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„Systemsprengerin“Kerpen sucht händeringend nach Betreuern für 14-Jährige

Lesezeit 3 Minuten
Wohngruppe Symbolbild 030922

Eine Sicherheitsdienst-Mitarbeiterin steht an einem Markt (Symbolbild).

Kerpen – Auf eine solche Herausforderung war in Kerpen niemand vorbereitet. Seit einigen Monaten lebt in der Kolpingstadt ein Mädchen, das nur durch ein Höchstmaß an Betreuung davon abgehalten werden kann, sich selbst oder anderen Menschen Leid zuzufügen. Das Deeskalationsteam Kerpen, eine Einrichtung der Jugendhilfe, sucht daher im Auftrag der Stadtverwaltung händeringend nach hoch qualifiziertem Personal für die Begleitung der Jugendlichen, die engmaschig betreut und beaufsichtigt werden muss. Dies geht aus einer Stellenanzeige hervor, die auf verschiedenen Jobportalen erschienen ist.

Demnach handelt es sich um ein 14-jähriges Mädchen, das „eine besondere Neigung zu herausforderndem Verhalten“ habe. In der Pädagogik und Psychiatrie werden solche Menschen als „Systemsprenger“ bezeichnet. Zum „Repertoire“ des Mädchens, so heißt es in der Anzeige weiter, gehöre auch „selbstverletzendes Verhalten“.

Auf der Suche nach einer Lösung, die gleichzeitig Kind und Stadt gerecht wird

Die Stadtverwaltung hatte bei den Haushaltsplanberatungen am Dienstag im Hauptausschuss mitgeteilt, dass die Betreuung jeden Monat 85.000 Euro koste. Angaben zu Geschlecht und Alter machte sie nicht, mit Hinweis auf den Datenschutz. Nach Recherchen dieser Redaktion hatte die Verwaltung bereits im Juni im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des Jugendhilfeausschusses über diesen außergewöhnlichen Betreuungsfall berichtet.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Ripp erkennt die Tragik des Falls an, ist mit Blick auf die desolate Haushaltslage der Stadt jedoch ernüchtert: „Was nützen alle unsere Sparbemühungen, wenn wir einen Systemsprenger haben, der uns rund eine Million Euro im Jahr kostet?“ Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) macht deutlich, dass das Kindeswohl im Rahmen der Jugendhilfe Priorität habe: „Wir sind unterwegs, um eine Lösung zu finden, die dem Kind, aber auch der finanziellen Situation der Stadt gerecht wird.“

In Deeskalation geschulte Mitarbeiter mit im Dienst

Eine Extremsituation: Der Umgang mit einem jungen Menschen, der traumatisierende Erfahrungen in seiner Kindheit gemacht hat, dessen Psyche und Seele verletzt ist und der durch sämtliche Raster der Hilfsangebote gefallen ist – oder aber für ihn nicht in Frage kommen – erfordert besondere Qualitäten und Fähigkeiten. Daher heißt es in der Stellenausschreibung weiter: „Um das Setting möglichst sicher für alle Beteiligten zu gestalten, ist stets eine, speziell in Belangen der Deeskalation geschulter Mitarbeiter*in mit im Dienst. So können Sie sich der spannenden Herausforderung stellen, mit diesem besonderen jungen Menschen zu arbeiten und müssen gleichzeitig nicht um Ihre oder die körperliche Unversehrtheit anderer bangen.“ Dafür biete das Deeskalationsteam eine „überdurchschnittliche Bezahlung“.

Auf Nachfrage erläuterte Kerpens Rathaussprecher Harald Stingl, warum das 14-jährige Mädchen rund um die Uhr – auch durch einen Sicherheitsdienst – betreut werden muss: Es gebe „eine lange Vorgeschichte im Rahmen der Jugendhilfe. Aufgrund von Wohnortwechseln waren verschiedene Jugendämter zuständig. Viele Beziehungsabbrüche, auch im Rahmen der Jugendhilfe, sind uns bekannt“.

Enge Zusammenarbeit mit Jugendpsychatrie und Familiengericht

Deutschlandweit habe sich keine adäquate Unterbringung finden lassen. Wegen der Selbst- und Fremdgefährdung erfolge in diesem Fall eine „sehr enge Zusammenarbeit mit der für uns zuständigen Kinder- und Jugendpsychiatrie, dem Familiengericht und der Herkunftsfamilie“. Bedauerlicherweise zeige sich an diesem Fall, dass für Hochrisikoklienten wenig ausreichende geeignete Maßnahmen zur Verfügung stünden.

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Laut Stingl sind sich Experten einig, dass bei dem Störungsbild von einer längeren Unterbringung auszugehen ist. Konstanz, Bindungsaufbau und psychotherapeutische Behandlung seien maßgeblich. Die intensive (auch kostenintensive) Betreuung solle dennoch nur so lange wie unbedingt erforderlich aufrechterhalten werden.