Polizei im Rhein-Erft-KreisGewalt ist Teil des Alltags geworden
Rhein-Erft-Kreis/Kerpen – Verbale Beleidigungen gehören auch für die Polizisten im Rhein-Erft-Kreis schon lange zum Alltag. Immer öfter kommt es jedoch zu gewalttätigen Übergriffen.
Polizeikommissar Tobias Greuel (26) erinnert sich beim Gespräch auf der Kerpener Polizeiwache noch gut an den Einsatz, bei dem es eigentlich nur um eine Festnahme in einem Supermarkt ging. Ohne jede Vorwarnung habe der Täter plötzlich damit begonnen, mit vollen Whiskey-Flaschen auf ihn und seine Kollegin zu werfen.
„Natürlich haben wir versucht, auf den Mann einzureden, ihn zu beruhigen.“ Doch nicht immer gehe es ohne Gegengewalt. So wie Greuel haben die meisten Polizisten im Rhein-Erft-Kreis schon gewaltsame Angriffe erfahren.
Schon eine schlichte Personenkontrolle kann eskalieren
Eine schlichte Personenkontrolle könne bereits eskalieren. Polizeikommissarin Corinna Petritsch (26) wollte mit ihrem Kollegen lediglich die Personalien eines „Wildpinklers“ überprüfen. Doch statt den Ausweis nach mehrfacher höflicher Aufforderung zu zeigen, habe der Jugendliche plötzlich wie wild um sich geschlagen.
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„Es fehlt generell an Respekt und Achtung voreinander“, sagt die 26-Jährige. Thomas Stotzem, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Rhein-Erft-Kreis, geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht von einem „zunehmenden Werteverfall in der Gesellschaft“.
Anders könne er es sich nämlich nicht erklären, dass einzelne Polizisten aufgrund ihrer Arbeit sogar auch schon privat angegriffen wurden. „Wir hatten hier schon Fälle von zerkratzten Fahrzeugen, aufgedrehte Radmuttern und sogar Prügelangriffe“, sagt er.
Gewerkschaft setzt Hoffnung in Elektroschock-Geräte
Auch bei der Gewerkschaft der Polizei ist die zunehmende Gewalt gegen Uniformierte aktuell ein großes Thema. Eine wirkliche Hilfe für die Beamten sieht Stotzem in dem Distanzelektro-Impulsgerät, (DEIG), das demnächst in einigen Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen in den Probelauf kommt. „Solche Geräte wären vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen“, so Stotzem.
Polizisten ermögliche das DEIG, sich bei drohenden Übergriffen schnell und effektiv zur Wehr zu setzten. „Es führt dazu, dass der Angreifer für einige Sekunden handlungsunfähig wird“, erklärt Stotzem. Gesundheitliche Folgen habe das nicht.
Im April 2017 wurde im Rhein-Erft-Kreis auch die „junge Gruppe“ der Gewerkschaft der Polizei gegründet. Um auf die zunehmende Gewalt gegen Polizisten aufmerksam zu machen, haben sie sich auch der bundesweiten Kampagne ihrer Organisation angeschlossen: „Auch Mensch“.
Greuel sieht Mitschuld an Zunahme bei fehlenden Konsequenzen
Mit Plakaten und Flyern gehen die jungen Polizisten in die Öffentlichkeit und machen deutlich, dass es eine zunehmende Anzahl von Menschen gibt, die die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens als Provokation empfinden.
Eine Mitschuld an den Entwicklungen sieht auch Greuel in den fehlenden Konsequenzen von Straftaten. Viele Beamte empfinden es so, dass man sich in Nordrhein-Westfalen gegenüber der Polizei sehr viel mehr erlauben könne als in verschiedenen anderen Bundesländern. „Von einigen unserer Einsätzen haben wir sogar gehört, dass die Täter trotz ausreichender Haftgründe schon wieder freigelassen wurden, noch bevor wir überhaupt die Anzeige geschrieben hatten“, ergänzen junge Kollegen.
Hundertschafts-Mitglieder seien auf alles eingestellt
Mitglieder der Alarmhundertschaft bei brisanten Fußballbegegnungen oder bei Demonstrationen wie etwa im Hambacher Forst seien innerlich auf „alles“ eingestellt – auch, dass Steine fliegen. „Darauf werden wir ja schon in unserer Ausbildung sehr gut geschult“, erklärt Petritsch. Ziel sei jedoch, deeskalierend aufzutreten und zu arbeiten.
Gleichwohl habe auch sie schon Situationen erlebt, in denen sie es schlichtweg mit der Angst zu tun bekam, als sie zum Beispiel eine Personenkontrolle bei Demonstranten im Hambacher Forst durchführen wollte. Autos von Kollegen seien dort bereits mit Steinen beworfen worden. „Mehr aus dem Augenwinkel habe ich mitbekommen, dass sich hinter mir und meinem Kollegen mehrere Menschen gruppierten“, erklärt sie. Ganz schnell seien sie dann da weg.
An Zivilcourage glauben die Polizisten nicht
Denn auf Hilfe aus der Zivilbevölkerung setzen die Beamten schon lange nicht mehr. „Es ist leider so, dass die Menschen lieber zusehen oder statt Zivilcourage zu beweisen, ihr Handy nehmen und die Einsätze filmen“, so Burghof.
Stotzem wünscht sich für die Polizei weitere Möglichkeiten zum Eigenschutz, von der Justiz ein härteres Durchgreifen und von der Gesellschaft mehr Zivilcourage, dass Menschen einschreiten und sich Gewalt nicht gefallen lassen.