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Bürgermeister bringt Kaserne ins SpielKerpen will mehr Geflüchtete aufnehmen als gefordert

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt die Boelcke-Kaserne in Kerpen. Bürgermeister Spürck bietet Bund und Land, mehr Flüchtlinge als gefordert in Kerpen unterzubringen, eben auf diesem Gelände.

Bürgermeister Dieter Spürck bietet Bund und Land, mehr Flüchtlinge als gefordert in Kerpen unterzubringen. Seine Bedingung: Die Stadt erhält die Boelcke-Kaserne.

Kerpen möchte mehr Ukrainerinnen und Ukrainer aufnehmen. Dafür braucht es Platz.

1400 Flüchtlinge. Das klingt nicht nach viel in einer Stadt mit fast 70.000 Einwohnern. Doch diese 1400 Flüchtlinge bringen die Stadt Kerpen an ihre Belastungsgrenze. Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, vielleicht einen Platz in einer Schule, Hilfe bei Behördengängen.

Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) bringt nun eine Lösung ins Spiel, um den Geflüchteten eine „menschenwürdige Unterbringung“ zu ermöglichen. Er will die Boelcke-Kaserne als Unterkunft – und bietet dem Bund im Gegenzug an, dass Kerpen mehr Flüchtlinge aufnimmt als es müsste.

Die Kaserne hat schon einmal Flüchtlingen als Unterkunft gedient

„Wenn die Bundeswehr uns das Kasernengelände auf Dauer überlassen würde, wäre das meiner Meinung nach ein guter Standort für Geflüchtete“, sagt Spürck. Von 2015 bis 2020 diente die Boelcke-Kaserne bereits als zentrale Flüchtlingsunterkunft des Landes Nordrhein-Westfalen. 2020 bot sie zuletzt Platz für mehr als 400 Menschen.

„Wir sind sogar bereit, in diesem Fall mehr zu tun als gefordert“, sagt Spürck. Das heißt konkret: Kerpen nimmt zusätzliche Geflüchtete auf, die sonst auf andere Kommunen verteilt worden wären. Er würde alles versuchen, um einen entsprechenden Ratsbeschluss herbeizuführen, sagt Spürck.

Schon jetzt gerät die Kolpingstadt Kerpen an ihre Grenzen

Doch es gibt ein Problem: Schon mit dem aktuellen Flüchtlingszuzug gerät die Kolpingstadt an ihre Grenzen. Im Oktober vergangenen Jahres hat die Stadt deshalb das Land und die Bundeswehr um Amtshilfe und die Boelcke-Kaserne gebeten. Die Antwort kam im Januar: Wie die Boelcke-Kaserne in Zukunft genutzt werde, sei noch nicht klar. Ein Zeitraum, um der Stadt die Kaserne zu überlassen, könne deshalb nicht benannt werden.

Spürck ist verärgert: „Die zögerliche Haltung der Bundesregierung, die viele Entscheidungen zum Ukraine-Krieg betrifft, spiegelt sich hier wider“, sagt er. Laut Bundeswehr muss ohnehin jedes der 13 Kasernengebäude saniert werden, bevor Flüchtlinge in ihnen untergebracht werden können – und das für den stolzen Preis von 900.000 bis 1,3 Millionen Euro je Gebäude. „Das ist für uns als Stadt im Haushaltssicherungskonzept aber nicht tragbar“, sagt Spürck. Sein Ziel sei es deshalb, alles abzureißen und komplett neuzubauen.

Hinzu kommt: Die Sanierung dauert etwa 18 bis 24 Monate. Wie viele Geflüchtete dann nach Kerpen gekommen sind, lässt sich nur schwer prognostizieren. Zumindest in nächster Zeit steigen die Zahlen aber wieder. Das belegt ein Brief an die Stadt von Josefine Paul, der Landesministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration.

24.01.2023: Kerpen-Sindorf. Flüchtlinge sind in Kerpen unter anderem in Containern an der Bruchhöhe untergebracht.

Geflüchtete sind in Kerpen unter anderem in Containern an der Bruchhöhe untergebracht.

Auch Marc Hunger blickt auf die kommenden Monate mit Sorge. Vor allem der Ukraine-Krieg beschäftigt ihn. „Momentan kommen nur wenige Ukrainer. Eine Zeit lang stagnierten die Zahlen sogar“, sagt der Abteilungsleiter der Kerpener Ausländerbehörde. „In den kommenden Monaten erwarten wir aber einen deutlichen Anstieg – und zwar dann, wenn es in der Ukraine richtig kalt wird.“

Aktuell liegen die Temperaturen dort um den Gefrierpunkt – ähnlich wie in Deutschland. Januar und Februar sind die kältesten Monate in dem osteuropäischen Land. Mit 15 neuen Flüchtlingen pro Woche rechnet die Kolpingstadt im Moment – das ist immer noch meilenweit von den 50 entfernt, die es 2015 waren.

Mütter und Kinder versuchen wir hauptsächlich bei Freiwilligen unterzubringen
Dieter Spürck

Aktuell beherbergt Kerpen 756 Geflüchtete aus der Ukraine und 635 Geflüchtete aus anderen Ländern, vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Während von dort hauptsächlich junge Männer kommen, sind es aus der Ukraine eher Familien. „Mütter und Kinder versuchen wir hauptsächlich bei Freiwilligen unterzubringen“, erläutert Spürck. „Das klappt leider nicht immer.“

Viele Flüchtlinge sind in Containern an der Humboldtstraße, der Erftstraße und der Bruchhöhe in Sindorf untergebracht. An der Bruchhöhe soll es demnächst vier weitere Container geben. In den Ortsteilen Türnich, Brüggen und Manheim-neu leben Flüchtlinge in Hallen – für Sportvereine und den Karneval ist das ein großes Problem.

Schon vor einigen Jahren hatte die Stadt große Pläne mit der Boelcke-Kaserne. Unter dem Namen Boelcke-Campus Kerpen wollte sie Forschungsunternehmen und nachhaltige Start-ups auf dem Kasernengelände ansiedeln. Ursprünglich hieß es nämlich, dass die Bundeswehr die Kaserne aufgibt. Sie entschied sich 2019 dann aber doch anders.


Seit Beginn des Ukraine-Kriegs versucht die Stadt, geflüchtete Mütter und ihre Kinder möglichst bei Kerpener Familien unterzubringen. Etwa 70 Flüchtlinge leben immer noch bei Gastfamilien.

Weil die Stadt aber mit steigenden Flüchtlingszahlen rechnet, benötigt sie demnächst noch mehr private Unterkünfte für geflüchtete Menschen. Auch dieses mal geht es vor allem darum, geeigneten Wohnraum für Mütter mit Kindern und für Familien zu finden.

Immobilienbesitzer können sich bei Ali-Riza Özbey von der Stadt Kerpen per E-Mail (ali-riza.oezbey@stadt-kerpen.de) oder telefonisch unter 02237/58228 melden. (maf)