Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

BürgermeisterwahlKerpens CDU-Chef hat plötzlich einen Gegenkandidaten

Lesezeit 7 Minuten
Auf dem Foto sind zwei Männer und eine Frau zu sehen.

Sie sind Rivalen, wenn die CDU Kerpen ihren Bürgermeisterkandidaten nominiert: Parteichef Addy Muckes (l.) und Stadr-Pressesprecher Harald Stingl. Das Foto zeigt sie bei einem gemeinsamen Besuch in der Kindertagesstätte Panama in Kerpen.

Eigentlich schien es ausgemachte Sache, dass Addy Muckes Anfang April als Bürgermeisterkandidat aufgestellt wird. Jetzt gibt es Konkurrenz. 

Der CDU Kerpen droht eine Zerreißprobe: Bei der Bewerbung für den Bürgermeisterposten läuft es überraschend auf einen Zweikampf hinaus. Nachdem es als ausgemacht erschien, dass sich Parteichef Addy Muckes am 2. April als einziger Kandidat dem Votum der Mitglieder stellen würde, hat nun auch Harald Stingl seinen Hut in den Ring geworfen. Der Pressesprecher der Kolpingstadt hat sich am Donnerstagabend (27. März) dem geschäftsführenden CDU-Parteivorstand vorgestellt.

Mehrere Ortsvereine haben sich bereits für Muckes, der auch erster stellvertretender Bürgermeister ist, ausgesprochen; zuletzt der Ortsverein Kerpen/Mitte. Dessen Vorsitzende Mareen Ehrhardt teilte auf Facebook mit, es sei eine Selbstverständlichkeit, den Parteivorsitzenden zu unterstützen.

Kerpen: Addy Muckes kandidiert nicht zum ersten Mal

Muckes galt bereits 2020 als aussichtsreicher Kandidat, nachdem der damals und heute amtierende Bürgermeister Dieter Spürck seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur angekündigt hatte. Wenig später vollzog Spürck aber eine Rolle rückwärts und stellte sich erneut zur Wahl.

Stingls Interesse für den Bürgermeisterposten kommt überraschend. Wie diese Redaktion aus Vorstandskreisen der Kerpener CDU erfahren hat, soll er erst Mitte Februar 2025 der Partei beigetreten sein. Zu diesem Schritt soll Stingl vom Fraktionsvorsitzenden Klaus Ripp ermuntert worden sein, heißt es aus zuverlässigen Quellen.

Ripp selbst betont allerdings: „Herr Stingl hat sich bei der Partei gemeldet, weil er kandidieren möchte.“ Er sieht den zweiten Kandidaten als Bereicherung: „Einen zweiten Kandidaten zu haben, ist positiv für die CDU.“ Und er machte sogar deutlich: „Bis Mittwoch kann es noch weitere Kandidaten geben. Immerhin ist das ein völlig normaler, demokratischer Vorgang.“

Stingl: Kandidatur basiert auf dem Wunsch, Haltung zu zeigen

Stingl selbst sagt zu seiner Bewerbung: „Das ist eine Entscheidung, die sich Stück für Stück geformt hat, aufgrund von politischen Entwicklungen in den vergangenen Jahren sowohl auf Bundes- als auch auf kommunaler Ebene.“ Sein Eintritt in die CDU vor wenigen Wochen habe damit aber nichts zu tun, beteuert der Pressesprecher der Stadt: „Schon nach der Bundestagswahl 2021 kam mir die Idee, ich habe mich allerdings aus Gründen der Neutralität dagegen entschieden, da ich im Bürgermeisterbüro arbeite.“

Jetzt habe sich die Situation geändert, vor allem aufgrund der kürzlichen Bundestagswahl. „Ich habe mich entschieden, aufgrund der politischen Entwicklungen in unserem Land Haltung in einer demokratischen Partei zu zeigen, die meine Werte und meine Haltung widerspiegelt und in der ich verwurzelt bin“, erklärt Stingl gegenüber der Redaktion. Er habe im Zuge dessen auch überlegt, an welcher Stelle seine Fähigkeiten besonders nützlich seien, sagt er: „Ich arbeite seit Jahrzehnten in der Verwaltung und weiß somit als einziger der Bewerber, was auf mich zukommt.“

