Pferdeparadies Esser in Gymnich. Von hier fuhren die Pferdeanhänger in Konvois los. Durch ihren Job als Kommunikations-Fachkraft geschult, nahm sie ohne nachzudenken quasi die Zügel in die Hände. Auch als die Frage aufkam: „Was machen wir mit der Versorgung der Pferde?“

Bürger stellt 4000 Quadratmeter große Halle in Kerpen zur Verfügung

Das sich verselbstständigte Pferde-Leute-Netzwerk hatte Antworten. Erste Hilfslieferungen mit Futter kamen an, diese wurden zunächst in Lagerhallen von landwirtschaftlichen Betrieben untergebracht. Dann stellte jemand seine 4000 Quadratmeter große Halle in Kerpen zur Verfügung, ein Teleradlader für Heuballen wurde gestellt, ein Messebauer richtete spontan Büroräume ein.

Katharina Berg eröffnete ein Spendenkonto „Pferdehilfe Erftstadt“ und gründete mit Andrea Bodenschatz die Initiative „Futterhilfe NRW & RLP“. Das machte natürlich in den Sozialen Netzwerken wieder die Runde – was auch bis hinauf zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) reichte.

Katharina Berg wird als Koordinatorin für die Hilfsgüter angestellt

Und ehe sich Katharina Berg versah, war sie als Koordinatorin für die Hilfsgüter bei der FN für zwei Monate angestellt worden, und ein kleines Logistikunternehmen ist entstanden. „Die FN wollte das schon funktionierende Netzwerk nutzen. Ich habe spontan unbezahlten Urlaub bei meinem Arbeitgeber bekommen und schon ging es los“, sagte Katharina Berg, die dann auch die Bekanntschaft mit Detlev Müller machte, der zusammen mit dem Pferdesportverband Rheinland die vielen Schäden bei den betroffenen Ställen erfasste.

In Funktion des Fachbeirates Para-Sport nahm er den kurzen Dienstweg und berichtete schnell über die Schäden. Das Ausmaß ist weitestgehend dokumentiert, aber immer noch unbegreiflich, und die Pferdefreunde werden diese noch lange spüren. Mittlerweile rechnet man laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit einer zusammenfassenden Schadenssumme von über fünf Milliarden Euro. FN und betroffene Pferdesport-Verbände haben eine Kommission eingerichtet, welche die Spendengelder entsprechend der Bedürftigkeit verteilen wird.

Erftstadt: Erste Spendengelder werden verteilt

Für die Pferdebesitzer sind Andrea Bodenschatz und Katharina Berg nun in den nächsten Tagen in den betroffenen Gebieten unterwegs, um die FN-Spendenanforderungs-Formulare an die zu verteilen, die keine Internetmöglichkeiten haben. Je nach Hilfswunsch füllen Betroffene einfach das einseitige Kurzformular „Soforthilfe“ oder „Wiederaufbau“ aus und schicken es per E-Mail an die FN.

Außerdem werden bereits die ersten Spendengelder verteilt. Sabine Höhnke, erste Vorsitzende des Reit- und Fahrverein Erftstadt-Bliesheim mit Sitz auf der Anlage Gut Waldsee von Springreiterin Julia Rösgen, nahm diese erste Unterstützung im fünfstelligen Bereich dankend entgegen. Bis zu 1,50 Meter hoch stand das Wasser auf der Anlage und zerstörte unter anderem den Reitplatz, der komplett weggespült wurde. Infos zur Spendenaktion und die Formulare gibt es unter www.pferd-aktuell.de/fluthilfe.

Mehr als 200.000 Euro auf Spendenkonto eingegangen

Am vergangenen Mittwoch vermeldete die FN, dass bisher bereits 236.390,32 Euro auf das Spendenkonto eingegangen sind.

Das Spendenkonto der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)Verwendungszweck: Flutkatastrophe Juli 2021IBAN: DE23 4126 2501 0006 2228 03BIC: GENODEM1AHLVolksbank eG

Wer Futterspenden benötigt, kann sich direkt mit einer WhatsApp-Nachricht an die Initiative „Futterhilfe NRW & RLP“ wenden unter der Telefonnummer: 0152/27890340 oder per E-Mail an: futterhilfe.nrw.rlp@gmail.com.