Tim Poetschulat und Kay Brüggen wurden von Landrat Frank Rock für ihre Zivilcourage ausgezeichnet. Hier ist ihre Geschichte.
AusgezeichnetPulheimer reanimieren verunglückten Autofahrer – Preis für Zivilcourage
Gerade hatte Kay Brüggen seine Tochter im Kindergarten abgegeben. „Jetzt noch schnell eine Runde mit dem Hund“, dachte der 38-Jährige aus Pulheim-Brauweiler. Das war am 8. März 2023, morgens gegen 9 Uhr. Das Wetter war nasskalt und ungemütlich.
Zu allem Übel hatte es auch noch angefangen zu schneien. Brüggen ging die Mathildenstraße hoch, wollte dann die Straße überqueren, um rechts in die Straße Auf der Insel abzubiegen, als er einen Wagen sah, der in leichten Schlangenlinien die Mathildenstraße aus Richtung Innenstadt herunterfuhr – geradewegs auf ihn zu. Im nächsten Moment sah und hörte er, wie der Wagen mit lautem Geräusch über die kleine Verkehrsinsel fuhr, ohne zu bremsen, die Gegenfahrbahn überquerte, dann weiter über den Gehweg rollte und schließlich frontal gegen einen Poller und einen Gartenzaun krachte.
Die ganze Aufmerksamkeit galt dem Unfallfahrer
„Nur ganz knapp verfehlte das Auto ein Fahrzeug, das zur gleichen Zeit auf der Gegenfahrbahn stadteinwärts unterwegs war“, erinnert sich Brüggen. Der Fahrer habe auch angehalten. „Er wirkte völlig schockiert.“ „Alles in Ordnung“, habe Brüggen noch gefragt. Später habe er aber weder den Wagen noch den Fahrer noch einmal gesehen. Brüggens ganze Aufmerksamkeit galt dann dem Unfallfahrer. Zuerst habe er ja gedacht, dass der Fahrer – vielleicht abgelenkt durch sein Handy – von der Fahrspur abgekommen sein könnte.
Doch als er den Mann im Wagen ansprach und er trotz mehrmaliger Versuche keinerlei Reaktion zeigte, wurde ihm klar, dass es ernst sein muss – sehr ernst. „Ich habe mir große Sorgen gemacht und sofort den Rettungsdienst über die Nummer 112 gewählt“. Vergeblich habe er dann versucht, den bewusstlosen Mann aus dem Wagen zu holen.
Auch eineinhalb Jahre nach dem Unfall sind die Erinnerungen alle noch da; die verzweifelten Versuche etwa, den Mann irgendwie wach und aus dem Auto zu bekommen, die laute Hupe, die einfach nicht abzustellen war und die vielen Menschen, die an der Unfallstelle vorbeifuhren, sich teils sogar den Hals verdrehten, aber einfach nicht anhielten. Im Nachhinein betrachtet habe er sich wie in einem Film gefühlt.
Alles, was er je über Erste Hilfe gelernt habe, habe er automatisch abgearbeitet. „Das große Flattern mit Schlaflosigkeit und weichen Knien kam erst später“, erinnert er sich. „Mir ging es ganz ähnlich“, bestätigt Tim Poetschulat. Der 46-Jährige ist bei der Freiwilligen Feuerwehr in Pulheim-Brauweiler aktiv.
Er fuhr mit seinem Transporter gegen 9 Uhr aus der Donatusstraße und sah direkt, dass eine Ecke weiter etwas nicht stimmt. Seinen Wagen hat er dann direkt vor der Unfallstelle abgestellt. Dann eilte er zu Brüggen und dem Verunglückten. Doch auch auf seine Ansprache reagierte der ältere Mann nicht. „Wenn ich als freiwilliger Feuerwehrmann zu einer Unfallstelle gerufen werde, bin ich ja nie alleine“, erklärt er. Oft sei auch schon der Rettungsdienst vor Ort. Diesmal war alles anders. Jetzt waren er und Brüggen auf sich alleine gestellt.
Doch beide Helfer taten genau das Richtige. Schnell gelang es Poetschulat, die Hupe abzustellen. Und gemeinsam mit Brüggen schnallte er den Verunglückten ab und hoben den Autofahrer auf die Ladefläche seines Transporters. Fast zeitgleich meldete sich der über den E-Call alarmierte Hersteller des verunglückten Fahrzeugs. Über die Freisprecheranlage des Autos konnte Poetschulat dort melden, dass dem verunglückten Fahrer bereits geholfen wird und der Rettungsdienst alarmiert ist. Inzwischen hatte sich um sie herum eine große Menschenmenge versammelt. Viele Kinder verfolgten die Geschehnisse auch vom Zaun des benachbarten Schulhofs.
Doch im Transporter waren die Retter und der Schwerstverletzte von den meisten Blicken geschützt. Poetschulat begann direkt mit der Reanimation des 79-Jährigen und Brüggen stand ihm zur Seite. Die Rettungskräfte waren schnell am Einsatzort und übernahmen die Versorgung des Verletzten. Erst später erfuhren die beiden Ersthelfer, dass der Senior wenige Stunden nach dem Unfall im Krankenhaus gestorben war. „Wir würden trotzdem immer wieder genau so handeln“, versichern die zwei Männer unabhängig voneinander.