Absprachen mit Teilen der CDU habe es nicht gegeben

Gedrängt habe ihn zu dieser Kandidatur niemand, betont er: „Ich habe mich an Frau Bremer gewandt und sie war selbst überrascht. Meine Entscheidung hat vermutlich alle überrascht. Absprachen oder Aufforderungen gab es nicht.“

Dass er vorher so gut wie mit niemandem über seine Absicht, als Bürgermeisterkandidat der CDU anzutreten, gesprochen habe, begründet Stingl so: „Das ist einfach der Zeit geschuldet. Das ist auch der Grund, warum Herr Muckes und ich noch nicht darüber gesprochen haben. Auch deshalb habe ich auch nicht erst mit dem Ortsverband Kerpen-Mitte geredet.“ Allerdings wolle er das nun zeitnah nachholen: „Sowohl der Ortsverband als auch das Gespräch mit Herrn Muckes stehen für mich jetzt ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Gespräche sollen zeitnah erfolgen.“

Auf dem Foto sind drei Männer vor dem Kerpener Rathaus zu sehen.

2021 war Harald Stingl (l.) als Nachfolger von Pressesprecher Erhard Nimtz (M.) vorgestellt worden. Bürgermeister Dieter Spürck begleitete den Wechsel.

Muckes hat nach eigenen Angaben nicht mit einem weiteren Bewerber aus den eigenen Reihen um den Bürgermeisterposten gerechnet. „Ich sehe das aber als einen fairen demokratischen Wettkampf. Es liegt jetzt an den CDU-Mitgliedern zu entscheiden“, sagt er. Gespräche zwischen ihm und Stingl zu der plötzlichen Kandidatur hätten bisher nicht stattgefunden, ergänzt Muckes. Bei der Vorstellung Stingls am Donnerstagabend sei er aus Gründen der Neutralität nicht anwesend gewesen.

Die stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende und damit in dieser Funktion Muckes' Vertreterin Irmgard Bremer übernahm nach eigenen Angaben entsprechend die Abwicklung um die Bewerbung des neuen Kandidaten. „Herr Stingl hat sich bei mir als Bewerber gemeldet. Dann haben wir uns, wie es gute Sitte ist, zusammengesetzt und unterhalten. Am Mittwoch werden dann die Mitglieder entscheiden, wer unser Kandidat wird.“

Dabei handele es sich um einen geläufigen und demokratischen Prozess, betont sie im Gespräch mit der Redaktion. Der Stadtverband habe von Anfang an die Position vertreten, sich nicht für einen Bewerber zu positionieren, sondern Mitglieder entscheiden zu lassen. „Ich sehe die beiden Bewerber auch nicht als Konkurrenten, sondern als gleichberechtigte Interessenten, die sich kennen und gut miteinander arbeiten“, sagt Bremer.

Ortsverband Kerpen-Mitte kritisiert die Aufstellung des zweiten Kandidaten

Scharfe Kritik für den neuen Bewerber gab es von der Ortsverbandsvorsitzenden Kerpen-Mitte, Marleen Ehrhardt: „Wir sehen es mit großer Verwunderung, dass jetzt, so kurz vor der Mitgliederversammlung, plötzlich ein zweiter Kandidat auftaucht. Da erhärtet sich der Verdacht, dass an dieser Sache Personen beteiligt sind, die Spannung in der Partei fabrizieren wollen.“

Weiter zeigte sie sich enttäuscht, dass Harald Stingl nicht beim zuständigen Ortsverband Kerpen-Mitte vorstellig geworden sei, bevor er sich an die Partei beziehungsweise den Stadtverband gewandt habe. Das entspreche nicht dem guten Ton und der üblichen Vorgehensweise.

„Wir als Stadtverband stehen voll und ganz hinter unserem Kandidaten Addy Muckes. Er hat als Erster Stellvertreter des Bürgermeisters bereits gezeigt, dass er diese Verantwortung übernehmen kann, und ist in der Stadt bekannt und geschätzt“, betont Ehrhardt.

