Arztpraxen, Supermarkt und eine Kita: Die Eigentümer des Gebäudekomplexes Nordring 52 in Kerpen haben große Pläne.
NordringWie aus einem Kerpener Brennpunkt ein Musterviertel werden soll
Der Geruch von orientalischem Gebäck lenkt von der trostlosen, leicht verwitterten Fassade ab. Die meisten Geschäftsräume hinter den Schaufenstern sind leer. Vor den wenigen, übriggebliebenen Läden sitzen Männer in kleinen Gruppen. Sie genießen den Sonnenschein und schwarzen Tee, unterhalten sich auf Türkisch.
Tagsüber wirkt der Gebäudekomplex Nordring 52 friedlich. Doch fragt man Kerpener, was sie mit der Gegend verbinden, lauten die Antworten: Verbrechen, Razzien, Kriminalität. Geht es nach dem Willen der Eigentümer, ist damit bald Schluss. Dunkle Ecken, Leerstände und zwielichtiger Ruf sollen Supermarkt, Kindergarten und Arztpraxen weichen.
Das Kerpener ISEK überzeugte die Eigentümer
Olaf Strecker kennt den Ruf des Nordrings. Mit seinem Geschäftspartner Roman Mardak und drei weiteren Investoren ist er Eigentümer des Gebäudekomplexes, der aus mehreren Läden und einem Hochhaus besteht. Von dem Ruf beeindrucken lassen hat er sich noch nie. Er kaufe einen Angstraum, habe man ihn gewarnt. „Erst nach dem Kauf hatte ich einen Eindruck davon, was gemeint war. Überall gab es dunkle Ecken rund um die Immobilie, in die sich die Bewohner nicht getraut haben“, Also habe er rund um das Gebäude Licht installieren lassen. „Die Lampen waren schon am nächsten Tag kaputt.“
Vom Kauf überzeugt hat die Investoren unter anderem das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) der Stadt. Die hatte große Pläne mit der Maastrichter Straße und dem Nordring. Am Nordring etwa sollten ansässige Unternehmen gestärkt und die Aufenthaltsqualität verbessert werden, zum Beispiel mit Außengastronomie. Das Ziel: einen „Treffpunkt für Jung und Alt“ zu schaffen. Weil aber die Verwaltung mit den Plänen für das Europagymnasium beschäftigt ist, beschloss sie 2021 die Maßnahme in das ISEK 2.0 zu verschieben.
Das ändert nichts daran, dass sich bereits viel getan hat, seit die fünf Investoren das Gebäude 2019 übernommen haben. Von den ursprünglich 13 Läden sind noch vier übrig - ein Kiosk, eine türkische Bäckerei mit Teesalon, ein Friseur und das Café Star. Vorher gab es ständig wechselnde Mieter. Dass sie jetzt weg sind, stört die Eigentümer nicht. „Das Wettbüro an der Straßenseite des Gebäudes haben wir mit Freude geschlossen“, sagt Strecker. Auch die Mieter, die im Hochhaus leben, seien erleichtert gewesen. Eine „entsprechende Klientel“ habe nur für Unruhe gesorgt.
Das neue Europagymnasium entsteht in der Nähe
Lange leer bleiben sollen die Geschäftsräume hinter den Schaufenstern nicht. Strecker und Mardak wollen einen Nahversorger ins Europaviertel holen. „Für die Menschen im Viertel gibt es bisher kein gutes Angebot in der Nähe. Sie müssen entweder in die Kerpener Innenstadt oder ins Erftkaree“, erläutert Strecker. Noch gibt es einen kleinen Markt an der Branbanter Straße. Aber auch der zieht sich bald aus dem Viertel zurück.
Von einem Nahversorger profitieren nach Ansicht von Strecker nicht nur die Menschen im Viertel. In der Nähe des Nordrings 52 liegt das Begegnungszentrum Mosaik, nur einen Kilometer entfernt soll künftig das Europagymnasium und eine Flüchtlingsunterkunft für 700 Menschen liegen. Und dann gibt es noch die Eltern, die ihren Nachwuchs demnächst in einen Kindergarten am Nordring bringen.
Geplante Kita verändert den Blick auf den Nordring
Direkt gegenüber des Johannes-Rau-Seniorenzentrums, auf der Nordseite des Nordring-Gebäudekomplex, entsteht ab nächstes Jahr ein viergruppiger Kindergarten. Einen entsprechenden Vertrag haben die Immobilieneigentümer mit dem Träger Stepke Kitas geschlossen. Doch bis dahin ist einiges zu tun: Ein Teil des Gebäudes wird abgerissen, der Rest mit Markisen und neuer Fassade aufgewertet. Künftig soll auch der Verkehr mit einer Einbahnstraße um das Gebäude geführt werden. „Wir richten eine Kiss and Ride Zone für die Eltern ein“, sagt Strecker. Eines der Sorgenkinder der Immobilieneigentümer, der vermüllte Hinterhofparkplatz mit den zerstörten Lampen, verschwindet. An seiner Stelle entsteht ab Sommer 2025 ein Spielplatz für die Kita-Kinder. Das, was vom Parkplatz übrig bleibt, soll ein Dienstleiter betreuen und sichern.
Spielende Kinder und familienfreundliche Supermärkte statt Verbrechen - das klingt für die Menschen, die das Europaviertel kennen, zunächst einmal nach Utopie. Aber das Vorhaben der Eigentümer hat Kalkül. Strecker ist sich sicher: Da wo Kinder sind, verhalten sich auch Erwachsene anders. Und der Blick potenzieller Gewerbemieter auf die Immobilie verändert sich bereits.
Eine Physiotherapie etwa ist am Einzug interessiert. Arztpraxen oder eine Apotheke sollen folgen. Denn die seien bisher auch rar gesät im Europaviertel, sagt Strecker. „Mit dem gegenüberliegenden Seniorenheim könnten wir so gleich Synergieeffekte nutzen.“
„Synergieeffekt“ ist auch ein Stichwort, das Strecker nutzt, wenn es um die Mieter des Hochhauses geht. 48 Haushalte gibt es in dem Gebäude. Diese würden ein verlässliches Angebot vor Ort benötigen. Die Eigentümer planen auch, den Mietern in Zukunft ein Mitspracherecht einzuräumen, was ihre Nachbarn eingeht. Ein Beirat für Neuvermietungen soll dann miteinscheiden, wer in den Nordring 52 einzieht.
„Wir haben unsere leidigen Erfahrungen mit dem Nordring 52 gemacht. Jetzt wollen wir einen Neuanfang“, sagt Strecker. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht. Als Projektentwickler haben Strecker und sein Geschäftspartner unter anderem Projekte in der Ehrenfelder Fuchsstraße oder der Parkstadt Süd erfolgreich abgeschlossen.