Wenn Tabletten und Pillen fehlen: Lieferengpässe bei Medikamenten sorgen für große Probleme im Rhein-Erft-Kreis. Eine Apothekerin berichtet.
Medikamente sind knappApothekerin berichtet über Versorgungsengpass in Rhein-Erft
Deutschland ist krank: Dieser Eindruck muss entstehen, wenn man sich umhört. Corona ist noch lange nicht überwunden, die alljährliche Grippewelle rollt übers Land und Atemwegserkrankungen wie das RS-Virus sind an der Tagesordnung. Die Folge sind übervolle Arztpraxen, lange Schlangen vor den Apotheken und dann auch noch gravierende Lücken in den Medikamentenbeständen. Und eine Besserung ist bei der Versorgung mit Arzneimitteln kaum in Sicht.
Alternative für Kinder und Eltern
„Es ist eine Katastrophe“, so Nadine Freidenhoven, Verbandssprecherin der Apotheken im Rhein-Erft-Kreis, zur aktuellen Situation. Vor allem fehlen Medikamente für Kinder. Fiebersäfte sind Mangelware, und auch Päckchen mit fiebersenkenden Zäpfchen sind kaum zu bekommen. Gibt es für die Eltern Alternativen? Bei älteren Kindern, so die Apothekerin, die in Kerpen die Struwwelpeter-Apotheke führt, kann man auf Tabletten ausweichen: „Mit Paracetamol oder Ibuprofen kann man weiterhelfen, indem man die Tabletten halbiert oder viertelt, mörsert oder in Wasser auflöst. Schwierig wird es bei Kleinkindern, wo man auf Zäpfchen oder Säfte angewiesen ist.“
Letztere aber sind schwierig zu bekommen, nur noch vereinzelt verfügbar. Schmerz- und Fiebersäfte sowie antibiotische Säfte sind so gut wie kaum noch zu bekommen. Aber auch Hustenstiller, Codein-Präparate oder Blutdruckmittel für Erwachsene stehen kaum noch in den Regalen der Apotheken. „Manchmal haben wir Glück und bekommen vom Großhandel Tabletten oder Säfte geliefert. Das sind dann aber meist geringe Kontingente und die sind schnell wieder weg“, erzählt Nadine Freialdenhoven. Und wie sieht es untereinander aus, können Kollegen mitunter helfen?
Apotheken tauschen Medikamente untereinander
„Ja, wir sind kollegial untereinander. Entweder schicken wir die Kunden zu den Apotheken, wo das Mittel vorhanden ist oder wir tauschen aus. Aber wenn wir nichts zum Tauschen haben, fällt das auch flach.“ Der Versorgungsengpass bei Arzneimitteln und Medikamenten hat mehrere Gründe. Einer der wesentlichen dürfte die Tatsache sein, dass fast alles in der Dritten Welt, vornehmlich in Billiglohnländern in Asien, produziert wird, weil dort die Umweltauflagen auch nicht so hoch sind wie hier.
Und diese würden bei einer heimischen Produktion die Kosten zusätzlich in die Höhe treiben. Erst kürzlich wurde in Österreich das letzte Werk geschlossen, das im europäischen Raum noch Antibiotika herstellte. Fazit von Nadine Freialdenhoven: „Wir haben nicht nur einen Lieferengpass, wir haben inzwischen einen Versorgungsengpass, weil wir nicht mehr in der Lage sind, die Patienten vernünftig zu versorgen.“