Stingl ist seit bald 40 Jahren bei der Stadt Kerpen angestellt. Bevor er 2021 die Kommunikation der Kolpingstadt übernahm, leitete er die Abteilung Sport, Bäder und Städtepartnerschaft. Er gilt daher als ausgewiesener Verwaltungsfachmann, was dem Vernehmen nach für Ripp eine wichtige Voraussetzung für den Chefposten im Rathaus ist.

Muckes ist gelernter Handwerker, seit mehr als 30 Jahren selbständig und leitet als Inhaber ein Unternehmen für Sonnenschutz. Er gehört seit 2008 der CDU an und fungiert seit 15 Jahren in verschiedenen politischen Ämtern.

Zuvor soll Ripp bereits versucht haben, andere Personen für eine Kandidatur zu gewinnen, unter anderem den Bürgermeister eines anderen Kreises im Speckgürtel Kölns, einen engen Vertrauten von Bergheims Bürgermeister Volker Mießeler und Mitglieder aus den eigenen Reihen. Alle sollen abgewunken haben.

Kerpen: Klaus Ripp wollte 2008 Bürgermeister werden

Das Verhältnis zwischen Muckes und Ripp gilt als schwierig, ist aus Kreisen der Kerpener CDU zu hören. Der Blatzheimer Ripp wollte 2008 bereits selbst einmal Bürgermeister werden. Er unterlag aber Marlies Sieburg von der SPD.

Addy Muckes berichtete kürzlich bei einer Veranstaltung über seine Erfahrungen beim Fasten.

Addy Muckes berichtete kürzlich bei einer Veranstaltung über seine Erfahrungen beim Fasten.

Ripp führt die Reserveliste seiner Partei für die Kommunalwahl im September 2025 an. Er würde also sicher auch dann im künftigen Rat vertreten sein, wenn er seinen Wahlkreis nicht gewinnen sollte. Eine Konstellation aus Addy Muckes als Bürgermeister und Klaus Ripp als Fraktionsvorsitzender sollen CDU-Mitglieder nach Informationen dieser Redaktion als undenkbar bezeichnen.

Kerpen: Eigentlich sollte Spürck für eine dritte Amtszeit antreten

Muckes geht nach Einschätzung von Beobachtern der politischen Landschaft in Kerpen als klarer Favorit in die Entscheidung am kommenden Mittwoch. Zumal sich Ortsverbände klar für ihn positioniert haben und Muckes in der Kolpingstadt deutlich bekannter ist als Stingl.

Ursprünglich sollte Dieter Spürck für eine dritte Amtszeit kandidieren. Er war im Januar – bereits schwerer erkrankt – mit 89 Prozent von den Mitgliedern nominiert worden. In Abwesenheit des ebenfalls erkrankten Muckes hatte Ripp unsere Redaktion von der Mitgliederversammlung ausgeladen. Nur wenige Wochen später teilte Muckes mit, dass Spürck aus gesundheitlichen Gründen doch nicht antreten werde. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass der Parteivorsitzende hauptamtlicher Bürgermeister werden möchte.

Bei dem Gerangel an der CDU-Spitze scheint es mehr um persönlichen Machterhalt zu gehen als um eine echte Lösung für Kerpen
Annika Effertz

Bei Vertretern anderer Parteien ruft der Machtkampf in der CDU Kopfschütteln hervor, so auch bei Annika Effertz von den Grünen: „Als Außenstehende erscheint einem das Gerangel an der CDU-Spitze mehr um persönlichen Machterhalt zu gehen als um eine echte Lösung für Kerpen“, sagte die Parteivorsitzende und Bürgermeisterkandidatin.

Das Vorgehen von Teilen der Kerpener CDU erinnert an einen Vorgang Anfang März in Frechen. Dort war die amtierende Bürgermeisterin Susanne Stupp zum Verzicht gedrängt worden, weil der Parteivorstand ihr nicht mehr zutraute, den Sitz im Rathaus zu verteidigen. Stattdessen wurde  Gerd Koslowski mit großer Mehrheit als Bürgermeisterkandidat aufgestellt.